Behandelter Abschnitt Lk 12,35-48
Aber da ist auch noch etwas anderes. Es ist gut, den Gegenstand vor uns zu haben, der vor Gott ist. Es ist gut, einen Gegenstand zu haben, einen wahren Gegenstand, der jemanden in einen Zustand der Geduld und Erwartung ruft. Wir können nicht ohne die Kraft der Hoffnung auskommen; wenn wir nicht den wahren Gegenstand haben, werden wir einen falschen haben. Daher sagt Er: „Eure Lenden seien umgürtet und die Lampen brennend; und ihr, seid Menschen gleich, die auf ihren Herrn warten, wann irgend er aufbrechen mag von der Hochzeit, damit, wenn er kommt und anklopft, sie ihm sogleich öffnen“ (V. 35.36). Ich verstehe diesen Ausdruck über die Rückkehr von der Hochzeit nicht als prophetisch, sondern eher als moralisch, in Übereinstimmung mit dem gewohnten Stil des Lukas. Er soll sicher keinen Aspekt des Gerichts, sondern der Freude darstellen und ist daher eine Anspielung auf die bekannten Tatsachen, die sie ständig vor Augen hatten. Sie sollten auf ihren Herrn warten, nicht als den Richter, sondern wie auf Ihn, der von einer Hochzeit zurückkehrt, damit sie Ihm, wenn Er kommt und anklopft, sofort öffnen können. Das ist ein weiterer großartiger Punkt, nicht nur, dass Er mit Freude verbunden ist, sondern dass sie frei von allen irdischen Lasten sein sollten, so dass sie, wenn der Herr anklopft, gemäß dem Bild, Ihm sofort öffnen können – ohne Ablenkung oder eine Vorbereitungszeit. Ihre Herzen warten auf Ihn, auf ihren Herrn; sie lieben Ihn, sie warten auf Ihn. Er klopft an, und sie öffnen Ihm sofort. Das ist die normale Stellung des Christen, der auf Christus wartet, den einzig wahren Gegenstand der Hoffnung. „Glückselig jene Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend finden wird! Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich umgürten und sie sich zu Tisch legen lassen und wird hinzutreten und sie bedienen“ (V. 37).“ Hier wird ihr Segen als auf Ihn Wartende gezeigt. Wir werden etwas später einen anderen Segen finden; aber der Segen hier ist das Wachen – nicht so sehr das Arbeiten als das Wachen. Das heißt, es ist nicht so sehr die Beschäftigung mit anderen, sondern das Wachen auf Ihn, und es ist sicherlich wichtig, das zu empfinden. Das Wachen hat sogar Vorrang vor dem Arbeiten. Es besteht kein Zweifel, dass das Arbeiten keinen geringen Wert hat und dass der Herr sich daran erinnern und es belohnen wird, aber das Wachen ist viel mehr mit seiner Person und seiner Liebe verbunden. Daher heißt es: „Glückselig jene Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend finden wird! Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich umgürten und sie sich zu Tisch legen lassen und wird hinzutreten und sie bedienen.“ Die ganze Aktivität seiner Liebe und seine gnädige Herablassung wird gezeigt. „Und wenn er in der zweiten und wenn er in der dritten Wache kommt und sie so findet – glückselig sind sie!“ (V. 38). Es liegt also eine Absicht darin. Es ist nicht unbestimmt, sondern mit Nachdruck; es wird durch die Nacht gewartet. Sie suchen Ihn von Anfang bis Ende: „Glückselig sind sie. Dies aber erkennt: Wenn der Hausherr gewusst hätte, zu welcher Stunde der Dieb kommen würde, so hätte er gewacht und nicht zugelassen, dass sein Haus durchgraben würde. Auch ihr, seid bereit! Denn in einer Stunde, in der ihr es nicht meint, kommt der Sohn des Menschen“ (V. 39.40). Es ist nicht der Messias, der den Thron seines Vaters David besteigt, sondern der verworfene Sohn des Menschen, der in Herrlichkeit kommt; und glückselig sind die, die so auf Ihn warten und wachen. „Auch ihr, seid bereit!“
Unser Herr stellte sein Kommen so dar, dass Er die Zuneigung der Gläubigen beanspruchte und sich mit ihrem moralischen Zustand befasste. Ihre Lenden sollten umgürtet sein, ihre Lichter sollten brennen, sie selbst sollten wie Menschen sein, die auf ihren Herrn warten. Denn da ihr Schatz in den Himmeln ist, werden auch ihre Herzen dort sein. Auch das verbindet sich mit der unmittelbaren Bereitschaft, Ihn zu empfangen, „damit, wenn er kommt und anklopft, sie ihm sogleich öffnen“ (V. 36). Es ist die Glückseligkeit des Wartens auf Christus, mit seiner unendlichen Freude im Ergebnis. „Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich umgürten und sie sich zu Tisch legen lassen und wird hinzutreten und sie bedienen“ (V. 37).
