Behandelter Abschnitt Mt 4,18-19
Danach finden wir, wie der Herr mit einem Mann umgeht, der von einem Teufel besessen war. Das ist das erste Wunder, das hier beschrieben wird. Erst im nächsten Kapitel finden wir unseren Herrn, wie er Simon Petrus, Andreas und die anderen beruft, damit sie Ihm folgen; und das alles wird mit der größtmöglichen Sorgfalt berichtet. Sofort fällt uns der Unterschied auf.
Als er aber am See von Galiläa entlangging, sah er zwei Brüder: Simon, genannt Petrus, und Andreas, seinen Bruder, die ein Netz in den See warfen, denn sie waren Fischer. Und er spricht zu ihnen: Kommt, folgt mir nach, und ich werde euch zu Menschenfischern machen (4,18.19).
Wenn wir nun zu Matthäus zurückkehren, finden wir weder ein Wort über Nazareth noch die Austreibung eines Teufels aus einem Besessenen. Wir finden einfach nur, dass unser Herr, als Er zu predigen begann, am See von Galiläa entlangging und Simon Petrus und Andreas, seinen Bruder zu Jüngern berief. Der Bericht ist sehr knappgehalten. Die Einzelheiten finden wir hier nicht, doch wir finden sie bei Lukas. Deshalb nehme ich an, dass sein Evangelium besonders dasjenige ist, in dem wir die moralische Analyse des menschlichen Herzens sehen. Es gibt zwei Dinge, die bei Lukas besonders hervorgehoben werden: (1) was Gottes Herz dem Menschen gegenüber ist und (2) was das Herz des Menschen von Natur aus Gott gegenüber ist und außerdem, was er durch die Gnade Gottes wird.
Nimm beispielsweise das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Haben wir da nicht die Gnade Gottes und die Bosheit des Herzens des Menschen völlig entfaltet? Das erkennt man daran, wie er zu sich selbst kommt und seine Verlorenheit sieht angesichts der Güte Gottes ihm gegenüber? Das kennzeichnet gerade das Lukasevangelium, die Summe und den Inhalt des ganzen Buches. Das ist ein Grund, warum wir die Erfahrung des Petrus hier finden, als er zum ersten Mal zum Dienst berufen wurde. Wie begegnete der Herr da seinen Ängsten! Auch stattete Er ihn dazu aus, ein Menschenfischer zu werden. Petrus wird dort zu einer herausragenden Person gemacht: Solch eine Erfahrung ist wertlos, außer in einem Individuum. Erfahrung muss eine Sache zwischen einem Menschen und Christus sein; in dem Moment, in dem sie vage wird oder öffentlich bekannt wird, ist alles vorbei. Sie wird dann vielmehr eine Schlinge für das Gewissen. Es besteht die Gefahr, dass wir wiederholen, was wir von anderen gehört haben, oder dass wir das behalten, was für unsere eigene Seele schlecht ist. Es muss eine Sache des persönlichen Gewissens gegenüber dem Herrn sein. Deshalb beschreibt uns Lukas einen einzelnen Menschen, den er herausgreift, und den minutiösen Bericht darüber, was er mit dem Herrn erlebt.
Das ist nicht der Punkt bei Matthäus. Dort ist es der verworfene Messias, der nun, nachdem sein Vorläufer ins Gefängnis geworfen wurde, sich bewusst ist, dass Ihm bald Schlimmeres als ein Gefängnis bevorsteht. Doch trotz alledem wird der Herr die Prophezeiungen erfüllen. Er erfüllt an dem am meisten verachteten Ort die Prophezeiung Jesajas, die das Gesetz voraussagte, das unter seinen Jüngern versiegelt war, gerade zu der Zeit, als der Herr sein Angesicht vor Israel verbarg. Nun will Er Personen haben, die geeignet sind, die Repräsentanten dieses gottesfürchtigen Überrestes in Israel zu sein. Deshalb beruft Er zuerst zwei Brüder, Simon, genannt Petrus, und Andreas, seinen Bruder. Es wäre ein Fehler, anzunehmen, dass dies die erste Bekanntschaft unseres Herrn mit ihnen war. Sie kannten den Herrn schon lange vorher. Woher wissen wir das? Johannes sagt es uns. Wenn du diesen Punkt untersuchst, wirst du feststellen, dass alle Begebenheiten in den ersten vier Kapiteln des Johannesevangeliums vor diesem Ereignis stattfanden. Die Umstände, die von unserem Herrn in Jerusalem, in Galiläa und sogar in Verbindung mit der Frau in Samaria berichtet werden, fanden alle statt, bevor Simon und Andreas von ihrer Arbeit weggerufen wurden. Um sie zu einem besonderen Dienst zu berufen, ist ein zweites Werk Christi nötig.
Es ist eine Sache für Christus, sich einem Menschen zu offenbaren. Es ist eine andere, diesen Menschen zu einem Menschenfischer zu machen. Es ist besonderer Glaube nötig, um auf die Seelen anderer einzuwirken. Der einfache rettende Glaube, der an Christus als Erretter glaubt, ist überhaupt nicht dasselbe wie das Begreifen des Rufes Christi, der jemand von allen natürlichen Dingen dieses Lebens wegführt, um sein Werk zu tun. Darum geht es hier. Der Herr beruft, während Er verworfen ist und bewirkt, dass diese vier Männer seine Stimme hören, und auch andere. Sie glaubten bereits an Ihn und hatten das ewige Leben. So gesegnet es auch ist, das ewige Leben zu haben, so kann ein Mensch zum guten Teil der Welt folgen und, indem er mit dem beschäftigt ist, was zu seiner eigenen Bequemlichkeit hier auf der Erde dient, ein Mitglied der menschlichen Gesellschaft bleiben. Viele, die gottesfürchtig sind, bleiben weiterhin mit der Welt verbunden.