Behandelter Abschnitt Sach 14,1-2
Schließlich zeigt uns dieses Kapitel, wie all dies zustandekommt. „Siehe, ein Tag kommt für den Herrn, da wird deine Beute in deiner Mitte verteilt werden. Und ich werde alle Nationen nach Jerusalem zum Krieg versammeln; und die Stadt wird eingenommen und die Häuser werden geplündert und die Frauen vergewaltigt werden; und die Hälfte der Stadt wird in die Gefangenschaft ausziehen, aber das übrige Volk wird nicht aus der Stadt ausgerottet werden“ (V. 1.2). Es ist ein wahrhaft einzigartiger Zustand der Dinge. Die Belagerung hat stattgefunden, mit dem König des Nordens an der Spitze all dieser Nationen. Es ist eindeutig nicht das Tier, das statt Jerusalem zu belagern, den falschen Propheten mit aller Macht unterstützt, und dieser ist „der König“, der in Jerusalem regiert, den „die Vielen“ als den Messias und den Herrn Israels annehmen. Der König des Nordens ist ein äußerer Feind, der an der Spitze aller Nationen des Ostens Jerusalem angreift. Wir müssen uns immer vor Augen halten, dass der Mensch der Sünde oder der Antichrist im Innern Jerusalems ist; es wird nirgends gesagt, dass er es belagert, denn es ist ihm als „dem König“ untertan. Mit ihm machen das Tier und seine zehn Könige gemeinsame Sache. Der Assyrer oder „König des Nordens“ steht an der Spitze aller widerstreitenden äußeren Nationen.
Dies ist ein wichtiger und beachtenswerter Punkt, der dazu beiträgt, den allgemeinen Umriss deutlich zu machen. Der Mensch der Sünde, der Antichrist, wird von den Juden als der Messias akzeptiert, und er wird mit den höchsten Ansprüchen auf das Land herrschen. Dennoch hasst er und wird vom König des Nordens gehasst, der seinen Untergang und die Einnahme Jerusalems anstreben wird. Zwei böse Fürsten mögen einander bitterlich hassen, weil jeder von ihnen nach der Herrschaft strebt. So ist der Mensch der Sünde nicht nur der gesetzlose Feind Gottes, sondern auch dem ehrgeizigen Führer der östlichen Mächte, nämlich dem Assyrer, verhasst, der dann als Vertreter dessen auftreten wird, was man die alte heidnische Politik nennen kann, wie auch des modernen russischen Empfindens. Russland wird sich in der Tat bis zuletzt den Westmächten entgegenstellen. So wird auch durch das eindeutige Gericht Gottes (Hes 38 und 39) zu einer anderen Zeit und auf eine etwas andere Weise als die antichristliche Koalition vernichtet werden.5 Zwischen ihnen gibt es nichts zu wählen. Die Westmächte haben keinen Grund, sich über Russland zu rühmen, es sei denn, dass sie offener abtrünnig und verwegener sein werden, denn auch sie werden zuerst vernichtet werden. Aber der Untergang des Assyrers wird dem des Tieres und des falschen Propheten im Wesentlichen ähnlich sein; das Tier und der falsche Prophet werden nämlich lebendig in den Feuersee geworfen werden, ebenso wird es dem Assyrer etwas später ergehen.
Jesaja 30,33 offenbart, dass für den Assyrer ebenso wie für den König – den Anti-Messias – das Tophet vorbereitet werden ist: „Auch für den König ist sie bereitet“. Doch der Assyrer wird lebendig in den Feuersee geworfen werden, nicht weniger als das Tier und der falsche Prophet, Letzterer ist der Antichrist. Der Herr Jesus wird bei beiden Gelegenheiten erscheinen und die Führung übernehmen, zuerst vom Himmel aus, indem er mit dem Tier und dem falschen Propheten handelt, dann auf der Erde und jetzt als König Israels, allerdings in einer unendlich herrlichen Weise, indem Er den Assyrer an der Spitze aller vereinigten Nationen, die nicht mit dem Tier vernichtet wurden, beseitigt.
Es ist zu hoffen, dass diese Unterscheidungen der Schrift den Gläubigen helfen und sie nicht verwirren; denn es braucht kaum gesagt zu werden, dass es darum geht, die Hauptschwierigkeiten zu lösen, durch die die meisten Studenten des prophetischen Wortes irritiert werden. Gleichzeitig ist es durchaus möglich, dass die, für die das Thema neu ist oder die es noch nicht reiflich erwogen haben, anfangs Schwierigkeiten angedeutet oder vergrößert finden, was notwendigerweise bei jedem unbetretenen und abwechslungsreichen Gebiet der Fall ist. Aber ich bin überzeugt, dass die wahre Linie der Dinge aufgezeigt worden ist. Denn wenn auch die Schwierigkeiten zunächst dadurch vergrößert werden, dass man die Aufmerksamkeit auf die verschiedenen Akteure in den Ereignissen lenkt, die zum Schaden der Wahrheit, zur Verdunkelung der Fragenden und zur Stärkung der Widersprechenden zu oft verwechselt werden, so wird doch das Ergebnis sein, dass die verschiedenen Personen und Handlungen der Prophetie auf lange Sicht im Gedächtnis aller, die diesen großen und bedeutsamen Teil des göttlichen Wortes mit Sorgfalt untersuchen, geklärt und festgelegt werden.
