Behandelter Abschnitt Mk 2,23-28
Hier wird die Begebenheit des ersten Sabbattages berichtet, die sich tatsächlich genau zu dieser Zeit ereignete; denn wir müssen uns stets vor Augen halten, dass Markus den Faden der Geschichte weiterführt. Unser Herr deutet den Bruch an, der mit dem Judentum stattfinden würde, und die Einführung des neuen Charakters und der Macht des Reiches Gottes. Nun ist das immer eine sehr ernste Wahrheit, aber für Israel war sie besonders ernst. Was verwirrt einen gottesfürchtigen Menschen mehr als der bloße Gedanke, dass Gott seine Haltung ändern könnte? Welche Schwierigkeit ist größer als der Gedanke, dass Gott sozusagen ungesagt oder ungeschehen machen könnte, was Er vorher festgelegt hat? Und ich denke, wir sollten sehr behutsam mit Menschen umgehen, bei denen wir eine gottesfürchtige Eifersucht in dieser Hinsicht feststellen, auch wenn sie unwissend und nicht ohne Vorurteil sind. Aber dennoch war es eine offensichtliche Tatsache, dass das, was Gott zu einem bestimmten Zweck in Israel einführte, niemals vollständig seine eigenen Gedanken widerspiegelte. Die ewige Wahrheit, die die Wolken des Judentums durchbrach, leuchtete in der Person Christi auf und wird nun durch das Wirken des Geistes in den Kindern Gottes sowohl in der Erfahrung als auch im Glauben bestätigt.
Mit einem Wort: Es war nie die Absicht Gottes, sich in Verbindung mit den Juden zu offenbaren und seine ganze Absicht zum Vorschein zu bringen, sondern mit der Versammlung. Das Christentum, und nicht das Judentum, ist der volle Ausdruck der Gedanken Gottes. Christus selbst ist, genau genommen, das Bild des unsichtbaren Gottes, und das Christentum ist das praktische, gegenwärtige Ergebnis. Es ist die Anwendung des Lebens, der Gesinnung und der Zuneigung Christi auf das Herz und den Lebenswandel derer, die zu Gott gebracht werden; und dies, gegründet auf sein Werk und entsprechend seinem Platz im Himmel durch den herabgesandten Geist. Während des ganzen jüdischen Systems, wie auch davor, gab es Menschen, die auf Christus warteten, und die einzigen Personen, die Gott im jüdischen System jemals geehrt haben, waren die, die durch den Glauben über diesem System standen. Sie waren es, die allein in den verschiedenen Verordnungen des Gesetzes untadelig wandelten und auf den Messias warteten. Es war diese vom Geist Gottes gegebene Erwartung, die sie über die irdischen Gedanken, die kriecherischen Begierden, die Selbstsucht der Natur erhob. Sie erhob sie über sich selbst, wenn man so sagen darf, wie auch über ihre Mitmenschen, denn in Christus ist immer göttliche Kraft vorhanden; und obwohl sie sich nach dem Kommen Christi viel stärker zeigte, so gibt es doch, wie man vor dem Aufgang der Sonne so etwas wie die Morgendämmerung und Streifen sehen kann, die den kommenden Tag ankündigen, so auch die, die durch den Glauben an Christus über die bloßen vorübergehenden Schatten hinausblickten, die der Religiosität der Natur entsprachen und sie befriedigten – jene, die Gott nur in den äußeren Ordnungen Israels ehrten.
