Behandelter Abschnitt Apg 15,22-29
Es ist übrigens zu bemerken, dass keine Abstimmung stattfand, auch keine gleichwertige Maßnahme. Denn es ging nicht um den Willen des Menschen, sondern um den Willen Gottes. Der durch den Geist gewirkt hat, um heilige Weisheit und allgemeine Zustimmung zu geben.
Dann schien es den Aposteln und den Ältesten samt der ganzen Versammlung gut, Männer aus sich zu erwählen und sie mit Paulus und Barnabas nach Antiochien zu senden: Judas, genannt Barsabbas, und Silas, Männer, die Führer unter den Brüdern waren. Und sie schrieben und sandten durch ihre Hand Folgendes: „Die Apostel und die Ältesten [und die] Brüder an die Brüder aus den Nationen, in Antiochien und Syrien und Zilizien, ihren Gruß. Weil wir gehört haben, dass einige, die von uns ausgegangen sind, euch mit Worten beunruhigt haben, indem sie eure Seelen verstören – denen wir keinen Auftrag gegeben haben –,schien es uns, einmütig geworden, gut, Männer auszuwählen und sie mit unseren Geliebten, Barnabas und Paulus, zu euch zu senden, mit Männern, die ihr Leben hingegeben haben für den Namen unseres Herrn Jesus Christus. Wir haben nun Judas und Silas gesandt, die auch selbst mündlich dasselbe berichten werden. Denn es hat dem Heiligen Geist und uns gut geschienen, keine größere Last auf euch zu legen als diese notwendigen Dinge: euch zu enthalten von Götzenopfern und von Blut und von Ersticktem und von Hurerei. Wenn ihr euch davor bewahrt, so werdet ihr wohltun. Lebt wohl!“ (15,22–29).
Man wird feststellen, dass die ältesten Autoritäten mit einer Lesart beginnen, die jetzt von fast allen Kritikern akzeptiert wird. Dies ergibt einen Sinn, der etwas weiter von der kirchlichen Tradition entfernt ist als der gewöhnliche Text, wo „die Ältesten“ scharf von den unmittelbar folgenden „Brüdern“ unterschieden werden. Die „älteren Brüder“ ist jedoch eine Formulierung, die genau mit dem Zustand übereinstimmt, der in Jerusalem herrschte. Zweifellos waren sie dort „die Ältesten“, wie wir sie in Kapitel 11,30 und auch in Kapitel 15,2.6 genannt finden. Sie waren die örtlichen Autoritäten; aber sie scheinen nicht formell gewählt worden zu sein, wie es die Ältesten in den heidnischen Versammlungen zweifellos waren, durch apostolische Autorität, direkt oder indirekt; sie scheinen vielmehr einfach aus ihrer Erfahrung und ihrem moralischen Gewicht heraus gehandelt zu haben, wie es unter den Juden üblich war. Das passt bemerkenswert zu dem besonderen Ausdruck, der hier verwendet wird, „die älteren Brüder“, und harmoniert mit dem Tonfall der Ansprache Petrus in 1. Petrus 5,1-4.
Aber es gibt noch eine andere Bemerkung, die von noch unmittelbarerer und wichtigerer praktischer Anwendung ist. Judas Barsabbas und Silas wurden zusammen mit Paulus und Barnabas gesandt und als „Führern unter den Brüdern“ bezeichnet. Sie waren weder einerseits Apostel, noch waren sie andererseits Älteste oder ältere Brüder, aber sie wurden wegen ihrer Eignung vom Konzil ausgewählt, Antiochien zu besuchen. Es ist derselbe Ausdruck, den wir dreimal (V. 7.17.24) in Hebräer 13 finden. Die Revised Version übersetzt es wie die Authorized Version in Kapitel 15,22 mit „chiefmen“; aber „die, die die Herrschaft hatten [oder haben]“ in Hebräer: „hatten“ für die heimgegangenen Führer, „haben“ für solche, die noch lebten und arbeiteten. Sie werden nicht als Älteste bezeichnet, sondern scheinen eher mit dem Dienst des Wortes identifiziert worden zu sein (V. 7), als mit der Aufsicht oder dem Vorsitz wie bei den Ältesten. Diese Tatsache gibt uns, wenn sie richtig erkannt wird, einen klaren Einblick in die weitaus größere Freiheit sowie die Vielfalt der Gaben, die in der apostolischen Versammlungen ausgeübt wurden, verglichen mit der Enge der modernen Christenheit. Ich spreche nicht von Zeichengaben wie Wundern und Zungenreden, sondern von geistlichen Gaben, die von Christus zur Vollendung der Heiligen gegeben wurden (Eph 4). Konfessionelle Abmachungen nach dem weltlichen System eines Gehalts, mit dem Anspruch einer exklusiven Stellung, ignorieren direkt den Willen des Herrn in dieser Hinsicht und zerstören die schöne Freiheit des Geistes und führen zur Aushungerung (nicht zur Auferbauung) des Leibes Christi.
