Behandelter Abschnitt Joh 19,6-11
Als ihn nun die Hohenpriester und die Diener sahen, schrien sie und sagten: Kreuzige, kreuzige ihn! Pilatus spricht zu ihnen: Nehmt ihr ihn hin und kreuzigt ihn, denn ich finde keine Schuld an ihm. Die Juden antworteten ihm: Wir haben ein Gesetz, und nach dem Gesetz muss er sterben, weil er sich selbst zu Gottes Sohn gemacht hat.
Als nun Pilatus dieses Wort hörte, fürchtete er sich noch mehr; und er ging wieder in das Prätorium hinein und spricht zu Jesus: Woher bist du? Jesus aber gab ihm keine Antwort. Da spricht Pilatus zu ihm: Redest du nicht mit mir? Weißt du nicht, dass ich Gewalt habe, dich freizulassen, und Gewalt habe, dich zu kreuzigen? Jesus antwortete ihm: Du hättest keinerlei Gewalt gegen mich, wenn sie dir nicht von oben gegeben wäre; darum hat der, der mich dir überliefert hat, größere Sünde (19,6–11).
Da die Anklage gegen den Herrn als feindlich gegen die Mächte der Welt ausfiel, begaben sich seine Ankläger nun zu dem noch ernsteren Ausruf: Er müsse sterben, weil Er sich selbst zu Gottes Sohn gemacht habe. Und Pilatus fürchtete sich umso mehr, war aber nicht bereit, sich ihrem Plan anzuschließen, obwohl er ein Heide war und sie die Lästerer der Hoffnung Israels, des Heiligen Gottes! Ja, Er wird sterben, aber nicht für die Lügen, die einige gegen Ihn geschworen haben, sondern für die Wahrheit Gottes, die Hauptwahrheit für den Menschen, das Objekt des Glaubens und die einzige Quelle des ewigen Lebens. Er hat sich selbst entäußert und erniedrigt; aber Er war und ist der Sohn Gottes von Ewigkeit zu Ewigkeit. Nicht weniger sicher ist es, dass der Mensch ein für Gott toter Sünder ist, als dass Jesus sein Sohn ist; und das ewige Leben ist in Ihm allein, doch für jeden zu bekommen, der an Ihn glaubt. „Wer an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben“ (3,36). „Und es ist in keinem anderen das Heil, denn es ist auch kein anderer Name unter dem Himmel, der unter den Menschen gegeben ist, in dem wir errettet werden müssen“ (Apg 4,12). Aber diejenigen, die ihn am meisten hätten willkommen heißen und seine Herrlichkeit am meisten herausstellen sollten, waren diejenigen, die sich nicht fürchteten zu sagen: „Wir haben ein Gesetz, und nach dem Gesetz muss er sterben, weil er sich selbst zu Gottes Sohn gemacht hat“ (V. 7). Oh, wie real, wie verdunkelnd, ist die Macht Satans, als die Juden Ihn kühn lästerten und der heidnische Prokurator sich vor Ihm „fürchtete“!
Furcht ist jedoch kein Glaube; und bei Pilatus war es nicht mehr als eine unbestimmte Furcht vor dem geheimnisvollen Menschen in seinem Prozess und ein starkes Gefühl, dass die Feindschaft gegen Ihn ohne Ursache war, außer in ihrem rabiaten Willen. So betritt er wieder seinen Palast und fragt: „Woher bist du?“ (V. 9). Und gekränkt durch die ausbleibende Antwort, rühmt er sich seiner Autorität, Ihn freizulassen oder zu kreuzigen. Der Herr antwortete nicht auf die eine Frage, die keinen besseren Grund als Neugier hatte, abgesehen von der Furcht Gottes oder seiner Liebe; aber Er antwortete auf die zweite mit Worten, die seiner Person würdig waren, in der Fülle der Gnade und der Wahrheit. Wahrlich, die Stunde ist gekommen, dass der Sohn des Menschen verherrlicht werde und Gott in Ihm verherrlicht werde. Was war die Autorität eines römischen Statthalters ohne den Willen Gottes, sie zu billigen? Seine Wege, seine Natur, mussten in Ordnung gebracht werden; die Worte waren jetzt, für die tiefsten Zwecke, gerade dabei, zu seiner eigenen Ehre für immer vollendet zu werden; und Jesus beugte sich absolut vor allem.
Nichtsdestoweniger, die Vollendung der göttlichen Ratschlüsse in Christus weicht nicht dem Willen des Menschen, der Ihn verstieß und tötete; und Gott ist gerecht im Richten des Bösen. „Darum hat der, der mich dir überliefert hat, größere Sünde“ (V. 11). Der Heide war böse, der Jude noch schlimmer; wenn Pontius Pilatus unentschuldbar ungerecht war, wie viel schrecklicher die Stellung des Kajaphas oder des Judas Iskariot und aller, die sie an diesem Tag repräsentierten. Wenn Gott seinen Sohn in unendlicher Gnade gesandt hat, hat Er es nicht versäumt, angemessene Beweise dafür vorzulegen, wer und was Er ist, um alle unentschuldbar zu machen, die Ihn nicht wahrgenommen und angenommen haben; nicht nur diejenigen, die Gottes äußere Autorität in dieser Welt hatten, sondern noch mehr diejenigen, die seine lebendigen Aussprüche hatten, die von seinem Sohn zeugten, der das Zentrum und ihrer aller Gegenstand war. Waren sie nicht Zeugen solcher Werke und Worte und Wege, wie sie nie auf der Erde bekannt gewesen waren, und maßen so die Schuld derer, die nach solcher Gnade einen so Herrlichen verwarfen?