Wenn Er verweilt, und das Herz, das Ihn liebt, findet es lang und braucht Geduld, so lohnt es sich, auf Ihn zu warten, wie groß auch die Verzögerung sein mag. „Und wenn er in der zweiten und wenn er in der dritten Wache kommt und sie so findet – glückselig sind sie!“ (V. 38). Zugleich ist es wichtig, den Aspekt seines Kommens für das Gewissen hinzuzufügen. Die Rückkehr von der Hochzeit stellt dies nicht dar. „Dies aber erkennt: Wenn der Hausherr gewusst hätte, zu welcher Stunde der Dieb kommen würde, so hätte er gewacht und nicht zugelassen, dass sein Haus durchgraben würde“ (V. 39). Die gegenwärtige Bequemlichkeit und Unachtsamkeit in einer Welt wie dieser lässt die Wiederkunft des Herrn immer mehr oder weniger unwillkommen erscheinen. Die einzig richtige Haltung für die Liebe oder das Gewissen ist die Haltung, nach Ihm Ausschau zu halten. „Auch ihr, seid bereit! Denn in einer Stunde, in der ihr es nicht meint, kommt der Sohn des Menschen“ (V. 40). „Petrus aber sprach: Herr, sagst du dieses Gleichnis im Blick auf uns oder auch auf alle? Und der Herr sprach: Wer ist nun der treue und kluge Verwalter, den sein Herr über sein Gesinde setzen wird, ihnen zur rechten Zeit die zugemessene Nahrung zu geben?“ (V. 41.42). Hier zeigt sich nun wieder ein anderer Aspekt. Es ist die Stellung dessen, der dazu berufen ist, als Verwalter treu und klug zu sein. Es ist jemand, dessen Pflicht es ist, über das Haus des Herrn zu regieren, um ihnen die Speise zur rechten Zeit zu geben, eine ernste und ehrenvolle Arbeit. Dennoch hat sie nicht unbedingt die Intimität der persönlichen Zuneigung, die das ständige Wachen für Ihn voraussetzt. Der Mensch denkt zweifellos ganz anders; aber wir hören das Wort des Herrn, und sein Wort richtet immer die Gedanken der Menschen und war dazu bestimmt, sie zu richten. Dementsprechend gibt es einen Unterschied im Ergebnis. „Glückselig jener Knecht, den sein Herr, wenn er kommt, damit beschäftigt finden wird! In Wahrheit sage ich euch, dass er ihn über seine ganze Habe setzen wird“ (V. 43.44). Es geht nicht so sehr um die Erwiderung seiner Liebe als vielmehr um den Ehrenposten in seinem Reich. „Gesegnet“ sind in der Tat beide; aber das Herz sollte wenig Licht brauchen, um zu erkennen, welches das bessere von beiden ist. Mögen wir seine Liebe erwidern und seinem Vertrauen treu sein, und diese zweifache Glückseligkeit als unser Teil wissen, wenn Er wiederkommt!
Zweifellos blieb hier, wie auch anderswo, viel übrig, was der Geist Gottes ausfüllen könnte. Unser Herr hatte viele Dinge zu sagen, aber seine Jünger konnten sie damals nicht alle ertragen. Die Vollendung der Erlösung, der endgültige Fall Israels, die Berufung der Heiden und vor allem die Offenbarung „des Geheimnisses“ hatten einen bedeutenden Einfluss auf die Entfaltung der Wahrheit über die Wiederkunft des Herrn. Dennoch ist es zutiefst wertvoll zu bemerken, wie bewundernswert die Worte des Herrn bei dieser Gelegenheit diese Wahrheit in ihren beiden Hauptaspekten der Gnade und der Verantwortung beschreiben. Auf diese gehe ich jedoch nicht ein, weil die Schrift vor uns nicht ins Einzelne geht. Es genügt, auf die allgemeine Wahrheit hinzuweisen – eine Wahrheit, da können wir sicher sein, die in ihren Prinzipien und in ihren praktischen Konsequenzen von großer Bedeutung ist.
Als Nächstes blickt der Herr auf den umfangsreichen Bereich des Dienstes und zeigt uns in ein paar ernsten Worten, wie er von seiner Wiederkunft betroffen sein wird. Die Christenheit und der Mensch im Allgemeinen werden dann sicher gerichtet werden, denn wir schauen hier nicht auf das Gericht des großen weißen Thrones. Es ist das Gericht der Lebenden und noch nicht der Toten – ein Gericht, das zu sehr übersehen wird, nicht nur von den Unvorsichtigen, sondern auch von denen, die den größten Einfluss in der religiösen Welt ausüben. Das Judentum neigte immer dazu, das Endgericht zu verdrängen, indem es das Gericht der Welt in den Vordergrund rückte, wenn die Nationen gerichtet werden und Israel, das durch die Gnade gedemütigt wurde, endlich zu seiner verheißenen Vorherrschaft unter dem Messias und dem neuen Bund erhoben werden wird. Aber die Christenheit vergisst das Gericht Lebenden, und ihre Vergesslichkeit ist kein geringer Teil des Planes Satans, das Zeugnis Christi zu verderben. Nicht nur geht die Wahrheit seines Kommens als praktische Freude für das Herz und als eine ernste Prüfung für die Arbeit verloren, sondern die bloße Tatsache selbst wird verleugnet, indem dieser Tag mit dem Gericht der Toten verwechselt wird.