Es ist das gleiche Prinzip wie damals, aber in einer umfassenderen Weise, denn nichts ist sicherer, als dass die Gerechtigkeit des Gesetzes in dem Heiligen Gottes, im Christen, erfüllt wird. Aber wie wird sie erfüllt? Niemals nur durch das Bestreben, das Gesetz zu halten. Sie wurde nie auf diese Weise erfüllt und kann auch nicht erfüllt werden. Tatsächlich waren, wie wir wissen, die Männer, die so eifersüchtig auf das Gesetz waren, selbst die größten und bittersten Feinde des Herrn Jesus. Wir wissen, dass es fleischlicher Stolz auf das Gesetz war, der sie in dem Wahn verblendete, dass sogar unser gepriesener Herr selbst es nicht ausreichend ehrte. Wir können leicht erkennen, dass Paulus derselbe Vorwurf gemacht wurde; und auch Stephanus wurde wegen dieses furchtbaren und verhängnisvollen Irrtums zu Tode gesteinigt. Damit wir es als einen festen Punkt festlegen können, dass die Männer, die die Verordnungen oder die äußeren Vorschriften Gottes an die Stelle Gottes und Christi selbst setzen, Männer sind, die es niemals halten; so wie Stephanus den Juden sagte, dass sie das Gesetz durch die Anordnung von Engeln empfangen und es nicht hielten. Das waren die Männer, die am lautesten darüber sprachen zu denen, die wirklich Gott in diesem Gesetz und im Glauben an den Messias ehrten.
Nimm jeden Gläubigen – ich sage nicht bei jeder Gelegenheit, denn es besteht leider die Gefahr, dass unsere eigene Natur wirkt, und diese Natur glaubt weder an Jesus noch hält sie das Gesetz, sondern ist eine gesetzesbrechende, Christus verleugnende Sache: Das Fleisch ist Feindschaft gegen Gott selbst, und die Natur, die auf ihre eigene Weise wirkt, entehrt Gott immer – aber nimm den Gläubigen, nicht wenn er seiner eigenen verdorbenen Natur nachgibt; nimm ihn, wo wir sozusagen in Wahrheit allein mit Recht einen Gläubigen als solchen betrachten können, in der Ausübung seines Glaubens, in der Offenbarung des neuen Lebens, das die Gnade Gottes ihm gegeben hat, und was ist der Charakter dieses Lebens? Es klammert sich an Gott, es erfreut sich an seinem Wort, es liebt seinen Willen, es wird von allem angezogen, was Ihn offenbart. Alles beweist, dass der Gläubige Gott im Herzen und in der Seele liebt, Ihn mehr liebt als sich selbst – denn er hasst sich selbst und ist bereit, seine eigene Torheit, sein häufiges und beschämendes Versagen einzugestehen, gerade soweit der Glaube wirkt, während er Gott zu rechtfertigen sucht und an Ihm festhält und sich freut, Ihn bekanntzumachen.
Wie kommt das? Es ist das göttliche Lebensprinzip, die Energie des Geistes Gottes, die in dem neuen Menschen wirkt, der sich an allem erfreut, was aus Gott hervorkommt und Ihn zeigt, und es ist die Ausübung der neuen Natur, die wir von Gott erhalten haben. Der Gläubige wandelt, gerade in dem Maß, wie er Christus vor sich hat, im Geist nach dem Willen Gottes. Wenn er Christus nicht vor sich hat, ist es, als ob er keine neue Natur hätte. Das Leben ist da, aber es ist nur Christus, der es aufrechterhält und offenbart und hervorbringt, indem Er ihm seine volle Ausübung und seinen Umfang gibt. Das Herz des Gläubigen wendet sich dem Elend zu – ja, den armen, schuldigen Sündern. Das Fleisch verachtet und hasst oder ist gleichgültig; aber die neue Natur geht in der Kraft des Geistes hinaus in Mitleid und Verlangen nach dem Segen des anderen. Da, sage ich, ist wieder Liebe; und so hast du die beiden großen moralischen Prinzipien, die Liebe zu Gott und die Liebe zu den Menschen. Der Gläubige, und der Gläubige allein, wandelt darin. Wenn er Christus vor Augen hat, hat er sie in seinem Herzen, und der Heilige Geist stärkt ihn, entsprechend zu wandeln. So wird die Gerechtigkeit des Gesetzes in denen erfüllt, die nach dem Geist wandeln. Der Geist Gottes ist darauf bedacht zu zeigen, dass sie in denen erfüllt wird, die nach dem Geist wandeln, nicht in denen, die nur für das Gesetz einstehen.
