Behandelter Abschnitt Joh 13,18-22
Ich rede nicht von euch allen, ich weiß, welche ich auserwählt habe; aber damit die Schrift erfüllt würde: „Der mit mir das Brot isst, hat seine Ferse gegen mich erhoben.“ Von jetzt an sage ich es euch, ehe es geschieht, damit ihr, wenn es geschieht, glaubt, dass ich es bin. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer aufnimmt, wen irgend ich senden werde, nimmt mich auf; wer aber mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat.
Als Jesus dies gesagt hatte, wurde er im Geist erschüttert und bezeugte und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Einer von euch wird mich überliefern. [Da] blickten die Jünger einander an, in Verlegenheit darüber, von wem er rede (13,18–22).
Der Herr suchte und sucht also das Handeln der Seinen in Liebe. Wenn sie zu einer Liebe fähig wären, die niemals versagen könnte, würde Er sie zu Werkzeugen oder Kanälen dieser Liebe machen, einer für den anderen, und dies in Bezug auf das Böse, um es zu beseitigen, während die Gesetzlichkeit nur verurteilen könnte. Da Er selbst der Sohn und doch der Diener in der Liebe ist, würde Er sie im Dienst der Liebe ausüben, wo die Verunreinigung sonst abstoßen würde. Aber wie Er kam, um für unsere Sünden zu leiden, so ging Er auch fort, um uns, während wir auf der Erde sind, durch die Wahrheit in seine eigene Gesinnung und seine Zuneigung zu formen und dadurch von allem zu reinigen, was den Heiligen Geist betrüben könnte, durch den wir versiegelt sind auf den Tag der Erlösung. Denn es geht nicht nur darum, die Schuld eines Sünders zu beseitigen, sondern auch darum, die Gemeinschaft eines Gläubigen wiederherzustellen, wenn sie durch zugelassenes Böses unterbrochen wurde. Und in diesem letzten Handeln der Liebe wollte Er, dass die Seinen füreinander sorgten. Aber Er sprach nicht von allen Jüngern, die damals anwesend waren: Das war eine traurige Vorahnung dessen, was in späteren Tagen viel häufiger sein sollte! Er wusste, wen Er auserwählt hatte: Judas gehörte nicht dazu, obwohl er zum Apostel berufen war. Er hatte den Herrn nie gekannt, wusste nichts von seiner Gnade oder von seiner Gesinnung und war nicht aus Gott geboren. Warum war er dann für diesen Ehrenplatz, das Apostelamt, in unmittelbarer und ständiger Begleitung des Herrn hier auf der Erde auserwählt worden?
Es war nicht so, dass der Herr sich seines Charakters, seines Verhaltens oder der kommenden Katastrophe nicht bewusst gewesen wäre, sondern dass die Schrift erfüllt werden würde: „der mein Brot aß, hat die Ferse gegen mich erhoben“ (Ps 41,10). „Da wurde Jeschurun fett und schlug aus“ in früher Zeit; „und er verließ Gott, der ihn gemacht hatte, und verachtete den Felsen seiner Rettung“ (5Mo 32,15). Judas ging unvergleichlich weiter in seiner schuldhaften Gleichgültigkeit gegenüber dem in Liebe und Erniedrigung herabgekommenen Sohn Gottes und in seinem Eifer, sich selbst um jeden Preis zu dienen, indem er seinen gnädigen Meister für die geringste Kleinigkeit verriet. Niemals gab es eine solche Liebe, niemals eine solche Geringschätzung und einen solchen Missbrauch, und das bei jemandem, der besonders verantwortlich war, treu zu sein. Zweifellos geschah es durch die Macht des Satans; aber diesem setzt sich das Fleisch aus, und umso mehr wegen der äußeren Nähe zum Herrn, an den man nicht zum Heil glaubt. Darin kommt die harte Niedertracht des nicht erneuerten Herzens am deutlichsten und verhängnisvollsten zum Vorschein, und dies vor allem gegen die Gnade des Herrn. Wenn also die Jünger in Gefahr waren, durch den Abfall solcher Mannes ins Straucheln zu geraten, so sollte die offensichtliche Erfüllung der Schrift ihren Glauben an jedes geschriebene Wort Gottes stärken. Dadurch lebt der Mensch in Bezug auf Gott: Brot, Geld, alles hier auf der Erde, kann der Anlass seines Verderbens sein. Wie wunderbar die Geduld, die, von Anfang an alles wusste und alles bis zum Ende ertrug, ohne einen Vorwurf oder ein Zeichen des Zurückschreckens vor dem Verräter! Aber um so viel vernichtender muss das Urteil sein, wenn es von seinen Lippen kommt, dem Herrn der Herrlichkeit, dem Gehassten und Verachteten der Menschen.