Der Unglaube des Menschen wird jedoch den Wert der Warnung des Herrn nicht aufheben, sondern vielmehr beweisen: „Wenn aber jener Knecht in seinem Herzen sagt: Mein Herr zögert sein Kommen hinaus, und anfängt, die Knechte und Mägde zu schlagen und zu essen und zu trinken und sich zu berauschen, so wird der Herr jenes Knechtes kommen an einem Tag, an dem er es nicht erwartet, und in einer Stunde, die er nicht weiß, und wird ihn entzweischneiden und ihm sein Teil geben mit den Untreuen. Jener Knecht aber, der den Willen seines Herrn kannte und sich nicht bereitet noch nach seinem Willen getan hat, wird mit vielen Schlägen geschlagen werden; wer ihn aber nicht kannte, aber getan hat, was der Schläge wert ist, wird mit wenigen geschlagen werden. Jedem aber, dem viel gegeben ist – viel wird von ihm verlangt werden; und wem man viel anvertraut hat, von dem wird man desto mehr fordern (V. 45–49a).
Wie genau ist die Beschreibung, außer dass die Ruinen der Christenheit zusätzliche Schrecken zu den hier dargestellten hervorgebracht haben, nicht weniger als die Briefe die vollere Darstellung der Wahrheit vom Kommen Christi lieferten! Und diese Schrecken werden uns ausführlich in Schriften wie 2. Thessalonicher; 1. und 2. Timotheus und Offenbarung 17,19 beschrieben.
Wir sehen, dass das Christentum, das den Platz der christlichen Vorrechte eingenommen hat, entsprechend gerichtet werden wird. Es ist „jener Knecht“. Da die Menschen kein Herz und keinen Glauben an das Kommen Christi hatten, waren sie bereit, es aufzuschieben. Das Herz wurde eher erleichtert als durch eine aufgeschobene Hoffnung, die keine Hoffnung war, krankgemacht. Sie sagten in ihrem Herzen: „Mein Herr zögert sein Kommen hinaus.“ Der Wunsch war dem Gedanken übergeordnet; und in einem solchen Gefühlszustand lassen sich leicht Umstände finden, die ihn rechtfertigen. Aber die moralischen Folgen werden bald gesehen. Da das Kommen Christi nicht mehr vor Augen war, fing jener Knecht bald an, „die Knechte und Mägde zu schlagen und zu essen und zu trinken und sich zu berauschen.“ Es entwickelte sich der Geist hochmütiger Anmaßung und Intoleranz auf der einen Seite und ein demoralisierender Umgang mit der Welt auf der anderen. Aber der Herr jenes Knechtes wird „kommen an einem Tag, an dem er es nicht erwartet, und in einer Stunde, die er nicht weiß, und wird ihn entzweischneiden und ihm sein Teil geben mit den Untreuen.“ Was auch immer sein Bekenntnis sein mag, das Herz der Christenheit wird sich an jenem Tag als ungläubig erweisen. Keine Verkleidung von Glaubensbekenntnis oder Ritus, keine Aktivität und kein Eifer werden es vor dem gerechten Gericht des Herrn bei seinem Kommen schützen.
Dennoch ist der Herr immer gerecht, und an jenem Tag wird es einen deutlichen Unterschied in seinem Umgang mit den Lebendigen geben, wie Er hier sagt. Denn der Knecht, der „den Willen seines Herrn kannte und sich nicht bereitet noch nach seinem Willen getan hat, wird mit vielen Schlägen geschlagen werden“ (V. 47); während derjenige, der es nicht wusste und dennoch schuldig war, obwohl er nicht entkommen wird, mit wenigen Striemen geschlagen werden wird. Den weniger begünstigten Heiden wird es also an jenem Tag nicht so schlecht ergehen wie derjenigen, die als Königin mit der eitlen Anmaßung dasitzt, sie werde kein Leid sehen. „Darum werden ihre Plagen an einem Tag kommen: Tod und Trauer und Hungersnot, und mit Feuer wird sie verbrannt werden; denn stark ist der Herr, Gott, der sie gerichtet hat“ (Off 18,8). Denn es ist eine feste Sache bei Ihm, dass, wo viel gegeben worden ist, auch viel gefordert werden wird, wie sogar das Gewissen und die Praxis der Menschen täglich bekennen. „Jedem aber, dem viel gegeben ist – viel wird von ihm verlangt werden“ (V. 49a).
Wir haben gesehen, dass der Herr als der Gegenstand der Zuneigung ihres Herzens kommt, und folglich als der Belohner des Dienstes erwartet wird. Als Richter derer, die auf der Erde gewirkt haben, wird Er gerecht handeln, entsprechend ihren jeweiligen Vorrechten.