Behandelter Abschnitt Lk 2,8-20 „Und es waren Hirten in derselben Gegend, die auf freiem Feld blieben und in der Nacht Wache hielten über ihre Herde. Und siehe, ein Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Herrlichkeit des Herrn umleuchtete sie, und sie fürchteten sich mit großer Furcht“ (V. 8.9). Doch es gab keinen Grund dafür. Der Mensch fürchtet sich vor Gott, weil er ein Sünder ist, doch Gott hat in Wahrheit „die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe“ (Joh 3,16). In diesem Sinn sagt der Engel: „Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkündige euch große Freude, die für das ganze Volk sein wird“ (V. 10), allerdings nicht allen Menschen. Denn obwohl Lukas schließlich die rettende Gnade verkündet, die allen Menschen gilt, beginnt er innerhalb der strengen Grenzen Israels und zeigt, dass Gott seinem Volk treu ist und bereit ist, alle seine Verheißungen zu erfüllen, wenn sie Jesus aufnehmen würden. Aber sie wollten nicht; und deshalb war Gott moralisch gerechtfertigt, sich von den verachtenden Juden den Heiden zuzuwenden. Die richtige Art, diesen Abschnitt zu verstehen, ist für das ganze Volk, womit das Volk Israel gemeint ist. Dies wird im nächsten Vers bestätigt: „denn euch ist heute in der Stadt Davids ein Erretter geboren, welcher ist Christus, der Herr“ (V. 11). Er war der Gesalbte Gottes, auf den ihre Väter lange gewartet und gehofft hatten. Das Kind war nun geboren, der Sohn gegeben, und zwar ihnen, wie der Prophet sagte (Jes 9,6). „Und dies sei euch das Zeichen: Ihr werdet ein Kind finden, in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend“ (V. 12). „Ein Kind“ sollte es sein. Und so war es auch: ein höchst bedeutsames Zeichen – ein Messias, nicht in Macht und Herrlichkeit, wie die Juden es erwarteten, sondern ein in Windeln gewickeltes Kind, das in der Gnade allen realen Umständen einer menschlichen Geburt und Kindheit unterworfen war und das man tatsächlich, was die äußere Lage betrifft, in einer Krippe liegend fand.
Aber wenn dies der Ort der Finsternis war, in den Er eintrat, da die ganze Welt wirklich außer Rand und Band war und Gott einen solchen Gedanken als Zustimmung des Zustandes der Menschen in der Sünde durch seinen Sohn nicht zulassen wollte. Wenn Er Ihm also gleichsam einen Platz außerhalb gibt, so war andererseits plötzlich „bei dem Engel eine Menge des himmlischen Heeres, das Gott lobte und sprach: Herrlichkeit Gott in der Höhe und Friede auf der Erde, an den Menschen ein Wohlgefallen!“ (V. 13.14). Dies umfasst in wenigen Worten den ganzen Umfang der göttlichen Absicht. Die Offenbarung des Sohnes, der nun Mensch geworden ist, führt dazu, nicht genau der moralische Grund dafür oder die Mittel, mit denen es herbeigeführt wird, aber das Ergebnis als Veranschaulichung des Wohlgefallens Gottes an den Menschen (nicht an den Engeln) für ihre ungläubigen Augen. An erster Stelle steht: „Herrlichkeit Gott in der Höhe“. Bis zur Geburt Jesu war alles eine Enttäuschung im Menschen gewesen. Das Geschöpf war unter den besten Umständen zusammengebrochen, und jeder Versuch, sie mit anderen Mitteln zu korrigieren, hatte entweder die Zerstörung der Menschen oder eine Auflehnung gegen Gott hervorgebracht, die immer schlimmer wurde. Die Sintflut hatte die Welt nicht in Ordnung gebracht, sondern die Menschen einfach vernichtet. Das Gesetz hatte den Zustand der Menschen nur verschlimmert, ihre Sünde zu offener Übertretung hervorgerufen und sie in der Verdammnis versiegelt.
Die Geburt des Herrn Jesus ist aber zugleich das Signal für die Engel, zu loben und zu sprechen: „Herrlichkeit Gott in der Höhe.“ Es wäre nicht nur „Herrlichkeit Gott auf der Erde“, sondern „in der Höhe“, im ganzen Universum Gottes, und zwar ausdrücklich an seinen höchsten Orten – Ehre sei Gott in der Breite, überall. Auf der Erde, wo nichts als Krieg gegen Gott und mit den Menschen war, Verwirrung, Elend und Auflehnung – „Friede auf der Erde“.
Nichts Geringeres als das würde sich aus der Geburt des Messias ergeben, wenn auch nicht alles auf einmal; aber die himmlischen Heerscharen anerkennen die herrlichen Umstände seiner Geburt, der der Vater der Ewigkeit ist, nämlich des kommenden Zeitalters (Jes 9,6). Auch diese Geburt war der Ausdruck des Wohlgefallens Gottes an den Menschen. Es könnte keinen größeren Beweis des Wohlgefallens Gottes geben als diesen, denn der Sohn Gottes ist nicht ein Engel, sondern ein Mensch geworden. Er war Gott von aller Ewigkeit her, aber Er wurde Mensch. Das bezeugt unwiderlegbar und für jeden, der darüber nachdenkt, was für ein Gegenstand der Liebe der Mensch für Gott ist. Die himmlischen Heerscharen singen daher nur von diesen großen Konturen. Sie gingen nicht in die Einzelheiten; vielleicht wussten sie nicht, wie alles zustandekommen sollte. Aber die große Tatsache lag vor ihnen: Der Herr des Himmels war dieses Kind, der Gegenstand der Verachtung der Menschen, in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend, vielleicht wie kein anderes Kind. Kein Wunder, dass es den Engeln das lauteste Lob entlockte. Sie sehen darin Gottes Herrlichkeit; sie sehen die Menschen so als Gegenstand seiner unendlichen Liebe und Herablassung; sie erwarten Frieden für die Erde, trotz aller Erscheinungen, trotz Kaiser Augustus oder seiner Dekrete, trotz der römischen Armeen, jener gewaltigen Eisenhämmer, die die Nationen niederschlugen, des Tieres, das zertrat, was es nicht verschlingen konnte (Dan 7,7) – trotz all dem „Frieden auf der Erde“. Sie sahen die Dinge als Schauplatz, um im Menschen (weil der Sohn nun Mensch war) Gottes Herrlichkeit und Gnade zu entfalten; und sie hatten recht.
Als die ungewöhnliche Erscheinung verging, sagten die Hirten zueinander: „Lasst uns nun hingehen nach Bethlehem und diese Sache sehen, die geschehen ist, die der Herr uns kundgetan hat. Und sie kamen eilends und fanden sowohl Maria als auch Joseph, und das Kind in der Krippe liegen. Als sie es aber gesehen hatten, machten sie das Wort kund, das über dieses Kind zu ihnen geredet worden war. Und alle, die es hörten, verwunderten sich über das, was von den Hirten zu ihnen gesagt wurde“ (V. 15–18).
So handelten sie auf ihre schlichte Weise nach dem, was ihnen bekanntgemacht wurde, nach dem Bericht der Engel; und als sie dessen Wahrheit bewiesen hatten, verbreiteten sie die Nachricht. Sie nahmen damit den Weg der Gnade vorweg. Die Nachricht von solch großer Güte und Freude konnte und sollte nicht auf die beschränkt bleiben, denen sie zuerst mitgeteilt wurde. Sie verkündeten es, wo immer sie konnten. „Maria aber bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen (V. 19). Zweifellos arbeitete ein tieferes Empfinden in ihrem Geist. Die Zeit für die Ausbreitung des Evangeliums, die bevorstand, war noch nicht gekommen; die Grundlage dafür war noch nicht einmal gelegt. Aber sie, die ein tiefes Interesse an den Wundern haben musste, die sie umgaben – sie erwog alles und bewahrte es in ihrem Herzen. Auch die Hirten, einfache Menschen, die von Gott begünstigt worden waren, kehrten zurück und verherrlichten und lobten Ihn „für alles, was sie gehört und gesehen hatten, so wie es ihnen gesagt worden war“ (V. 20).