Behandelter Abschnitt Mt 2,3-9
Das wird dadurch bestätigt, dass die Weisen zuerst den Stern im Osten gesehen hatten, und zwar höchstwahrscheinlich zur Zeit der Geburt unseres Herrn. Nachdem sie den Stern gesehen hatten, mussten sie natürlich viele Vorbereitungen treffen, bevor sie sich auf den Weg machen konnten, und dann eine lange Reise antreten; und das Reisen war in jenen Tagen eine harte und mühevolle Angelegenheit in den östlichen Teilen der Welt. Sogar als sie in Judäa ankamen, gingen sie zuerst nach Jerusalem hinauf, um sich dort zu erkundigen. All dies setzt notwendigerweise den Verlauf einer nicht geringen Zeitspanne voraus. Ihre Fragen werden von den Schriftgelehrten beantwortet. Als Herodes davon erfuhr, war er beunruhigt, und ganz Jerusalem mit ihm (V. 3). Er versammelte alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und verlangte von ihnen die Angabe, wo der Christus geboren werden sollte. Sie sagten ihm, in Bethlehem in Judäa, worauf er die Weisen rief und sie dorthin schickte (V. 4‒8). Dies alles geschah vor der Begebenheit ihrer Anbetung.
Sie aber zogen hin, als sie den König gehört hatten. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er kam und oben über dem Ort stehen blieb, wo das Kind war (2,9).
Wir brauchen uns das nicht so ausmalen, dass der Stern nach traditioneller Vorstellung den Weg vor ihnen nach Jerusalem zog. Sie sahen ihn im Osten und brachten den Anblick mit dem verheißenen Messias in Verbindung, denn zu dieser Zeit waren die Prophezeiungen über sein baldiges Erscheinen über einen beträchtlichen Teil der Welt verbreitet. Viele Heiden erwarteten Ihn, besonders im Osten. Und die größte und heftigste Ablehnung kam im Westen von solchen, die von solchen Hoffnungen wussten. Der letzte Mann, der im Osten als Prophet bekannt war, bevor die Heiden von Israel geschlagen wurden, war Bileam (4Mo 22‒24). Zweifellos war er ein böser Mann. Doch Gott benutzte ihn, um die bemerkenswertesten Vorhersagen über Israels kommende Herrlichkeit zu machen. Und eben jene Prophezeiung hatte mit einem Hinweis auf den Stern, der aus Jakob aufsteigen sollte, geendet.
Nachdem nun viele Hunderte von Jahren vergangen waren, waren die Spuren dieser Prophezeiung immer noch bei den Kindern des Ostens vorhanden. Es ist auch unwahrscheinlich, dass Daniels Prophezeiungen in Babylon, besonders die von den siebzig Wochen und so weiter, unbekannt waren, wenn man seine Stellung und die außergewöhnlichen Ereignisse seiner Zeit bedenkt. Wir können verstehen, dass diese Prophezeiungen nicht nur von den Kindern Israels aufbewahrt wurden, sondern dass sich das Wissen darüber verbreitete, besonders in jenen Ländern. Vieles von seinen Prophezeiungen wurde vielleicht nicht klar verstanden, dennoch erwarteten sie eine hohe Persönlichkeit, die sich erheben würde ‒ ein Stern aus Jakob und ein Zepter aus Israel.
Als diese Fremden also den Stern sahen, machten sie sich auf den Weg zu seiner traditionellen Hauptstadt, Jerusalem. Es ist klar, dass der Stern eine Art von Meteor war. Da er im Osten leuchtete, brachten sie die Tatsache dieser bemerkenswerten Erscheinung mit den Erwartungen des kommenden Königs in Verbindung. Das umso mehr, da die Menschen im Osten große Himmelsbeobachter waren und deshalb jede ungewöhnliche Erscheinung mit großer Anteilnahme verfolgten. Sie mag sie an die Prophezeiung von Bileam erinnert haben. Sicher ist, dass sie bald nach Jerusalem aufbrachen, wo der allgemeine Bericht unter den Heiden behauptete, dass der große König herrschen würde.
Dort angekommen, begegnet ihnen Gott. Und es ist bemerkenswert, wie Er das tut. Es geschieht durch sein Wort, und sein Wort wird von denen ausgelegt, die nicht das geringste Interesse an dem Messias hatten. Sie hatten mit ihrer Deutung völlig recht, sie wussten, wo der Messias geboren werden sollte. Die Magier dachten wahrscheinlich, dass Jerusalem der Ort wäre. Doch die Schriftgelehrten sagten ihnen, dass Bethlehem der vorhergesagte Geburtsort sei. Ach, gerade die Männer, die so treffend antworten konnten, bestätigten die allgemeine Tatsache, dass es möglich ist, ein gewisses Maß an klarer Kenntnis der Schrift zu haben und gleichzeitig keine Liebe zu dem zu haben, von dem alles zeugt! Was die Magier betrifft, so waren sie zwar unwissend, und obwohl sie in Bezug auf andere Dinge im Dunkeln tappten, war ihr Wunsch doch echt, und Gott setzte sich über alles hinweg.