Man beachte auch, dass der Assyrer mit allen Völkern, die ihn als Führer anerkennen, Jerusalem belagert, und dass die Belagerung teilweise erfolgreich ist, denn die Hälfte der Stadt wird eingenommen. So etwas hat es seit den Tagen Sacharjas nicht mehr gegeben; noch weniger ähnelt etwas in der Geschichte dem, was folgt, wie wir gleich sehen werden. Es war nicht so, als Ptolemäus Soter die Stadt um 320 v. Chr. einnahm, auch nicht, als Antiochus der Große sie 203 v. Chr. einnahm, auch nicht 199 v. Chr., als der ägyptische General Skopus sie erneut einnahm, auch nicht im folgenden Jahr, als sie Antiochus unterlag, und auch nicht, als sie 170 v. Chr. von Antiochus Epiphanes geplündert wurde, noch zwei Jahre später unter den furchtbaren Anstrengungen seiner Armee unter Apollonius, die Stadt und das Volk zu zerstören, noch danach, als sein Abgesandter Athenaeus das Heiligtum entweihte und das Heidentum einführte, mit der größten Verachtung für das Gesetz, worauf die Heldentaten der Makkabäer folgten, wobei das Ergebnis unter Simon war, dass der Fremde vor 142 v. Chr. vertrieben und Acra zerstört wurde, wie allgemein bekannt ist. Unter Johannes Hyrkanus war der syrische König Antiochus Sidetes gezwungen, die Belagerung aufzugeben. Abgesehen von internen oder familiären Streitigkeiten, die keine Ähnlichkeit haben, und dem Eingreifen von Aretas, ist es unmöglich, die Einnahme des Tempels durch Pompejus (63 v. Chr.), die Plünderung der Stadt durch Crassus (54 v. Chr.) oder die parthische Überraschung (40 v. Chr.) mit der Prophezeiung zu identifizieren. Die Belagerung durch Herodes war vielleicht ähnlicher, aber im Wesentlichen anders, wie wir nach und nach sehen werden. Weder die endgültige Zerstörung durch Titus noch der Einzug von Bar-Kochba unter Hadrian bedürfen längerer Erklärungen, da sie offensichtlich anders sind. Nichts seitdem hat auch nur die geringste Ähnlichkeit mit der Prophezeiung in diesem Kapitel.
Wie irgendein vernünftiger Mensch es wagen kann, zu sagen, wie es viele getan haben, dass die Anfangsverse die vergangene Zerstörung Jerusalems durch die Römer beschreiben, ist ein echtes Wunder. Abgesehen vom „Tag des Herrn“, der zweifellos in seiner Vorsehung als Vorbote der großen Erfüllung gelten mag, war das eine Versammlung aller Nationen? Stimmt es denn, dass die Hälfte des Volkes in die Gefangenschaft ging, und dass der Rest nicht aus der Stadt ausgerottet wurde? Es ist auch vergeblich, Vers 3 mit solchen Worten wie „die römische Macht war ihrerseits dem Untergang geweiht“ zu beschönigen. Denn was der Prophet andeutet, ist ein schneller und furchtbarer Umsturz, nicht im Lauf von Jahrhunderten und anderswo, sondern als Teil derselben Reihe von Ereignissen und in der Nähe durch eine besondere Darstellung der göttlichen Macht und Herrlichkeit zugunsten der Juden, und zwar bei den letzten Ereignissen. Dies wird durch die Spaltung des Ölbergs nach Osten und nach Westen in ein sehr großes Tal bezeugt, das halb nach Norden und halb nach Süden zurückweicht. Eine so sorgfältig formulierte geographische Aussage in ein poetisches Bild aufzulösen und daraus nicht mehr abzuleiten, als dass die Jünger bei Ausbruch des jüdischen Krieges mit Rom nach Pella flohen, wie Eusebius uns berichtet, läuft Gefahr, die Propheten in den Rang von viel zu protzigen Träumern zu degradieren. Aber die nüchterne Tatsache ist, dass die Anwendung dieses Kapitels in der Dem. Evang. 6,18 ein ebenso düsteres Exemplar von Schriftzwang ist wie alles, was sich der Verstand eines Rationalisten ausdenkt. Es gibt diesen einzigen Unterschied zwischen den beiden, dass Eusebius es gut mit der Bibel meinte, was bei denen, die sich auf „die höhere Kritik“ berufen, nicht der Fall ist. Aber als Entfaltung des göttlichen Wortes sind sie gleichermaßen irreführend und ich muss sagen verachtenswert. Er interpretiert das Kapitel vom ersten Kommen des Heilands und von der Zerstörung Jerusalems durch Titus. Die Veränderung der Umstände für die bekennenden Christen unter Konstantin scheint einen Kopf, der sich nie der Schmach des Kreuzes rühmte, verdreht und zu einer solchen Fehlinterpretation geführt zu haben.
5 Wenn Gog nicht mit dem Assyrer identifiziert wird, gibt es keine Andeutung, dass Ersterer lebendig ins Tophet geworfen wird, so wie Letzterer.↩︎