Behandelter Abschnitt Lk 24,1-53
Wir sind beim letzten Kapitel unseres Evangeliums angekommen, in dem wir, wie auch am Schluss der anderen Evangelien, den auferstandenen Herrn haben.
Der Herr erscheint in Auferstehung, beladen mit der ganzen Frucht eines vollständigen Sieges über die Macht des Feindes, als die „Feuerflamme“ nach dem „rauchenden Ofen“ (l. Mo 15,17). Die vergangenen Tage waren des Menschen „Stunde und die Gewalt der Finsternis“ gewesen, Satans Zeit, in der er seine ganze Macht entfaltet hatte. Mit welchem Hochmut sie den Herrn auch behandelt hatten, Er stand über ihnen, und es ist erquickend für uns zu sehen, dass der Herr dem Feind auf dem Höhepunkt seiner Macht und seines Stolzes begegnete.
Die Auferstehung des Herrn Jesus war der zweite Morgen in der Geschichte der Schöpfung. Als vor alters die Grundfesten gelegt wurden, jubelten die Morgensterne miteinander“, aber das Schöpfungswerk war verdorben worden. Adam hatte sich das von Gott empfangene Reich von Satan rauben lassen, und der Tod war eingekehrt. Doch auch der Sohn Gottes trat in die Schöpfung ein, und „ebenso wie es den Menschen gesetzt ist, einmal zu sterben“, so wurde auch Christus „einmal geopfert“ (Heb 9,27.28). Er nahm die Strafe, die wir verdient hatten, den Tod, auf Sich, und das Grab Jesu ist für den Glauben das Ende der alten Schöpfung.
Seine Auferstehung ist der Morgen einer neuen, herrlicheren Schöpfung, und die Gläubigen, die Söhne Gottes, jubeln im Geist. Zum zweiten Mal ist der Ton in des Schöpfers Hand, um ein Gefäß zu bilden, das nie mehr verdorben werden kann. Die Auferstehung ist die Grundlage eines dauerhaften Reiches, das der auferstandene Herr, der zweite Mensch, empfängt, nicht um es, wie einst Adam, in die Hand des Feindes zu verkaufen, sondern um es zu gegebener Zeit ohne Makel Gott, dem Vater, zu übergeben, „damit Gott alles in allem sei“ (1Kor 15,24.28).
Auf dem gleichen Boden wollte Gott einst von den Juden als Gott gekannt sein. Sie sollten Ihn als den alleinigen Gott anbeten, weil Er sich ihnen als ihr Erlöser kundgetan hatte. „Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich herausgeführt habe aus dem Land Ägypten, aus dem Haus der Knechtschaft. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“ In dieser Tat hatte Er sich als der Gott voller Gnade und Macht an geknechteten Sündern erwiesen, und wenn wir Ihn nicht so kennen, kennen wir Ihn nicht richtig. Jeder andere Gedanke über das Wesen Gottes entspringt dem Geist eines verfinsterten Geschöpfes und ist Abgötterei. Der sich in erlösender Gnade und Macht offenbart, ist der allein wahre Gott, und wer Gott so kennt, weiß auch von sich selbst, dass er ein durch die Gnade erretteter Sünder ist. Welche gesegnete Wahrheit!
Wie gesegnet, ja, ermunternd und beglückend ist es zu sehen, wie der Herr Jesus den ganzen ungeheuren Schaden, den die Auflehnung des ersten Menschen angerichtet hatte, im Weg der Gerechtigkeit wiedergutmacht! Wer kann die Herrlichkeit jener Haushaltung ermessen, wo Gnade und Wahrheit sich begegnen, wer den „Reichtum sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes“ in einem solchen Geheimnis verstehen, in welchem Er selbst sich offenbart? Wir schauen Seine Herrlichkeit „im Angesicht Christi“, denn Er offenbart sich selbst in Herrlichkeit in dem Werk der Gnade und in seinen Ergebnissen. Deshalb ist Ihn kennen und sich in Christus der Gewissheit Seiner Liebe erfreuen ein und dasselbe - Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt.“
In der ursprünglichen Ordnung der Schöpfung war der Ruhm das unantastbare Teil Gottes, das Teil des Geschöpfes war Segen. Die Schlange betrog die Frau und verleitete den Menschen, seine eigene Ehre zu suchen: „Ihr werdet sein wie Gott.“ Dadurch wurde die göttliche Ordnung zerstört, der Mensch verlor gerechterweise seinen Platz der Segnungen durch seinen Versuch, sich Gottes Platz des Ruhmes anzueignen. Das Werk der Erlösung stellte nun die ursprüngliche Ordnung wieder her und brachte die Dinge wieder an den ihnen gebührenden Platz. Die Erlösung durch die Gnade schließt jeden Stolz des Menschen aus und sichert ihm den Segen. Dieses Werk behält Gott Seinen Platz der Ehre vor und dem Menschen den des Segens.