Doch der aufmerksame Leser wird nicht nur in der Apostelgeschichte, sondern auch in ihren Briefen feststellen, dass das Prinzip und die Praxis dieses freien Dienstes in den Versammlungen unabhängig von örtlicher Autorität oder offiziellem Rang durch das ganze Neue Testament hindurch leicht verbürgt ist. Römer 12,4-8 ist eindeutig. „Lehren“ und „ermahnen“ und „vorstehen“ oder „leiten“ werden als „verschiedene Gnadengaben“ genannt, „nach der uns verliehenen Gnade“, im Unterschied zur „Weissagung“. In der Versammlung nach Gottes Wort war und sollte für sie alle Platz sein. Es wäre der reinste Unglaube, anzunehmen, dass sie jetzt ausgestorben sind. Wehe den Widersachern des Heiligen Geistes, die eine solche Unwahrheit behaupten, um ihr System zu rechtfertigen!
Der Leser kann auch 1. Korinther 12 und14 durchgehend vergleichen, sowie 15,1–21; Galater 6,6; Epheser 4,7-16; Philipper 1,14; Kolosser 2,19; 1. Thessalonicher 5,12.13; 2. Timotheus 2,2; 1. Petrus 4,10.11; 3. Johannes 7,8, die auf die deutlichste Weise die volle Öffnung in der Versammlung wie auch zur Welt hin für die entsprechend Begabten beweisen, die die Schrift behauptet, und nur Personen wie Diotrephes, soweit Gottes Wort spricht, es wagen, sich dem entgegenzustellen und auszuschalten.
Es ist vergeblich, sich darauf zu berufen, wie es der Unglaube blindlings tut, dass eine solche Weite und Freiheit nur für die apostolische Zeit geeignet war. Denn dies gibt wirklich die höchste Bestätigung für ein solches freies Wirken des Heiligen Geistes. Wenn inspirierte Männer, wenn die höchsten Gaben, die Gott je in die Versammlung gesetzt hat, jede Form des gnädigen Dienstes nicht behinderten, sondern unterstützten, wie können dann Menschen in erklärtermaßen minderwertiger Stellung heutzutage ihre Opposition rechtfertigen? Keiner außer den Voreingenommensten wird behaupten, dass die gewöhnlichen Gaben der Erbauung versagen. Keiner außer den Enthusiasten wird leugnen, dass die Zeichengaben, die die gegenwärtige Haushaltung einleiteten, ausgestorben sind. Nicht so die, Gott sei Dank, die vom hinaufgestiegenen Christus zum Werk des Dienens gegeben wurden, außer denen, die dazu dienten, den Grund zu legen (Eph 2,20), der, einmal gelegt, für immer gelegt ist.
Wir können im Brief des Konzils bemerken, dass die Reihenfolge wie in
Vers 12 „Barnabas und Paulus“ (V. 25) lautet, während es früher im
Kapitel wie in Vers 2 und später wie in Vers 35 und danach „Paulus und
Barnabas“ ist. Das Empfinden der Gläubigen in Jerusalem drückte sich auf
die frühere Weise aus, wie es auch anderswo in den frühen Tagen des
Zeugnisses des großen Apostels der Fall war (vgl.
