Behandelter Abschnitt Lk 24,1-12
Der Sabbat hatte die liebevolle Arbeit der Frauen mit den Gewürzen unterbrochen. „Am ersten Tag der Woche aber, ganz in der Frühe, kamen sie zu der Gruft und brachten die Gewürzsalben, die sie bereitet hatten“ (V. 1). Die Liebe kann gewöhnlich etwas sehr schnell erkennen; sie konnte den Sinn für kommende Gefahr haben, wo andere stumpf waren; sie konnte die Vorahnung des Todes haben, wo andere den Triumph und die Wirkung des brennenden Eifers für Gott und sein Haus sahen. Niemand außer Gott konnte die Auferstehung vorhersehen. Ihre Arbeit war umsonst, was ihr eigenes Ziel betraf, was auch immer die Berechnung der Gnade sein mochte. In dieser Begebenheit von tiefstem Interesse ist Jesus allein die Vollkommenheit. „Sie fanden aber den Stein von der Gruft weggewälzt; und als sie hineingingen, fanden sie den Leib des Herrn Jesus nicht. Und es geschah, als sie darüber in Verlegenheit waren, siehe, da traten zwei Männer in strahlenden Kleidern zu ihnen. Als sie aber von Furcht erfüllt wurden und das Angesicht zur Erde neigten, sprachen sie zu ihnen: Was sucht ihr den Lebendigen unter den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden. Erinnert euch, wie er zu euch geredet hat, als er noch in Galiläa war, als er sagte: Der Sohn des Menschen muss in die Hände sündiger Menschen überliefert und gekreuzigt werden und am dritten Tag auferstehen“ (V. 2–7). Aber die Menschen, und sogar die Gläubigen, sind stumpf, um die Auferstehung zu würdigen. Sie bringt ihnen Gott zu nahe, denn von allen Dingen ist nichts charakteristischer für Ihn als die Auferweckung der Toten, und vor allem muss die Auferstehung aus den Toten durch die göttliche Lehre gelernt werden, wie nur Er sie aus seiner Gnade offenbaren konnte. Denn diese bricht in den ganzen Weltlauf ein und zeigt eine der Natur überlegene, über den Satan triumphierende Macht, die sogar aus dem göttlichen Gericht befreit. Hier war es der Erlöser selbst: Oft hatte Er zu den Jüngern davon gesprochen, sogar den dritten Tag hatte Er genannt. Doch die, die am treuesten waren, verstanden es zu der Zeit nicht und erinnerten sich auch nachher nicht, bis die Tatsache eingetreten war und himmlische Boten ihnen seine Worte von neuem in Erinnerung riefen. „Und sie erinnerten sich an seine Worte. Und sie kehrten von der Gruft zurück und verkündeten dies alles den Elfen und den Übrigen allen. Es waren aber Maria Magdalene und Johanna und Maria, die Mutter des Jakobus, und die Übrigen mit ihnen; die sagten dies zu den Aposteln. Und diese Worte erschienen vor ihnen wie leeres Gerede, und sie glaubten ihnen nicht“ (V. 8–11).
Die Auferstehung des Erlösers ist die Grundlage des Evangeliums; aber es sind die Schreiber der Evangelien selbst, die uns sowohl von der Unwissenheit als auch dem hartnäckigen Unglauben derer berichten, die später so hingebungsvolle und geehrte Zeugen Jesu werden sollten. Der Gläubige braucht sich nicht zu wundern. Denn wenn das Evangelium die Offenbarung der Gnade Gottes in Christus ist, setzt es den völligen Ruin und die Untauglichkeit des Menschen voraus. Zweifellos ist das demütigend, aber das ist heilsam und notwendig; kein Sünder kann zu sehr gedemütigt werden, kein Gläubiger zu sehr gedemütigt werden; aber keine Demütigung sollte auch nur einen Augenblick lang unseren Sinn für die vollkommene Gnade Gottes schwächen.
Die Lektion muss von uns auf beide Arten gelernt werden; aber von den beiden ist das Gefühl für das, was wir als Gläubige sind, viel tiefer als das von Sündern, wenn wir gerade erst erwachen, um unseren wahren Zustand vor Gott zu empfinden. Und das ist einer der großen Unterschiede zwischen Evangelikalismus und dem Evangelium Gottes. Der Evangelikalismus kennt sowohl den gefallenen und schlechten Zustand des Menschen als auch die Barmherzigkeit Gottes in dem Herrn Jesus Christus; aber er ist völlig unzureichend, wenn man ihn mit Gottes Maßstab, Tod und Auferstehung vergleicht. Sie erkennt an, dass keine Macht außer der Macht Jesu helfen kann; aber sie ist eher ein Heilmittel für den kranken Menschen als das Leben in der Auferstehung der Toten. Es ist derselbe Grund, der die Gläubigen jetzt daran hindert, sich mit Jesus als gestorben und auferstanden zu betrachten, der die Jünger so langsam machte, die Worte Jesu im Voraus zu verstehen und sogar die Tatsache seines eigenen Todes und seiner Auferstehung anzunehmen, als sie vollbracht war.
Wir können auch beobachten, wie wenig das Fleisch sich dessen rühmen konnte, was wir hier vor uns haben. Aus der Schwäche heraus wurden die Frauen wirklich stark gemacht, während sie, die eigentlich Säulen hätten sein sollen, selbst Schwäche oder Schlimmeres zeigten. Die Worte der Zeugen der großen Wahrheit schienen in ihren Augen leeres Gerede zu sein, und sie, die nachher die Menschen zum Glauben rufen sollten, wissen aus eigener Erfahrung, auch als Gläubige, was es heißt, die Auferstehung zu leugnen. Wie würde dies ihre Wertschätzung der göttlichen Gnade erhöhen! Wie rief es nicht weniger Geduld als brennenden Eifer hervor, den ungläubigen Menschen den Auferstandenen zu verkünden! Er, der sie so ertragen hatte, konnte jeden segnen durch den, der für alle gestorben ist. „Petrus aber stand auf und lief zu der Gruft; und als er sich hineinbückte, sieht er nur die Leinentücher liegen, und er ging weg nach Hause und verwunderte sich über das, was geschehen war“ (V. 12). Johannes verdanken wir es, dass er seinen Teil und Gottes Analyse seines eigenen inneren Menschen berichtet: „Dann ging nun auch der andere Jünger hinein, der als Erster zu der Gruft gekommen war, und er sah und glaubte. Denn sie kannten die Schrift noch nicht, dass er aus den Toten auferstehen musste“ (Joh 20,8.9). „Er sah und glaubte“! Er wurde aufgrund von Beweisen angenommen: er zweifelte nicht mehr daran, dass Jesus auferstanden war; aber das Wissen gründete sich nur auf seine eigene Sicht einer unbestreitbaren Tatsache, nicht auf das Wort Gottes Wort: „Denn sie kannten die Schrift noch nicht, dass er aus den Toten auferstehen musste.“ Noch weniger gab es irgendeinen einsichtsvollen Zugang zu Gottes Ratschluss über die Auferstehung, irgendein angemessenes Verständnis ihres notwendigen und herrlichen Platzes im Gesamtumfang der Wahrheit.