Das ist die Weise Gottes, die der Ordnung der Schöpfung entspricht, wie sie einst aus Seiner Hand hervorging. Er kann den Menschen in seinem Hochmut und seinem uralten Versuch, Gott gleich zu sein, nicht anerkennen. Nachdem Er ihn gedemütigt und aufs Neue bestätigt hat, dass allein Ihm selbst jener Ruhm gehört, kann Er aber verkünden, dass Segen das Teil des Menschen ist. Gottes Ratschlüsse dienten sowohl der Freude des Menschen als auch Seinem eigenen Ruhm. Er ist gerecht, wenn Er für Seine eigene Herrlichkeit besorgt ist, gleichzeitig ist Er auch der rechtfertigende Gott, der auf des Sünders Segnung bedacht ist.
Die Auferstehung des Herrn verkündet alle diese Wahrheiten. Sie redet durch die Vernichtung der wahren Quelle aller Beleidigungen sowohl von Gottes Herrlichkeit als auch von der Segnung des Menschen, indem Gott ihm Seine ganze Gnade zuwendet, obwohl er Ihn beleidigt hat. Das ist zweifellos eine bittere Lehre für die, die sich selbst zu erhöhen und Gott gleich zu sein trachteten. Aber diese Lektion müssen wir alle, wenn wir erlöst sind, lernen. Denn die Erlösung muss Gottes eigene, ursprüngliche und unveränderliche Grundsätze wieder zur Geltung bringen und Ihm den Platz unangefochtener und unbestrittener Herrlichkeit wiedergeben, doch ebenso schenkt sie dem Geschöpf die Stellung vollkommener, unantastbarer Segnungen.
Der Inhalt dieses Kapitels lenkt unsere Gedanken auf diese allgemeinen Wahrheiten. Aber auch der Bericht unseres Evangeliums hierüber trägt charakteristische Merkmale. So sehen wir den Herrn auf dem Weg nach Emmaus, wovon wir ausführlich nur hier lesen, wiederum als den gnadenvollen Lehrer, der sich mit den Gedanken und Überlegungen der Menschen beschäftigt.
Vor Seinem Tod zeigte sich der Herr gleichmäßig allen Menschen und suchte, ihr Vertrauen durch Seinen Dienst unermüdlicher Liebe zu gewinnen. Jetzt, nach Seiner Auferstehung, sehen Ihn nur die Seinen. Die Welt hatte Seine Gnade zurückgewiesen. Sie hatten gesehen und gehasst sowohl Ihn als auch Seinen Vater und daher kein Recht, Ihn jetzt in Seiner Erhöhung, auf Seinem Weg zu den höchsten Himmeln, zu schauen. Aber die, die Ihn in der Welt geliebt hatten, sollten Ihn jetzt sehen. Fünfhundert von ihnen, Ungenannte und Unbekannte, sahen Ihn, wie Petrus und Johannes, in demselben hingebenden Glauben wie auch sie. Alle Seine Besuche bei ihnen atmen Liebe und Frieden.
Aber die Liebe drückt sich verschiedenartig aus, je nach dem Zustand und dem Bedürfnis derer, mit denen sie zu tun hat. Ist jemand in Sorge, will die Liebe beruhigen; wandelt jemand im Licht, kann sie erfreuen und anerkennen. Einen Abgeirrten wird die Liebe wieder auf Pfade der Gerechtigkeit führen. So ist es auch bei dem auferstandenen Herrn, der immer liebt. Er sucht Maria auf, um ihr verlangendes Herz mit Seiner Gegenwart zu erquicken, Er besucht Thomas, um seine ungläubige Seele wiederherzustellen, und hier gesellt Er sich zu den beiden Jüngern und führt sie den Weg zurück, den sie unter der Macht des Unglaubens angetreten hatten.