Dies war das einzige Konzil, das das Recht hatte zu sagen: „Denn es hat dem Heiligen Geist und uns gut geschienen“ (V. 28). Wenn andere die Sprache nachgeahmt haben, ist das nur Profanität. Aber es war überhaupt keine ökumenische Versammlung, sondern einfach die Versammlung in Jerusalem, wo die Apostel und die örtlichen Ältesten zusammenkamen, um über die Sache zu beraten. Die Entscheidung wurde ganz richtig dort getroffen, wo das Übel seinen Ursprung hatte und wo die Apostel waren, Paulus und Barnabas gingen zu diesem Zweck hinauf. Sie waren es, die mit der ganzen Versammlung in Jerusalem für die Freiheit der heidnischen Bekehrten entschieden. Wie anders und verhängnisvoll muss es gewesen sein, wenn es ein Konzil in Antiochien gewesen wäre, auch wenn die Entscheidung dieselbe gewesen wäre!
Es ist von allergrößter Bedeutung, dass sowohl der Weg als auch das Ziel vom Heiligen Geist und in Übereinstimmung mit dem Wort Gottes sind. So war es auch bei diesem Konzil, und wir hören nichts mehr von „viel Wortwechsel“ oder Befragung, die die Brüder vor dem Konzil aufgewühlt hatte. Judas und Silas wurden als die eindeutigsten Zeugen der Entscheidung in Jerusalem gesandt, damit Barnabas und Paulus von dort aus eine über alle Zweifel erhabene Unterstützung hätten. Die Kraft der göttlichen Gnade hatte also in Wahrheit und Gerechtigkeit für den Namen Jesu gewirkt, und es herrschte große Ruhe.
Es gab keinen so verhängnisvollen Irrtum, als ein Teil der Versammlung (obwohl in Jerusalem außerordentlich zahlreich) dann für sich allein entschied, die anderen Teile folgten, und schließlich wurden alle, die gegen den Betrug und die Gewalt des Prozesses Einspruch erhoben, in der Stadt hinausgedrängt und erklärt, und der gleiche Kurs wurde im ganzen Land verfolgt. Kein Wunder, dass durch eine so grobe Abweichung vom Wort Brüche entstehen mussten, selbst wenn es sich nicht um eine Parteilichkeit gegenüber einem Begünstigten gehandelt hätte, dem eine ungerechte Unterdrückung vorausging. Auf dem Konzil in Jerusalem, wie die Liebe zur Ehre Christi gewirkt hat, so war die Gerechtigkeit das Ergebnis, und die Einheit wurde durchweg aufrechterhalten. Niemand dachte an eine andere Beurteilung der Frage, weder in anderen Teilen Jerusalems noch irgendwo anders. Gott ehrte seine eigenen Prinzipien in seinem Wort, die Gnade triumphierte, und die Gläubigen im Großen und Ganzen, wie entfremdet sie auch vorher waren, besaßen und freuten sich über den Segen, wo der Schein einen Sturm böser Vorzeichen für alle, die das Evangelium schätzten, angedroht hatte.
Aber die ökumenischen Konzilien haben Einzelne verflucht und Spaltungen weit und breit erzwungen. Darin waren sie erfolgreich; denn nichts ist so leicht, wie die Gläubigen zu zerstreuen. Fleischliche Gewalt zu beschwichtigen, Entfremdete zu versöhnen, Partei zu unterdrücken, dazu bedarf es der Gnade und Wahrheit, die der Herr walten lässt: Was war auf diesen Konzilien so selten (wie die Geduld Christi)? Wille und Leidenschaft herrschten demütiger und bitterer als auf dem politischen Gebiet.
Sogar das erste und wichtigste dieser „allgemeinen Konzile“ wurde von Kaiser Konstantin einberufen, obwohl er ein ungetaufter Mann war! Auch sollte es in Nizäa stattfinden. Die Zahl der westlichen Delegierten war lächerlich gering, wie sie es überhaupt bei allen Konzilien im Osten war. Später, als die Päpste die Macht über die Kaiser ausübten, waren die östlichen Bischöfe gänzlich abwesend. So war der Anspruch, „ökumenisch“ zu sein, eine Nichtigkeit, und zwar ganz offensichtlich, nachdem der Westen sich mit dem Osten zerstritten hatte, denn von da an nahm nur noch die lateinische Partei teil. So sorgte Gott dafür, dass, als der Aufbruch vollständig wurde und das Böse durch den Willen der Menschen erzwungen wurde, die Einheit offensichtlich am Ende war, obwohl niemand so laut und arrogant in seinem Anspruch darauf bestand wie die, die in ihrem blinden Eifer am meisten getan hatten, das entsprechende Zeugnis zu zerstören.