Nimm den Juden, dem das Gesetz gegeben wurde. Zeigt er wahre Liebe? Ich sage nicht, dass es nicht einige aufrichtige Menschen gibt, die ein natürliches Wohlwollen besitzen. Die Frage ist nun die nach der Offenbarung der aktiven Liebe zu Gott und den Menschen. Wenn der Mensch nur das Gesetz vor Augen hat, was dann? Der Jude selbst ist das auffälligste Beispiel und der Beweis dafür, dass das Fleisch zu nichts taugt; er ist auf seine eigenen Dinge in dieser Welt ausgerichtet, begehrt überall einen Platz, liebt das Geld und so weiter, darin sind wir alle von Natur aus schuldig. Zweifellos ist dies der Fall bei dem unbekehrten Israeliten oder dem nur bekennenden Christen, in dem der Heilige Geist nicht wirkt. Solange Christus, entweder als Gegenstand der Hoffnung, bevor Er kam, oder jetzt, da Er als Gegenstand des Glaubens gekommen ist, nicht vor dem Herzen ist, gibt es keine Realität, noch kann es eine geben, weil das Fleisch eine üble und hassende Sache ist. Solange ein Mensch keine neue Natur hat, die sich von seiner eigenen unterscheidet und über ihr steht, gibt es niemals wahre – das heißt göttliche – Liebe.
Das einzige Mittel, um das Gesetz zu erfüllen, besteht darin, dass wir Christus vor uns haben und Anteil haben an Ihm durch den Glauben. Daher kam es, dass Henoch und Noah und die Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob, die nie etwas vom Gesetz gehört hatten, dennoch Gott gehorchten und Ihm wohlgefielen. Waren sie nicht heilige und gottesfürchtige Menschen? Gewiss waren sie das. Was brachte sie dazu? Der Glaube an den Nachkommen der Frau, den verheißenen Sohn, den Messias. Als dann das Gesetz gegeben wurde, was war es, das Mose und Aaron zu Heiligen des Herrn machte? Das Gesetz? Niemals. Es war Christus und Ihn vor sich zu haben. Nicht, dass Gottes Gesetz nicht geschätzt wurde, aber was sie befähigte, sich am Ausdruck der Gedanken Gottes zu erfreuen – wie auch immer –, bestand darin, dass sie Gottes gesegnete Verheißung des kommenden Erlösers, des verwandten Erlösers, erwarteten und daran glaubten. Und nun ist Er gekommen, der uns von Zorn und Gericht befreit hat, und Er befreit uns in dem Maß, wie wir Ihn vor Augen haben und nicht uns selbst und die Welt mit ihrer Verderbnis und Gewalt jeder Art. Wenn ein Gläubiger Christus aus den Augen verliert, was ist dann die Wirkung? Er zeigt den Stolz, die Eitelkeit, die Torheit, die Bosheit des alten Menschen. Es ist natürlich nicht das, was ihm als Gläubigem eigen ist, sondern das, was ihm als Mensch gehörte, bevor er glaubte. Dem Selbst wird erlaubt, sich zu behaupten und seine eigenen hasserfüllten Farben zu zeigen, wenn Christus nicht der eine Maßstab und der ist, der das das Auge und das Herz erfüllt.