Stets war es dieselbe Liebe, wenn sie auch jedem Einzelnen, seinem Zustand gemäß, in unterschiedlicher Weise begegnete. Diese beiden hatten Wiederherstellung nötig, und ihr Herr stellt sie wieder her. Zuerst gibt Er sich fremd und tadelt sie wegen ihrer Herzensträgheit, aber dann führt Er sie als der große Prophet Gottes und der Lehrer der Menschen durch die ganzen Schriften, bis das Licht und die Macht Seiner Worte ihre Herzen erwärmt.
Diese Wiederherstellung der Seele durch die Liebe des guten Hirten ist voll göttlicher Gnade, aber sie zeigt uns auch, dass der Herr Freude an der Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit des Herzens hat. Diese beiden Jünger, die hier wandelten, waren traurig, und ihre Traurigkeit war echt, ihr Gemütszustand entsprach den Umständen, wie sie sie beurteilten. Sie waren enttäuscht, weil sie die Hoffnung Israels verloren zu haben glaubten, und wenn sie wirklich davon überzeugt waren, konnten sie nur traurig sein. Und sie waren es. Bei ihnen war Wirklichkeit, aber auch Trägheit des Herzens, um an alles zu glauben, was die Propheten geredet hatten.
Der Herr Jesus liebt solche Wahrhaftigkeit und wünscht, dass alles bei uns den Stempel der Wahrheit im Innern trage. Er gesellt Sich selbst den traurigen Jüngern zu und zeigt ihnen, dass die Dinge, die sich in Jerusalem ereignet hatten und von denen sie sprachen, in Wirklichkeit für sie und nicht gegen sie waren. So erreicht Er, dass gerade das, was ihren Glauben erschüttert hatte, ihn jetzt bestätigt. Die Art und Weise, wie Er ihnen das alles mitteilt, ist voller menschlicher Lieblichkeit und entspricht dem von unserem Evangelisten geschilderten Pfad des Herrn. „Er stellte sich, als wolle er weitergehen.“ Wie vollkommen ist diese kleine Bewegung! Welches Recht hatte Er, ein anscheinend Fremder, sich ihnen aufzudrängen? Er hatte sich ihnen auf dem Weg mit der Höflichkeit eines Wanderers angeschlossen, der denselben Weg hatte. Welches Recht hatte ein solcher, ihre Schwelle zu betreten?
Wenn der Herr Jesus in unseren Augen nur ein Fremder ist, wird Er draußen bleiben. Solange wir Ihn nicht als den Heiland erkennen, der uns liebt, wird Er bestimmt um nichts bitten, nicht in unsere Häuser einkehren und an unseren Tischen Platz nehmen. Sobald wir Ihn aber als den Sohn Gottes erkennen, der uns geliebt und Sich selbst für uns hingegeben hat, beansprucht Er einen Platz in unseren Herzen und Häusern. Dann wird Er, gleichsam ungebeten, bei uns verweilen und mit uns zu Abend essen, indem Er mitunter in der Person eines Seiner Geringen eintritt, dem wir ein Glas kalten Wassers reichen oder die Füße waschen können, vielleicht gar in einem Augenblick, wo wir Ihn nicht erwarten.
Mögen wir allezeit bereit sein! Es ist gesegnet, wenn auch mitunter für unsere trägen Herzen unbequem, stets für die Bedürfnisse anderer zur Verfügung zu stehen und auf diese Weise nicht nur Engel, sondern den Herrn der Engel und den Freund der Sünder zu bewirten.
Bis jetzt war der Herr für diese beiden nur ein Fremder; deshalb wollte Er sie in ihrer Ruhe und bei ihrer Mahlzeit nicht stören, obwohl der Tag schon weit vorgeschritten war. Vollkommenheit zierte den kleinsten Schritt Seines Lebens. Welche Würde offenbarte Er, wenn Würde das Richtige war, und welche Zärtlichkeit, wenn sie angebracht war! Hätte der Mensch nur Augen dafür, wie viele moralische Schönheiten in allen Handlungen und Wegen dieses vollkommenen Sohnes des Menschen würden an ihm unaufhörlich vorüberziehen! Niemals und nicht für einen einzigen Augenblick gab es bei Ihm die geringste Unebenheit in Seinem Verhalten.
