Behandelter Abschnitt Lk 9,37-45
Die nächste Begebenheit taucht uns sofort in die Realitäten der Welt ein, wie sie ist, was umso schmerzlicher empfunden wird, als auf dem Berg der Verklärung die herrliche Vision des kommenden Zeitalters zu sehen ist, sei es im Anblick des Reiches des Sohnes des Menschen oder in der inneren Szene derer, die in die Wolke eintraten. Hier haben wir im Gegenteil die Welt, wie sie jetzt durch die Macht des Satans ist. „Es geschah aber am folgenden Tag, als sie von dem Berg herabgestiegen waren, dass ihm eine große Volksmenge entgegenkam. Und siehe, ein Mann aus der Volksmenge rief laut und sprach: Lehrer, ich bitte dich, sieh meinen Sohn an, denn er ist mein einziger; und siehe, ein Geist ergreift ihn, und plötzlich schreit er, und er zerrt ihn unter Schäumen hin und her, und mit Mühe weicht er von ihm, wobei er ihn aufreibt. Und ich bat deine Jünger, dass sie ihn austreiben sollten, und sie konnten es nicht“ (V. 37–40). Es war in der Tat ein Bild von Israel und wir können sagen von den Menschen. So groß war die Macht des Dämons über ihn; und die erschütterndste Tatsache war, dass die Jünger völlig unfähig waren, dem Fall zu begegnen. Sie waren Männer Gottes; sie waren seine geehrten Diener, bereits mit Macht und Autorität vom Herrn Jesus ausgesandt, wie wir am Anfang dieses Kapitels gesehen haben; und doch konnten sie mit dieser verschärften Form der dämonischen Besessenheit nicht fertig werden. „Jesus aber antwortete und sprach: O ungläubiges und verkehrtes Geschlecht! Bis wann soll ich bei euch sein und euch ertragen? Führe deinen Sohn her!“ (V. 41). Der Herr hatte also das lebhafte Empfinden seines nahenden Abschieds vor Augen: „Bis wann soll ich bei euch sein und euch ertragen?“ Nicht aus Mangel an Kraft, sondern aus Mangel an Glauben konnten sie den Geist nicht austreiben. Der Glaube setzt immer zwei Dinge voraus: (1) das Empfinden für die Last und das Joch des Bösen, das auf den Menschen drückt, und (2) das Vertrauen darauf, dass Gott in seiner gnädigen Macht dem Bösen immer überlegen ist und über allem steht. Es mag Versagen geben, aber niemals eine endgültige Niederlage, wo Raum für das Eingreifen Gottes gelassen wird und das Herz überzeugt ist, dass seine Herrlichkeit an der Sache beteiligt ist. Der Mangel daran war es, der den Herrn Jesus betrübte; ihre Unfähigkeit war auf mangelnden Glauben und mangelnde Selbsteinschätzung zurückzuführen. „Während er aber noch herzukam, riss ihn der Dämon und zerrte ihn hin und her. Jesus aber gebot dem unreinen Geist ernstlich und heilte den Knaben und gab ihn seinem Vater zurück“ (V. 42). Der Herr hatte also eine neue und, wenn möglich, mächtigere Anstrengung des Satans vor sich; aber seine Macht, oder vielmehr die Macht Gottes, die Er als der selbstentäußerte Sohn und gehorsame Mensch ausübte, erhob sich über alle Anstrengungen des Satans. Er weist den unreinen Geist zurecht und heilt das Kind. „Sie erstaunten aber alle sehr über die herrliche Größe Gottes“ (V. 43a). Doch warum sollten sie das? Jesus war Gott selbst, offenbart im Fleisch. Aber die Glückseligkeit Jesu war diese, dass Er nie etwas einfach als Gott tat, sondern als der Mensch, der von Gott abhängig war. Hätte Er nicht einen solchen Platz bewahrt und durch die Kraft des Heiligen Geistes als Mensch gewirkt, hätte Er es versäumt, den vollkommenen Platz des Menschen und des Dieners in der Welt zu bewahren. Aber dies war seine menschliche Vollkommenheit von der Zeit an, als Er von der Frau geboren wurde. Nichts konnte so mächtig sein, weder als Motiv noch als Beispiel für uns. „Als sich aber alle verwunderten über alles, was er tat, sprach er zu seinen Jüngern: Fasst ihr diese Worte in eure Ohren! Denn der Sohn des Menschen wird in die Hände der Menschen überliefert werden“ (V. 43b.44). Sie staunten mit einer Verwunderung, die zwar eine Ehrerbietung für das, was getan wurde, war, aber auch ein Hinweis auf einen Mangel an Einsicht. Der Herr bringt nun eine viel tiefere Ursache des Staunens und der Anbetung zum Vorschein, wenn sie es nur richtig empfunden hätten. Ach, das ist es, woran der Unglaube immer scheitert. Er, der alle Macht, nicht nur die der Menschen, sondern auch die des Satans, zurechtweisen konnte, sollte dennoch in die Hände der Menschen überliefert werden. So war die Absicht Gottes, so die vollkommene Bereitschaft Jesu, des Knechtes Gottes und Herrn aller! Was auch immer die Wahrheit über den Zustand des Menschen und die Macht Satans hier auf der Erde beweisen würde, was auch immer das Verderben des Volkes Gottes und die Zerstörung seiner Herrlichkeit durch ihr Verderben auf der Erde zeigen würde, was auch immer die Eitelkeit aller gegenwärtigen Hoffnungen für den Menschen und die Welt beweisen würde – dafür war Jesus bereit, allem zu begegnen und bis zum Äußersten zu leiden, damit Gott zuerst moralisch, dann in der Macht verherrlicht und der Mensch außerhalb von allem in vollkommenen Frieden gesetzt würde, zuerst durch den Glauben und schließlich in einer greifbaren Tatsache, und das für immer. Das Werk der Sühnung lag in dieser vollkommensten Erniedrigung des Sohnes des Menschen; aber diese Worte Christi sprechen einfach, es ist offensichtlich, von seinem Leiden unter den Händen der Menschen. „Aber sie verstanden dieses Wort nicht“ (V. 45). Doch die Schrift war voll davon. Der Wille des Menschen macht ihn jedoch blind für das, was ihm nicht gefällt, und nirgends so sehr wie in der Schrift. Die Juden griffen gierig nach der Vision der Herrlichkeit und den Verheißungen für das Volk – die Erhöhung ihrer Nation und der Untergang ihrer hochmütigen heidnischen Unterdrücker. Und so wurden die Worte Gottes, die die Erniedrigung des Messias beschrieben, im Allgemeinen weitgehend übersehen und immer missverstanden. Selbst als unser Herr hier nicht in prophetischer Form, auch nicht mit irgendwelchen undurchsichtigen Bildern, sondern in den einfachsten Begriffen, die möglich waren, erzählte, verstanden sie seine Worte nicht. Wie wenig hat das Verständnis der Heiligen Schrift mit ihrer Sprache zu tun! Die wahre Ursache der Finsternis liegt im Herzen. Die einzige wirkliche Kraft der Einsicht liegt im Heiligen Geist, der uns bereit macht, uns vor Christus zu beugen, im Bewusstsein unserer eigenen Notwendigkeit eines solchen Erlösers und wirklich im Ernst, dass Gott uns zu seinen Bedingungen retten würde.