Der Herr gibt den alten Aussprüchen, die bisher nur auf andere angewandt wurden, eine deutliche Anwendung, wie hier auf David, der unter Ahitophel leidet. Aber der Heilige Geist schrieb hauptsächlich von Ihm; und auch Er zitiert vor dem Ereignis das Wort, das sich in dem Verrat an Ihm selbst bestätigen sollte. So bewies der Herr gleichermaßen sein vollkommenes und göttliches Wissen über das, was noch in der Zukunft lag, während Er den unschätzbaren Wert der Schrift und nicht zuletzt der noch nicht erfüllten Vorhersage lehrte und in jeder Form dem Unglauben der Gläubigen wie der Ungläubigen begegnete. Denn wer kennt nicht die anerkannten Maximen, die den dunklen und zweifelhaften Charakter der unerfüllten Prophezeiung annehmen, die selbst den Propheten, mehr noch den Psalmen und dem Gesetz, die Prophetie absprechen? Zumindest sollten sich die Menschen fürchten, Ihn zu belügen, der sich selbst als die Wahrheit erklärt und gesprochen hat, wie es nie ein Mensch getan hat. Sie haben Grund zur Furcht, wenn sie sich von Ihm abwenden und sich lügnerischen Eitelkeiten zuwenden, die, weit davon entfernt, ihre Anhänger am Tag der Not zu retten, sicher wie Stoppeln sein werden, um sich selbst und alle, die ihnen vertrauen, zu verbrennen. Jesus dagegen ist nie so durchsichtig der Messias, als wenn Er vorher auf das Wort der Schrift hinweist, das in seiner eigenen Verwerfung und seinem Tod am Kreuz vollendet werden soll, und darin einen festeren Grund des Segens für die Ärmsten der Sünder bietet als in allen Herrlichkeiten des Königreichs, die zu ihrer Zeit erfüllt werden. „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer aufnimmt, wen irgend ich senden werde, nimmt mich auf; wer aber mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat“ (V. 20). Nun verbindet der Herr, mit seinem üblichen Zeichen tiefen Ernstes, die Aufnahme seiner Gesandten mit sich selbst und seinem Vater. Dieser Zusatz war umso wichtiger, als einige wegen des furchtbaren Verhängnisses des Judas ihre Stellung vor Gott in Frage stellen könnten, wann und wo bekannt. Der Herr tröstet solche, und wendet sich von der Beschäftigung mit dem gefallenen Diener dem Meister zu, der für immer derselbe bleibt, so wie auch der Vater. Hat Judas den Herrn verraten? Das besiegelte sein eigenes Verhängnis, berührte aber nicht mehr die Autorität als die Gnade Christi, als von Gott selbst. Wenn sie den, den Christus gesandt hat, aufnahmen, wie auch immer sein Ende sein mag, so nahmen sie den Sohn und damit den Vater auf, anstatt die Schuld oder die Gefahr der Bestrafung des Dieners zu teilen, der seinen Meister zu seinem Verderben entehrt hat.
Der Herr fährt dann fort, indem Er die tiefste Ergriffenheit bekundet, die Sünde zu entlarven, wobei er ihre schlimmste Form auf einen einzigen der Jünger beschränkt. „Als Jesus dies gesagt hatte, wurde er im Geist erschüttert und bezeugte und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Einer von euch wird mich überliefern“ (V. 21). Es war Heiligkeit, es war Liebe, die sich so die drohende Schuld des Judas zu Herzen nahm. Der Herr spürte sie in jeder Hinsicht – die Sünde selbst, in ihrer Widersprüchlichkeit zu Gott, in ihrer Auswirkung auf andere wie auf sich selbst und in ihrer Schrecklichkeit für den unglücklichen Schuldigen. Es ist nicht das Ich, sondern die Liebe, die mit dem wahrsten Empfinden verbunden ist; und der Herr drückt es auch als Zeugnis aus: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Einer von euch wird mich überliefern.“ Sie waren alle fehlerhaft; aber einer, und nur einer, stand im Begriff, eine Beute des Satans und das Werkzeug seiner Bosheit gegen den Herrn zu werden. Ihre Zweifel waren so ehrlich, wie sein Platz in ihrer Mitte jetzt eine Lüge gegen die Wahrheit war. Wenn er sich den anderen anschloss, indem er einen nach dem anderen ansah, war das Heuchelei; denn er konnte nicht wirklich zweifeln, von wem Jesus sprach. Doch kein Erröten, keine Blässe, verriet Judas. Die Jünger mussten auf andere Mittel zurückgreifen, um die traurige Wahrheit zu erfahren.
Die Ankündigung eines Verräters unter den Zwölfen beunruhigte die Jünger und führte zu ängstlichem Nachdenken, während sie einer auf den anderen blickten. Welch ein Zeugnis für seine vollkommene Gnade, der es die ganze Zeit gewusst und kein Zeichen des Misstrauens oder der Abneigung gegeben hatte! Wie feierlich für die Gläubigen, die Tag für Tag mit demselben unveränderlichen Christus zu tun haben! Nichts spielt dem Feind mehr in die Hände, als wenn er die Gnade missbraucht und der Sünde nachgibt, während er sich äußerlich in der Gegenwart des Einzigen befindet, dessen Leben dies absolut widerlegt. Schauen wir uns die Begebenheit ein wenig näher an.