Aber der Mensch hatte weder Auge noch Ohr für Ihn, und als er Ihn sah, da hatte Er kein Ansehen, dass er Seiner begehrt hätte. Die wahre Schönheit war in den Augen der Menschen keine Schönheit, denn nichts von dieser Vollkommenheit war dem Menschen eigen. Mitunter gab es jedoch durch Seine Gnade brennende Herzen, wie auch hier. Diese beiden Glücklichen erfassen die Macht Seiner Gegenwart, ihre Seelen werden wiederhergestellt und ihre Füße nach Jerusalem zurückgeführt, auf demselben Weg, den sie gekommen waren und der für sie nun wieder der Pfad der Gerechtigkeit war.
Die gnädige Art und Weise des auferstandenen Herrn mit den beiden Jüngern ist völlig Seinem Weg in diesem Evangelium angemessen. Auch die folgenden Ereignisse während der größeren Zusammenkunft in Jerusalem tragen die Kennzeichen unseres Evangeliums so lebendig wie immer. Dort ist der Herr besonders bemüht, Seine Menschheit zu bestätigen und zu beweisen, dass Er niemand anders ist als der aus dem Tod auferstandene Sohn des Menschen. Zuerst beweist Er es ihnen, indem Er ihnen Seine Hände und Seine Füße zeigt, und dann isst Er vor ihnen von einem gebratenen Fisch und von einer Honigscheibe. Er ist immer noch der Mensch, einst der von Gott gesalbte und jetzt der auferstandene Mensch.
Nachdem Er sich ihnen auf diese Weise bezeugt hat, beschäftigt Er sich wie früher mit ihnen, den Menschen. Er ist nach Seiner Gewohnheit in diesem Evangelium wieder ihr Lehrer, öffnet ihnen die Schriften und das Verständnis, um die Schriften zu verstehen. Dieses geöffnete Verständnis ist eine Frucht der Auferstehung, die ihnen jetzt geschenkt wird. Dann verheißt der Herr ihnen die „Kraft aus der Höhe“, um Zeugen sein zu können von den Dingen, die sie erlebt hatten.
Die „Kraft aus der Höhe“ ist ohne Frage eine Bezeichnung für den Heiligen Geist, der auch die „Verheißung des Vaters“ genannt wird. Dieser Ausdruck stellt den Heiligen Geist in einem ganz besonderen Charakter dar, der mit der Eigenart unseres Evangeliums übereinstimmt. Weder Matthäus noch Markus sprechen von dieser göttlichen Gabe des auferstandenen Herrn. In Johannes dagegen wird Er in noch segensreicherer Bedeutung als der „Sachwalter“ oder „der Geist der Wahrheit“ verheißen, das heißt als der Zeuge in den Gläubigen von Gnade und Herrlichkeit, den Dingen des Vaters und des Sohnes.
Diese Unterschiede sind recht bezeichnend. Am Tag der Pfingsten kam diese göttliche Gabe von dem verherrlichten Sohn des Menschen herab, und sie offenbarte sofort ihr Vorhandensein entsprechend der hier gegebenen Verheißung. Das Lukas-Evangelium, das unseres Evangelisten erster Brief an Theophilus ist, endet mit der Verheißung des Heiligen Geistes, und die Apostelgeschichte, sein zweiter Brief an den gleichen Freund, beginnt mit dieser Gabe.
Das Buch der Apostelgeschichte hätte eigentlich „Die Taten des Heiligen Geistes“ heißen müssen. Es steht hinter den vier Evangelien. Wie uns diese durch ihre Berichte von dem Dienst des Herrn Jesus eine vollständige Offenbarung des Vaters und des Sohnes geben, so haben wir in der Apostelgeschichte, die von dem Dienst der Apostel und anderer erzählt, dieselbe Offenbarung von dem Heiligen Geist. Die Personen in der Gottheit werden so zur rechten Zeit und zur vollen Erleuchtung und zum Segen der Versammlung kundgemacht. Andeutungen über dieses göttliche Geheimnis hat es zwar schon von Anfang an gegeben, aber der Name Gottes als „Vater, Sohn und Heiliger Geist“ wurde erst jetzt ganz geoffenbart und verkündet.
