Behandelter Abschnitt Apg 28,16-22
So kommt der Apostel als Gefangener in die Metropole der Welt. Das war der Wille Gottes. Es waren damals Gläubige darin, wie wir aus dem Brief wissen, der aus Korinth an sie geschrieben wurde (Röm 16,3). Viele Versammlungen wurden von Aposteln gegründet, nicht die in Rom. So nahm Gott vorweg, indem er den Stolz der Menschen verurteilte, die später dieser Tradition frönten, die so grundlos ist wie die meisten anderen. Die wichtigste Stadt der Heiden, die in dem Bereich des Paulus lag, nicht in dem des Petrus (Gal 2,8), konnte sich wahrhaftig keines Apostels als ihres Gründers rühmen. Aber mehr noch, dort kam das größte Zeugnis des Evangeliums in Fesseln. Umso bitterer musste das Evangelium in der Folter und auf dem Scheiterhaufen leiden, als aus dem heidnischen Babylon das Geheimnis der Frömmigkeit, das päpstliche Babylon, wurde. Doch das Wort Gottes wurde nicht gebunden, ebenso wenig wie es später von grausameren Schicksalen verzehrt wurde, sogar als ein pseudochristlicher Priester auf dem Thron der Kaiser saß und sich Männer im Gewand von Nachfolgern des Lammes ausgaben, die reißende Wölfe und in Wirklichkeit heidnisch im Herzen und im Unglauben waren.
Als wir aber nach Rom kamen, wurde Paulus erlaubt, mit dem Soldaten, der ihn bewachte, für sich zu bleiben.
Es geschah aber nach drei Tagen, dass er die, welche die Ersten der Juden waren, zu sich zusammenrief. Als sie aber zusammengekommen waren, sprach er zu ihnen: Brüder! Ich, der ich nichts gegen das Volk oder die väterlichen Gebräuche getan habe, bin gefangen aus Jerusalem in die Hände der Römer überliefert worden, die mich, nachdem sie mich verhört hatten, freilassen wollten, weil keine Todesschuld an mir war. Als aber die Juden widersprachen, war ich gezwungen, mich auf den Kaiser zu berufen, nicht, als ob ich gegen meine Nation etwas zu klagen hätte. Um dieser Ursache willen nun habe ich euch herbeigerufen, euch zu sehen und zu euch zu reden; denn wegen der Hoffnung Israels bin ich mit dieser Kette umgeben. Sie aber sprachen zu ihm: Wir haben über dich weder Briefe von Judäa empfangen, noch ist jemand von den Brüdern hergekommen und hat uns über dich etwas Böses berichtet oder gesagt. Wir möchten aber von dir hören, was du denkst; denn von dieser Sekte ist uns allerdings bekannt, dass ihr überall widersprochen wird (28,16–22).
Zwei Dinge zeigen sich beim Apostel: die völlige Überlegenheit gegenüber dem Groll, der ihn bis dahin von den Juden verfolgt hatte, und auch der unermüdliche Eifer, danach zu trachten, dass sie die Wahrheit hören und sich nicht selbst für unwürdig des ewigen Lebens erachten. Auch gab es nicht die geringste Hinterhältigkeit. Er lud ihre führenden Männer ein, die nicht minder informiert waren, und erklärte, dass er, ohne den Juden oder ihren ererbten Sitten Unrecht zu tun, ein Gefangener aus Jerusalem unter den Römern sei, die ihn nach einer Untersuchung freizusprechen gedachten, wenn nicht die Haltung der Juden seine Berufung auf den Kaiser erzwungen hätte. Aber er weist auf das eigentliche Vergehen hin – sein Eintreten für die Hoffnung Israels. Er hätte ihre Verschwörung, ihn zu ermorden, aufdecken können, als er in römischer Hand war, eine Tatsache, die, wenn sie in Rom veröffentlicht worden wäre, ihm selbst genauso gedient hätte, wie sie die Juden gesprengt hätte. Aber er verlor kein Wort außer dem der selbstlosen Liebe und sagte, er habe keine Anklage gegen die, die so hartnäckig seinen Tod gesucht hätten. Es war wahrlich für die Hoffnung Israels, dass er die Kette trug – für den Messias, der mit Segnungen jeder Art beladen ist, die niemals schwinden werden. Und wenn die Juden sich taub stellten, müssen diese sicheren Gnaden (vor denen Israel eines Tages in wahrer Reue zerschmelzen wird) geeignete Ziele finden, wenn nicht im begünstigten Land, so doch in der unfruchtbaren Wüste, wo jetzt offene Ausgestoßene zur Ehre Gottes leben, die Ziele der Gnade Jesu.
Von dieser Gnade gegenüber den Heiden, die anderswo den Hass der Juden erregt hatte, spricht der Apostel aber noch nicht, sondern nur davon, dass er für Christus, die Hoffnung Israels, ein Gefangener war.