Behandelter Abschnitt Lk 10,1-11
Die Aussendung der Siebzig ist eine Besonderheit bei Lukas. Sie hat an sich einen Charakter der Gnade, obwohl sie in Wirklichkeit bei ihrer Verwerfung der Vorbote des bevorstehenden Gerichts über Israel war. Seit der Verklärung des Herrn sind nun alle Dinge offenbar geworden. Die frühere Sendung ging diesem großen Ereignis voraus und wird an anderer Stelle wiedergegeben; aber Lukas fügt die Sendung der Siebzig hinzu. Sein Tod, sein Leiden, seine Verwerfung sind vollständig angekündigt, und dementsprechend sein Weggang von der Welt wegen der Unfähigkeit Israels oder sogar der Jünger, aus seiner Anwesenheit in Israel Nutzen zu ziehen, und dann das Gericht über alle Formen der menschlichen Natur, die die Nachfolge Christi oder seinen Dienst behindern. Das haben wir gehabt. Jetzt, als Abschluss des Zeugnisses für Israel, erfolgt diese neue Aussendung, um nicht nur vor der Offenbarung seiner Verwerfung, sondern auch danach das Reich Gottes zu verkünden. „Danach aber bestellte der Herr auch siebzig andere und sandte sie zu je zwei vor seinem Angesicht her in jede Stadt und jeden Ort, wohin er selbst kommen wollte“ (V. 1). Das Herz des Herrn fühlte für das Volk, als er sagte: „Die Ernte ist zwar groß, die Arbeiter aber sind wenige“ (V. 2). Jetzt sind weitaus mehr Arbeiter aufgestanden, als der Druck der Not vor seiner Seele stand. „Bittet nun den Herrn der Ernte.“ Dennoch ermutigt Er zum Gebet, denn bevor Er ihnen sagt, dass sie beten sollen, ernennt Er selbst diese Siebzig, damit sie hinausgehen. Er war der Herr der Ernte. Gleichzeitig warnt Er sie, was sie zu erwarten hatten. „Geht hin! Siehe, ich sende euch aus wie Lämmer inmitten von Wölfen“ (V. 3). Er wusste sehr wohl, und sie sollten es auch wissen, was der Mensch war, auch in Israel. Das Fleisch wurde vollständig gerichtet. Die Juden werden nicht mehr als die verlorenen Schafe Israels bezeichnet, sondern als Wölfe, die sich als Lämmer einschleichen.
Aber da ist noch etwas anderes. Während sie also in einem Geist der Gnade ausgesandt wurden und dem Bösen der Menschen ausgesetzt waren, sollten sie in dem vollen Bewusstsein seiner Herrlichkeit gehen: „Tragt weder Geldbeutel noch Tasche, noch Sandalen, und grüßt niemand auf dem Weg“ (V. 4; vgl. Mt 10,9ff.; Mk 6,8ff.). Die Gefahr stand unmittelbar bevor, die Pflicht war dringend. Es bedurfte keiner Vorbereitungen und Mittel von außen; sie durften sich darauf verlassen, dass die Macht seines Namens sie in Israel versorgte; denn Er war der König, mögen die Menschen Ihn ablehnen, wie sie wollen. Andererseits war also keine Zeit für eine Begrüßung. Solche Höflichkeit ist gut für die Erde und für die gegenwärtige Zeit; aber die Ewigkeit kam immer deutlicher vor das Gemüt der Diener, wie sie ganz vor dem Herrn war: „grüßt niemand auf dem Weg“. Tiefere Interessen standen auf dem Spiel, und alles, was ihre Gedanken mit dem beschäftigen würde, was entbehrlich sein könnte, war nur ein Hindernis. „In welches Haus irgend ihr aber eintretet, da sprecht zuerst: Friede diesem Haus!“ (V. 5). So wurde das volle Wort der Gnade an sie ausgesandt. Umso schlimmer aber für die, die es ablehnten. Dennoch sollte der Friede wieder zu ihnen zurückkehren. Es war kein Krieg; damit hatten sie nichts zu tun. „Und wenn dort ein Sohn des Friedens ist, so wird euer Friede darauf ruhen; wenn aber nicht, so wird er zu euch zurückkehren“ (V. 6). Der abgelehnte Friede wurde ihnen sogar zurückgegeben. „In demselben Haus aber bleibt, und esst und trinkt, was sie euch anbieten; denn der Arbeiter ist seines Lohnes wert“ (V. 7). Es sollte keine Habsucht, keine Selbstsucht geben; sondern sie sollten, indem sie sich auf ihre Herzenszugehörigkeit zum Messias stützten, das nehmen, was ihnen gegeben wurde. Während der Messias die Würde des Arbeiters anerkennt, ist der Arbeiter seines Lohnes wert. Wer Ihm angehörte, würde es empfinden und besitzen. Sie sollten nicht von Haus zu Haus gehen. Das würde seiner Ehre abträglich sein, weil es mit einer scheinbaren Nachgiebigkeit der Selbstsucht belastet werden könnte. Der große Punkt war der ernste Anspruch des Herrn Jesus in Israel. „Und in welche Stadt irgend ihr eintretet und sie euch aufnehmen, da esst, was euch vorgesetzt wird, 9 und heilt die Kranken darin und sprecht zu ihnen: Das Reich Gottes ist nahe zu euch gekommen“ (V. 8.9). Es fehlte nicht an Kraft, sondern das Wort war: „Das Reich Gottes ist nahe zu euch gekommen.“ Dies sollten sie zu ihnen sagen. Es ging nicht um eine außerordentliche Schau, die den Verstand oder das Auge treffen sollte, oder um etwas, das nur für das gegenwärtige Leben bestimmt war, sondern „das Reich Gottes ist nahe zu euch gekommen.“ „In welche Stadt irgend ihr aber eintretet und sie euch nicht aufnehmen, da geht hinaus auf ihre Straßen und sprecht“ (V. 10). Die Verwerfung dieser Sendung wäre also äußerst schwerwiegend, und gerade das Maß der Gnade, aus dem sie entspringt, würde den Unglauben umso gefährlicher und das Urteil darüber umso unerbittlicher machen. „Auch den Staub, der uns aus eurer Stadt an den Füßen haftet, schütteln wir gegen euch ab; doch dieses wisst, dass das Reich Gottes nahegekommen ist“ (V. 11). Es würde die Wahrheit nicht ändern. Sie mögen sich weigern, aber das Reich Gottes ist nahegekommen.