Das alles, wie überhaupt das ganze Tun Gottes, ist vollkommen zu seiner Zeit. Alle Wege Seiner Weisheit und alle Werke Seiner Gnade sind Vollkommenheit. Der Herr verkündet ein Geheimnis nach dem anderen, jedes zur rechten Zeit, sodass die Seele ausrufen muß: „0 Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes!“
Doch dies nur nebenbei. Wir sagten bereits, dass die Ankündigung des Heiligen Geistes hier dem Charakter des Evangeliums entspricht und gewissermaßen zwischen Matthäus und Markus einerseits und Johannes andererseits liegt; denn die ersten beiden bringen überhaupt keine solche Notiz von dem Heiligen Geist, während Johannes uns noch weitergehende und umfangreichere Mitteilungen von Ihm als dem „Sachwalter“ und dem „Geist der Wahrheit“ macht. So bleibt das Lukas-Evangelium bis zum letzten Ausspruch - wobei wir an die abschließenden Ereignisse in Bethanien denken - seinem Charakter treu.
Zu diesem wohlbekannten Ort, einem Zufluchtsplatz für die „Elenden der Herde“, für die Schar derer, die Er in Judäa liebte (Joh 11,3), gleichsam „hinter der Wüste“ (2Mo 3), führt der Herr nun Seine Jünger. Dort, „während Er sie segnete“, schied er von ihnen und wurde hinaufgetragen in den Himmel“. Er hob Seine Hände auf und segnete sie, und sobald Er es getan und ihnen diese weitere Frucht Seiner Auferstehung geschenkt hatte, schied Er von ihnen, um in den Himmel hinaufgetragen zu werden. Dort sitzt Er als „der Mensch Christus Jesus“, bis wir alle eingebracht sind, um den neuen Menschen zu bilden, die Fülle Dessen, der alles in allem erfüllt.
Unser Evangelium begann mit dem Priester aus der Familie Levi im Tempel zu Jerusalem und endet mit dem Priester im Himmel, dem auferstandenen Herrn. Es war der Mensch Jesus in Seiner Kindheit, Seiner menschlichen Verwandtschaft und Stellung, den wir im Anfang des Evangeliums sahen, und es ist immer noch der Mensch Jesus, auferstanden, verherrlicht und im Begriff, Seinen Platz der Ehren in den Himmeln einzunehmen, den wir am Ende haben.
In diesem Charakter des Priesters und des auferstandenen Menschen, ganz im Geist des Lukas- Evangeliums, verlieren wir unseren Herrn aus den Augen. Der letzte Anblick, den wir in jedem der Evangelien von dem Herrn haben, ist äußerst bezeichnend und charakteristisch. In Matthäus verändert der Herr Seinen Platz nicht. Er ist noch hier auf der Erde und sagt einfach: „Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf der Erde. Geht nun hin und macht alle Nationen zu Jüngern . . . und lehrt sie . . . Und siehe, ich bin bei euch“, geradeso als wäre Er der Herr der Ernte, der Seine Wirtschaft ordnet und versorgt. In Markus wird Er in den Himmeln aufgenommen, aber doch sehen wir Ihn, während die Apostel ausgehen, um zu predigen, noch gegenwärtig und mit ihnen mitwirken. In Johannes bleiben weder Er noch die Jünger auf der Erde, sondern Petrus und Johannes folgen Ihm, bis wir sie alle aus dem Auge verlieren. Aber hier, bei Lukas, wird Er allein hinaufgetragen, und Er bleibt droben als ihr Hoherpriester innerhalb des Vorhangs, indem Er den Heiligen Geist herniedersendet, damit Er bei ihnen bleibe als die Kraft aus der Höhe.
Das alles ist sehr charakteristisch. In unserem Evangelium steigt der Herr empor als der Priester, in Markus geht Er hinauf zur Rechten Gottes, um den Dienst Seiner Knechte zu leiten und daran teilzunehmen. In Johannes führt Er als der Sohn des Vaters die Kinder in des Vaters Haus.