Nun bringt unser Herr gerade zu dieser Zeit in seinen gezielten Handlungen, die mit dem Sabbat verbunden sind, eine Illustration dessen, was vor uns war, und ich benutze diese Gelegenheit, um ein wenig praktisch und auch lehrmäßig darauf einzugehen und die Unterweisung für uns selbst zu suchen, die der Herr uns in diesen Ereignissen gibt. Es ist wahr, dass das erste und primäre Ziel darin bestand, das auszufüllen, was Er bereits dargelegt hatte. Ein neues Stück auf ein altes Kleidungsstück zu nähen, würde den Riss nur verschlimmern; so würde man, wenn man neuen Wein in alte Schläuche gießt, nur riskieren, sowohl den Wein als auch die Schläuche zu verderben. Der Versuch, die neuen Formen und den Geist des Reiches Gottes mit den alten Wegen des Judentums zu vermischen, würde nur dazu führen, weder das Judentum zu heilen noch das Christentum zu bewahren, sondern beide würden verderben. Und genau das war das Problem in der Geschichte der Christenheit. Das offensichtliche Versagen des äußeren christlichen Bekenntnisses ist der praktische Beweis für diese Wahrheit. Was Satan anstrebte, war, die alten jüdischen Ordnungen mit der christlichen Wahrheit zu vermischen, und das Ergebnis ist eine so schmerzhafte Verwirrung, dass das Licht der Wahrheit und die Gnade Gottes völlig verdunkelt wurden – eine so vollständige Vermischung, dass einfache Menschen verwirrt sind, zu ihrem großen Verlust und Schaden. Man kann in einem solchen Zustand den Unterschied zwischen Gnade und Gesetz nicht erkennen, und was es bedeutet, mit dem Namen Christi in Verbindung gebracht zu werden. All diese Dinge sind vor ihnen verschwommen, und daraus folgt Unsicherheit der Menschen und Ohnmacht in der praktischen Verherrlichung Gottes. Unser Herr behandelt dieses weiter durch die Belehrung über den Sabbat.
Und es geschah, dass er am Sabbat durch die Kornfelder ging; und seine Jünger fingen an, im Gehen die Ähren abzupflücken. Und die Pharisäer sprachen zu ihm: Siehe, warum tun sie am Sabbat, was nicht erlaubt ist? (2,23.24).
Nun, es ist klar, dass es kein Gesetz Gottes gegen diesen Fall gab. Der Tadel war ein eigenes Gesetz und eine Vorstellung der Menschen, die auf eine äußere Tatsache schaut und ein System daraus macht – eine ständige Gefahr für den Menschen. Es ist ganz richtig, dass Gott am Sabbattag Ruhe für Mensch und Tier verordnet hatte, aber es gab keinerlei Grund aus dem Gesetz Gottes, einem hungrigen Mann, der durch ein Feld ging, zu verbieten, die Ähren zu pflücken, um seine Not zu stillen – nein, es entsprach durchaus der Wohltätigkeit Gottes, aus dem Überfluss seines Volkes für solch dringende Not zu sorgen. In Israel gab es eine bemerkenswerte Fürsorge für die Fremden, die Verarmten und die Leidenden. Die Armen im Land durften in der Freude der Ernte nicht vergessen werden, und eine ausdrückliche Anordnung Gottes verbot es, die Ränder des Feldes abzuernten. Aber wie kam es dazu, dass es hungrige Israeliten gab, die so durch ein Kornfeld zogen? Und wenn ein solcher Mangel bestand, war es dann Gott oder sein Feind, der den Sabbat zu einem eisernen Schraubstock machte, um die Traurigen nach dem Willen herzloser Religiöser zu quälen? So kam es, dass die Pharisäer in ihrem vorgeblichen Wunsch, Gott einerseits zu ehren, andererseits ihre völlige Unkenntnis seines Herzens und Charakters zeigten, der die Fülle der Barmherzigkeit gegenüber der Not und dem Elend zeigte; alles wurde durch die elenden Überlieferungen beiseitegeschoben, die der Mensch dem Willen Gottes hinzufügte. Aber es gab jemanden auf der Erde, der sofort die Hand des Fälschers erkannte, der sich anmaßte, sich in das erste Testament einzumischen. Der Herr tritt für die Schuldlosen ein: