Behandelter Abschnitt Joh 6,10-15
Jesus sprach: Lasst die Leute sich lagern! Es war aber viel Gras an dem Ort. Da lagerten sich die Männer, an Zahl etwa fünftausend. Jesus nun nahm die Brote, und als er gedankt hatte, teilte er sie denen aus, die da lagerten; ebenso auch von den Fischen, so viel sie wollten. Als sie aber gesättigt waren, spricht er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrig gebliebenen Brocken, damit nichts verdirbt. Sie sammelten nun und füllten zwölf Handkörbe mit Brocken von den fünf Gerstenbroten, die denen, die gegessen hatten, übriggeblieben waren.
Als nun die Leute das Zeichen sahen, das [Jesus] tat, sprachen sie: Dieser ist wahrhaftig der Prophet, der in die Welt kommen soll. Da nun Jesus erkannte, dass sie kommen und ihn ergreifen wollten, um ihn zum König zu machen, zog er sich wieder auf den Berg zurück, er allein (6,10–15).
Man befürchtet, dass, so arm das Verständnis der Menschen in Galiläa war, sie die Bedeutung dieses großen Zeichens besser verstanden als die Christenheit der letzten siebzehnhundert Jahre. Sie waren zweifellos dumm genug, was ihre tiefste Not anging, und sie hatten keine Wertschätzung für die Gnade des Erlösers in der Erniedrigung und Erlösung, die Er danach in der folgenden Rede vollständig darlegte; aber sie hatten einige Gedanken über das Reich, das Gott hier auf der Erde aufrichten wird, die nicht ganz unwahr, wenn auch menschlich und unvollständig genug waren. Jetzt und seit vielen Jahrhunderten schwelgt die Theologie in einer Art mystischem Traum, dass das Evangelium oder die Kirche das Reich Christi ist, sein Reich der Gnade, das am Ende sein Reich der Herrlichkeit sein wird. Aber sie haben keinen Gedanken an sein Kommen in dem Reich, das Er empfangen haben wird, dass nicht Israel allein, sondern alle Völker, Nationen und Sprachen Ihm dienen werden; und dies wird auch eine ewige Herrschaft sein, die nicht vergehen wird, und sein Reich das, das nicht zerstört werden wird. Ein zweifacher Irrtum, der die Einheit des Leibes Christi, der Versammlung, mit ihrem verherrlichten Haupt in der Höhe aus dem Auge verliert und die Barmherzigkeit und Treue Gottes gegenüber Israel leugnet, das der vorgesehene Mittelpunkt der irdischen Pläne des Herrn für das Königreich ist, wenn wir, verwandelt in das Gleichnis der Herrlichkeit Christi, mit Ihm zusammen regieren werden.
Die Menge war ergriffen von der Erfüllung dieses neuen und krönenden Zeichens. Sie hatten ihre Hoffnungen noch nicht aufgegeben. Sie wussten, dass der Herr Zion erwählt hat; dass Er es zu seiner Wohnung begehrt hat; dass Er ihre Versorgung reichlich segnen und ihre Armen mit Brot sättigen wird (Ps 132). War derjenige, der jetzt diese Macht des Herrn zeigte, nicht der verheißene Sohn Davids, den der Herr auf seinen Thron setzen wird? So lautete ihre Schlussfolgerung. „Dieser ist wahrhaftig der Prophet, der in die Welt kommen soll“ (V. 14). So verbanden sie das Gesetz, die Psalmen und die Propheten in ihrem Zeugnis für den Messias; und soweit hatten sie ganz recht. Sie hatten aber nicht recht in ihrem Wunsch, den der Herr kannte, Ihn zum König zu machen. Denn dies wäre keineswegs das Reich Gottes, sondern des Menschen, noch des Himmels, sondern der Erde. Nicht so: Wie Er selbst nachher lehrte, würde Er in ein fernes Land ziehen, um für sich selbst ein Königreich zu empfangen und zurückzukehren. Erst dann würde das Reich Gottes erscheinen.
Bis dahin geht es für uns um Gerechtigkeit und Frieden und Freude im Heiligen Geist, und das Reich ist nicht im Wort, sondern in der Kraft, die dem Glauben bekannt ist, aber noch nicht sichtbar. Aber es wird nicht immer verborgen sein wie jetzt, noch der Bereich rein geistlicher Kraft sein. Christus wird in seinem Königreich kommen und herrschen, bis Er alle Feinde unter seine Füße gelegt hat, nachdem Er von dem Herrn gefordert hat, der Ihm die Nationen zum Erbe und die Enden der Erde zu seinem Besitztum geben wird (Ps 2,8). Es wird dann nicht darum gehen, wie jetzt, geduldig durch das Evangelium zu wirken, sondern die Nationen mit eisernem Zepter zu zerschmettern und sie wie ein Töpfergefäß zu zerschmeißen.
Der Unglaube geht entweder dem Reich voraus, indem er versucht, es jetzt durch den Willen des Menschen aufzurichten, oder er überlässt es der Täuschung des menschlichen Fortschritts, ohne einen Gedanken an Gottes Absicht, es durch Christus, den zweiten Menschen, aufzurichten, wenn der erste Mensch gerichtet ist. Der Glaube wartet währenddessen geduldig darauf. So lehnte der Herr denn das Königtum ab und zog sich auf den Berg zurück – diesmal allein. Es war das Bild dessen, was tatsächlich wahr ist. Als Prophet anerkannt, lehnt Er es ab, der König der Menschen zu sein, und steigt hinauf, um seine Fürbitte auszuüben, wie Er es jetzt tut, der große Priester in der Gegenwart Gottes.
Aber der Herr verbürgt sich für ein anderes Zeichen, gerade für das Volk, das bald darauf um ein Zeichen bittet, damit es sieht und glaubt (V. 30). So blind ist der Mensch, selbst wenn die Gnade diese Hilfen für die, die sie erkennen, vervielfältigt! Die Unterwerfung unter Gott war das, was fehlte, nicht mehr Zeichen.