Er wurde „hinaufgetragen“. Dieser Ausdruck deutet an, dass ein „Gefährt“ Seiner wartete, und in der Tat hat Er sich von alters her eines solchen Gegenstandes bedient. Wenn Er sich als „die Herrlichkeit“, „der Engel Gottes“, „der Engel seines Angesichts“ oder als „Gott, der Herr“ offenbart (2Mo 14; 23; 32; Jes 63), trägt Ihn die Wolke hierhin und dorthin. Zuerst brachte sie Ihn an die Spitze Seines erlösten Volkes, um sie auf dem Weg zu leiten (2Mo 13). Dann trug sie Ihn zwischen die Heere Israels und Ägyptens, um Licht zu sein für die einen und Finsternis für die anderen, und Er schaute aus ihr heraus und verwirrte die Ägypter (2Mo 14). Zu Zeiten nahm Er Seinen Sitz in ihr zum Gericht über Sein murrendes und sündigendes Volk (2Mo 16; 4Mo 14; 16; 20). Und später brachte Ihn die Wolke in den Tempel, um dort Seinen Platz einzunehmen (2Chr 5), wie sie früher in der gleichen Weise die Stiftshütte erfüllt hatte (2Mo 40).
So diente Ihm von jeher die Wolke als Gefährt (Ps 104,3). Und als die Sünden des Volkes Seine Ruhe in ihrer Mitte gestört hatten, trugen Ihn die Cherubim hinweg (Hes 1). In 1. Chronika 28,18 werden die Cherubim „der Wagen der Cherubim“ genannt. Bei diesen Gelegenheiten wurde Er von dem für Ihn bestimmten Wagen begleitet. So ist es auch hier: Er wird „hinaufgetragen“.
Bei den früheren Anlässen wird von Ihm in verschiedener Weise und auch undeutlich als der „Herrlichkeit“, dem „Engel Gottes“, dem „Engel seines Angesichts“ und „Gott, der Herr“ gesprochen. In der zuletzt erwähnten Stelle aus Hesekiel 1 wird Seine Gestalt „wie das Aussehen eines Menschen“ beschrieben. Von jetzt ab nimmt diese Herrlichkeit, der Engel Gottes, des Herrn, die Gestalt und den Charakter eines Menschen an. Der auferstandene Sohn des Menschen wird nun zu Seinem Platz in der Höhe hinaufgetragen. Er hat nicht nur „das Aussehen eines Menschen“, sondern Er ist wahrhaftiger Mensch, dessen Menschheit zuverlässig erwiesen und bestätigt worden ist.
So geht Er jetzt hinauf. Die Herrlichkeit hat ihre dauernde, bleibende Gestalt angenommen, und fortan sehen wir Ihn im Buch Gottes als den verherrlichten Menschen. Als solcher wird Er in dem Gesicht des Propheten Daniel mit den Wolken des Himmels zu dem Alten an Tagen gebracht, um Sein Reich zu empfangen (Dan 7), als solcher steht Er auch vor den Augen eines anderen Propheten in der Mitte der goldenen Leuchter (Off 1), und als Sohn des Menschen wird Er später, wie Er uns selbst sagt, zur Rechten der Macht sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen (Mt 26). Als Sohn des Menschen wird Sein Name auf der ganzen Erde verherrlicht sein, wenn das Gericht vorüber ist (Ps 8; Heb 2).
Das ist ein wunderbarer Gegenstand. Es ist der Mensch, der so gesalbt, der Mensch, der so erhöht worden ist. Die Heerscharen der Engel, die bisher den Thron umgaben, müssen gleichsam beiseitetreten, um die Versammlung erlöster Sünder eintreten zu lassen, damit der Mensch als das auserwählte Gefäß der Herrlichkeit in den kommenden Zeitaltern geschaut werden möchte. „Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Sohn, dass du auf ihn Acht hast?“
Als der Priester Zacharias in den Tempel ging, war sich die ganze Volksmenge der Kraft seines Eintritts dort bewusst, sie stand „betend draußen zur Stunde des Räucheropfers“, wie wir in Kapitel 1,10 dieses Evangeliums lesen. Und wenn Mose in die Wolke eintrat und gleichsam durch den Vorhang in das
Innere des Heiligtums Gottes ging, erhob sich das Volk und betete an, ein jeder am Eingang seines Zeltes (2Mo 33,10). So ist es auch hier. Beim Eintritt des auferstandenen Sohnes des Menschen in die Wolke (Apg 1,9), sozusagen innerhalb des Vorhangs des wahren Tempels, empfindet das Volk draußen die Kraft Seines Hinaufgehens, die Jünger schauten Ihm nach und warfen sich vor Ihm nieder. Aber hier, und nur hier, sind es die Seinen, die Ihn selbst anbeten. „Sie warfen sich vor ihm nieder und kehrten nach Jerusalem zurück mit großer Freude . . . und lobten und priesen Gott.“
Anbetung und Lob war jetzt der allein zeitgemäße Dienst. Wie konnten sie das Brot der Trauernden essen, während sie einen solchen Altar umgaben? Sie feierten das Fest der Auferstehung, wenn wir es so nennen dürfen, und das musste mit Freude gefeiert werden. Die Erstlinge der Ernte waren zum Wohlgefallen für sie dargebracht worden, und sie mussten ihre Speis- und Trankopfer mit Freude in Seinem Tempel opfern (3Mo 23,10-13). Sie warteten auf den Tag der Pfingsten, das Fest der Wochen, aber Jesus und die Auferstehung war ihr Fest, und nur mit Freuden konnten sie auf die wohlannehmliche, vor dem Herrn gewebte Garbe der Erstlingsfrüchte blicken.
