Behandelter Abschnitt Lk 2,1-7
Wir hatten den Vorläufer Jesu und die Ankündigung der Geburt Jesu. Nun beginnt dieses Kapitel jedoch mit einem Ereignis in der Vorsehung, das wir nirgendwo sonst in den Evangelien finden, und das doch eine Tatsache erklärt, die sowohl im ersten als auch im dritten Evangelium zu finden ist. Jesus wurde in Bethlehem geboren. Seine Eltern hatten die Gewohnheit, in Galiläa zu leben. Wie also, wenn der gewöhnliche Wohnsitz seiner Eltern in Nazareth war, das an einem Ende des Landes lag, konnte er in Bethlehem geboren werden, das fast am anderen Ende lag? „Es geschah aber in jenen Tagen, dass eine Verordnung vom Kaiser Augustus ausging, den ganzen Erdkreis einzuschreiben“ (V. 1). Kaiser Augustus war der damalige Kaiser Roms, dem letzten Reich des Menschen im Buch Daniel (Kap. 2 und 7). Sogar das Heilige Land war dieser kaiserlichen Macht unterworfen, und der Kaiser nutzte seine Macht und kennzeichnete sie dadurch, dass er die Anwesenheit jedes Menschen in seiner eigenen Stadt verlangte, als würde ihm alles gehören. Es war ein Zeugnis für die völlige Unterwerfung des „ganzes Erdkreises“ an ihn selbst, nicht an Christus. Dies wird in der Tat zu gegebener Zeit nach Gottes Willen die Frucht seiner eigenen Macht sein, wenn Jesus offenkundig erhöht und Gottes direkte Macht in seine Hände gelegt wird, der, da Er selbst eine göttliche Person und zugleich ein Mensch ist, alle Macht als Mensch ausüben wird, ohne jedoch die Rechte und die Autorität Gottes auch nur im geringsten zu schmälern, ja, sie herrlich vor der Welt darstellen wird, wie Er sie bereits vor Gott und im Glauben am Kreuz begründet hat.
Bei Kaiser Augustus aber war es ganz anders. Sogar das Volk Gottes wurde in Knechtschaft gehalten; und wunderbarerweise war die Mutter des Messias unter denen, ebenso wie sein gesetzmäßiger Vater, die dem Erlass des römischen Kaisers Gehorsam leisten mussten. Daher zogen sie zur Volkszählung in ihre eigene Stadt hinauf, die Stadt Davids, Bethlehem, wodurch sich die Prophezeiungen erfüllten. Und was es noch bemerkenswerter macht, ist das, was uns in nächsten Vers gesagt wird: „Die Einschreibung selbst geschah als erste, als Kyrenius Statthalter von Syrien war“ (V. 2). Sie wurde nicht zu der hier in Betracht gezogenen Zeit durchgeführt, wie vorgeschlagen, sondern so, dass ausreichend Zeit vorhanden war, dass die Eltern unseres Herrn von Nazareth in Galiläa nach Bethlehem reisen konnten, wodurch nicht die Volkszählung eines Menschen, sondern die Prophezeiung Gottes erfüllt wurde. Gott sorgte dafür, dass sie gerade dann erfüllt wurde, dass seine Absichten ausgeführt werden konnten. Erst einige Jahre danach war Kyrenius Statthalter von Syrien. Dann wurde es vollständig umgesetzt, aber in der Zwischenzeit gingen alle hinauf, um sich registrieren zu lassen, jeder in seine eigene Stadt.
Es ging aber auch Joseph von Galiläa aus der Stadt Nazareth hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Bethlehem heißt, weil er aus dem, Haus und der Familie Davids war, um sich einschreiben zu lassen mit Maria, seiner verlobten Frau, die schwanger war (V. 4.5). Von dem Zeitpunkt an, wenn eine Frau unter den Juden verlobt war, wurde sie rechtlich als die Frau dessen betrachtet, mit dem sie verlobt war. So stammte der Herr, obwohl Er wirklich der Sohn seiner Mutter Maria war, rechtlich gesehen von Joseph ab; und sowohl Joseph als auch Maria stammten von der königlichen Linie ab. Der Herr Jesus repräsentierte also David auf beiden Seiten. Doch wie das Gesetz es verlangte, war Er auf der rechtlichen Seite der Nachkomme Salomos. Denn wie unzweifelhaft Er auch der Sohn Marias gewesen sein mochte, der vom Stamm Nathans abstammte, so konnte Er doch nach dem Gesetz nicht der Messias sein, solange es einen lebenden Vertreter des Zweiges Salomos gab. Aber der Herr, der sowohl der rechtlich anerkannte Sohn Josephs als auch das Kind Marias war, stammte in dieser Weise ab, dass Er in jeder erforderlichen Hinsicht der „Sohn Davids“, der Messias, war. Ich sage dies ganz unabhängig von seiner göttlichen Herrlichkeit, die aus anderen und viel tieferen Gründen erforderlich wurde. „Es geschah aber, als sie dort waren, dass die Tage erfüllt wurden, dass sie gebären sollte; und sie gebar ihren erstgeborenen Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Raum für sie war“ (V. 6.7). Lukas liebt es immer, moralische Züge darzustellen. So liegt in dem Umstand, dass Jesus in die Krippe gelegt wurde und nicht in der Herberge unterkam, eine für uns sehr lehrreiche Andeutung. In der Herberge gab es keinen Platz für sie. Der Herr der Herrlichkeit wurde, als Er in diese Welt geboren wurde, in die Krippe gelegt. Welch ein Bild für den Zustand der Welt! Es war kein Platz für Ihn, der Gott war, in der Welt! Die Menschenkinder fanden je nach ihren Möglichkeiten ihren Platz in der Herberge, wie es ihnen passte. Diejenigen, die Geld hatten, konnten einen Platz verlangen, der dem entsprach, was sie zu zahlen bereit waren. Die Eltern des Herrn aber waren in solcher Armut, dass sie in der Herberge völlig abgelehnt wurden, und der einzige Ort, an dem sie für das Kind eine Unterkunft finden konnten, war eine Krippe.
Aber das hinderte das Fließen der göttlichen Gnade ebenso wenig, wie es dem Unglauben die göttliche Herrlichkeit dessen verwehren konnte, der dort hineingelegt wurde. Der Unglaube empfängt niemals, dass der Herr des Himmels und der Erde unter solchen Umständen und von solchen Eltern geboren werden konnte. In der Tat, überhaupt geboren zu werden, wirklich ein Mensch zu sein, über alle anderen Menschen hinaus die Bitterkeit der Welt, die Verachtung und den Hass der Menschen und schließlich das Kreuz zu kennen – all das ist für den Unglauben ein absoluter Stolperstein. Aber das ist eben die Wahrheit Gottes, und die einzige Wahrheit, die wirklich Gott bekanntmacht und den Menschen befreit. Und diejenigen, die sie annehmen, sind die Einfältigen. Die Gnade macht sie zu solchen, besonders die Einfachen. Sie kann die Hochmütigsten einfältig machen, kein Zweifel; aber sie richtet sich in der Regel (und Lukas betont die Tatsache) besonders an die, die auf der Erde verachtet sind, wie Christus es war.