Gott sandte durch diese Heiden tatsächlich ein Zeugnis nach Jerusalem über die Geburt des Messias. Gott wusste, wie Er dies erreichen und durch ihr Zeugnis die zurechtweisen konnte, die vor allem nach ihrem eigenen Messias hätten Ausschau halten und ihn empfangen sollen. Wenn es eine Königin gab, die aus den entferntesten Teilen der Erde kam, um König Salomo zu sehen und seine Weisheit zu hören, der ein Vorbild von Christus war, ähnlich war es auch jetzt. Der Heilige Geist wirkte an und für diese Fremden aus fernem Land, um sie in die Gegenwart des wahren Königs zu bringen. Die Schriftgelehrten konnten die Fragen beantworten, aber sie hatten kein Interesse am Messias, doch diese Weisen kamen um seinetwegen. Daran erkennt man sofort den schrecklichen Zustand, in dem sich Jerusalem befand. Die Nachricht, dass der König Gottes geboren war, hatte zur Folge, dass sie, anstatt den Verheißenen zu suchen und von Freude erfüllt zu sein, von jemandem hören, den sie nicht gesucht hatten, alle beunruhigt waren, beim König angefangen bis zum Letzten. Ganz besonders sind es, wie wir hier erfahren, die Hohenpriester und Schriftgelehrten, deren Zustand die völlige Herzlosigkeit des Volkes demonstrierten. Sie hatten genug religiöses Wissen, sie hatten den Schlüssel in der Hand, aber sie hatten kein Herz, um hineinzugehen.
Dann rief Herodes die Magier heimlich zu sich und erfragte von ihnen genau die Zeit der Erscheinung des Sternes (2,7).
Ich möchte unsere Aufmerksamkeit darauf lenken, weil es das bestätigt, was ich soeben sagte. Nachdem der König sich genau bei den Magiern erkundigt hatte, dass er Überlegungen anstellte, zu welcher Zeit das Kind geboren worden sein musste. Als sie sich, von Gott gewarnt, zurückgezogen hatten, anstatt zu Herodes zurückzukehren, erteile er den grausamen Befehl, die Kinder in Bethlehem und in der ganzen Umgebung „von zwei Jahren und darunter“ zu töten (V. 16). Er schloss daraus natürlich, dass zwischen der Geburt Christi und der Erteilung seines bösen Befehls eine beträchtliche Zeitspanne vergangen war.
Wenn wir uns dem Lukasevangelium zuwenden, werden wir sehen, wie wichtig das ist. Dort wird unser Herr, so wie Matthäus zeigt, in der Stadt Davids geboren; aber wir erfahren hier die Umstände, die dies begründen, denn Bethlehem war nicht der Ort, an dem Maria und Joseph gewöhnlich wohnten. Es war ein Dorf, zu dem sie sich aufgrund des Befehls des römischen Kaisers begaben, der eine Verordnung erlassen hatte, dass alle Welt eingeschrieben werden sollte. Da sie aus der königlichen Familie der Juden stammten, gingen sie nach Bethlehem, der Stadt Davids. So brachte Gott die Erfüllung der Prophezeiung Michas durch den Erlass von Kaiser Augustus in Erfüllung. Nichts lag den Römern ferner als das Ergebnis, das sein Erlass bewirken sollte – die Geburt des Messias an dem Ort, an dem die Prophezeiung es forderte. Es scheint, dass die Volkszählung damals nicht durchgeführt, sondern begonnen und dann für einige Zeit unterbrochen wurde, denn in Lukas 2,2 heißt es: „Diese Einschreibung selbst geschah als erste, als Kyrenius Statthalter von Syrien war“ (V. 2).
Das war also mehrere Jahre später. Die Menschen, die das nicht verstehen, haben daraus geschlossen, dass Lukas einen Fehler gemacht habe. Sie wussten, dass Kyrenius’ Regierung von Syrien nach der Geburt Christi lag, und schlossen daraus vorschnell, dass unser Evangelist unter dem Eindruck stand, dass der Aufbruch Josephs und Maria nach Bethlehem in seiner Zeit stattfand.
Doch ich denke, dass sie es sind, die sich irren, nicht Lukas. Die Verordnung des Kaisers Augustus trat erst zu dieser Zeit in vollem Umfang in Kraft und Wirkung. Es wurde gerade ausgeführt, als der Befehl zur Einschreibung gegeben wurde, um Joseph und Maria zu veranlassen, in die Stadt ihrer Abstammung hinaufzugehen. Das war genug, damit war das Ziel Gottes erreicht.
Joseph und Maria gingen dorthin, und während sie dort waren, erfüllten sich ihre Tage, und sie brachte ihren erstgeborenen Sohn zur Welt und „wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe“ (Lk 2,7). Hier haben wir eine völlig andere Begebenheit als bei Matthäus, obwohl auch diese in Bethlehem stattfand. Aller Wahrscheinlichkeit nach statteten sie dem Ort mehr als einen Besuch ab. Es war nicht weit von Jerusalem entfernt, und wir wissen, dass sie jedes Jahr zum Passahfest dorthin gingen. Ich sehe keinen Grund, daran zu zweifeln, dass der Besuch der Magier bei einem anderen Besuch der Eltern in Bethlehem stattfand.
Beachte, wie sich die Umstände, die Matthäus berichtet, sich von denen bei Lukas unterscheiden.