Wir haben hier nicht die gleiche wundervolle Note wie am Ende des Johannes-Evangeliums. Nicht alle Schriften können gleich erhaben sein, obwohl sie in ihrer Anordnung gleich vollkommen und in ihrem Ursprung gleich göttlich sind. Stern von Stern unterscheidet sich an Herrlichkeit, obwohl alle gleich schön am Himmel sind, weil Gott sie geschaffen und gemacht hat. Wie die anderen Evangelien, so behält auch Lukas seinen eigenen Charakter bis zum Ende. Es ist der Sohn des Menschen, den der Heilige Geist durch ihn schildert, wie es in Matthäus der Messias, Jesus in Seinen jüdischen Beziehungen, ist, oder Jesus, der Knecht oder Diener, in Markus, oder schließlich Jesus, der Sohn Gottes, des Vaters, in Johannes.
Dieser vollkommene Mensch war zuerst der gesalbte Mensch, der auf allen Seinen mannigfaltigen Wegen Gott Opfer unbefleckter menschlicher Frucht darbrachte in einem Gefäß, wie es niemals vorher Sein Heiligtum geschmückt und geziert hatte. Dann sahen wir Ihn als den auferstandenen Menschen, der sich den Seinen in Seinem Sieg über den Tod und die Macht des Feindes gezeigt und ihnen Proben einiger der Segnungen gegeben hatte, die dieser Sieg ihnen erworben hatte. Schließlich sahen wir Ihn als den aufgefahrenen und verherrlichten Menschen, der für sie vor dem Thron Gottes und im himmlischen Heiligtum die Ergebnisse Seines Lebens, Seines Kampfes und Sieges vollendete und sie mit ewiger Freude und Dankbarkeit erfüllte, bis Er wiederkommen wird.
Damit beenden wir unsere glückselige Beschäftigung mit den vielfältigen Wegen unseres göttlichen Herrn und Heilandes. Möge sie in unseren Herzen ebensoviel Kraft hinterlassen, wie sie uns Freude bereitet hat! Aber das Herz kennt seine geheimen Gründe völliger und beständiger Demütigung und hat erfahren, wie angebracht es ist, das Wort zu beherzigen: „Wenn du geladen bist, so geh hin und lege dich auf den letzten Platz.“ Möge Gott unsere Herzen mit Seinen eigenen Freuden beschäftigen, die ihre Quellen stets in der Person und dem Werk des Sohnes Seiner Liebe haben! Möge Er uns auch mehr und mehr freimachen von uns selbst, damit wir nur Jesum sehen!
Zum Schluss möchten wir noch einmal betonen, dass die Feinheiten, die in diesem und jedem anderen Evangelium bei Aufwendung von nur etwas Mühe erkennbar sind, göttlich vollkommen sind. Wir sehen darin in der Tat die Hand Gottes. Hätte jeder Evangelist seine Schriften mit einer förmlichen Erklärung über die darin verfolgten Absichten und die in ihnen enthaltenen unterscheidenden Merkmale eingeleitet, wäre die Weisheit und Vollkommenheit Dessen, der sie verfasst hat, nicht so verherrlicht worden. In den Herzen würde nicht die gleiche Übung hervorgebracht werden, die ohne Frage durch die in jedem Evangelium überreichlich vorhandene charakteristische Darstellungsweise bezweckt wird.
So wie die Evangelien jetzt vor uns liegen, bilden sie eine vollkommene Schöpfungsharmonie. „Keine Rede und keine Worte, doch gehört wird ihre Stimme.“ Daraus ersehen wir, dass dieselbe Hand, die die Himmel gestaltete und ihnen eine Stimme für das menschliche Ohr gab, auch die aus den verschiedenen Evangelien hervorstrahlenden Herrlichkeiten aufzeichnete und ihnen gleicherweise eine Sprache für das Ohr der Gläubigen verlieh (s. Ps 19).
Und doch muss das Evangelium selbst unser Gegenstand sein. Möge der Herr es beständig in unseren Herzen lebendig und unmittelbar erhalten! Der Himmel ruft die Erde auf, das Evangelium, die Botschaft von Gottes unergründlicher Liebe, zu hören, denn es birgt wirklichen und bleibenden Segen für unsere Seelen. Der Einzug des lebendigen Gottes in unsere Herzen - und Er ist durch das Zeugnis des Sohnes Seiner Liebe der Gott aller Gnade - ist es, der in ihnen Licht, Freiheit und Sieg verbreitet und in uns der Same des ewigen Lebens ist.
Jemand sagte einmal: „Man mag von dieser geistigen und moralischen Harmonie gefesselt sein und viel Freude an dem Aufspüren der einzelnen Feinheiten finden und doch nicht mehr Nutzen davon haben als von der Betrachtung eines seltsamen materiellen Kunstwerkes. Es ist durchaus richtig, dass diese wunderbaren Zusammenhänge im Christentum - und ich möchte hinzufügen: in den Schriften, die das Christentum verkündigen - erkannt und bewundert werden. Wenn es aber dahin kommt, dass sie der Hauptgegenstand des Glaubens werden, wird die große Wahrheit des Christentums nicht geglaubt.
Im Christentum gibt es vieles, was das geistige Fassungsvermögen anspricht und dem Geist einen hohen Grad von Freude gibt, aber das Allerwichtigste an der Religion ist die Notwendigkeit des Evangeliums für Sünder. Denn das Evangelium ist nicht verkündigt worden, um uns Freude an schönen Empfindungen und Ausdrücken zu vermitteln, sondern um uns zu erretten. Der Geschmack an solchen Dingen mag einen Eindruck von der Schönheit und Erhabenheit der Bibel hinterlassen und der Geist von der Feinheit ihrer Ausdrucksweise beeindruckt sein, und doch können ihr tieferer Sinn, ihre freimachende Kraft und ihr Geheimnis von der göttlichen Liebe der Seele unbekannt bleiben.“
Das ist für uns sehr wichtig. Möge bei aller unserer Erkenntnis über andere Herrlichkeiten und Geheimnisse die Kenntnis der Botschaft von der alles übersteigenden Liebe der teuerste und innigste Besitz unserer Seelen sein! Das Evangelium Seiner Gnade verkündet uns, dass unsere Not und unsere Bedürfnisse die Zuneigungen und Hilfsmittel unseres großen Gottes hervorbrachten. Auf dieser Wahrheit können unsere Herzen mit gestilltem Verlangen ruhen, indem wir uns niederlassen an der „Quelle unserer Freuden“. In diesem Glauben finden unsere Seelen Leben, Freude, Freiheit und Kraft. Es gibt Einen, der uns geliebt und Sich selbst für uns hingegeben hat, und dieser Eine ist kein Geringerer als der Sohn Gottes. Das war die Quelle im Leben des Apostels Paulus; dorthin können auch wir uns beständig wenden, um Licht, Erquickung und Rat für unsere Herzen zu finden. Und wenn der Letzte von uns gesammelt ist und alle hingelangt sind zur Vollkommenheit, werden wir dort sein, wo wir mit größerer Kraft des Verständnisses und der Freude in alle Ewigkeit das Lamm preisen werden, das aus Liebe zu uns geschlachtet worden ist.
Möge Seine Gnade uns in unverderbter Gesinnung und unbefleckten Kleidern bewahren um Seines Namens willen, damit wir nur Ihn allein in dieser bösen Welt kennen!