Behandelter Abschnitt Sach 12,1-6
Nun folgt der letzte Ausspruch des Propheten, der die Vollendung in besonderer Weise beschreibt. Doch darauf beschränkt sich die Schilderung nicht allein, sondern der Prophet webt noch einmal eine schöne Anspielung auf Christus als den leidenden Menschen hinein. Wir werden zwar mit dem vorliegenden Thema beschäftigt, allerdings finden wir keine Einzelheiten. Beachte hier, dass das ganze Volk nun vor Ihm steht. Es geht nicht nur um Juda: „Es spricht der Herr, der den Himmel ausspannt und die Erde gründet und des Menschen Geist in seinem Innern bildet: Siehe, ich mache Jerusalem zu einer Taumelschale für alle Völker ringsum; und auch über Juda wird es kommen bei der Belagerung von Jerusalem. Und es wird geschehen an jenem Tag, da werde ich Jerusalem zu einem Laststein für alle Völker machen: Alle, die ihn aufladen wollen, werden sich gewiss daran verwunden. Und alle Nationen der Erde werden sich gegen es versammeln. An jenem Tag, spricht der Herr, werde ich alle Pferde mit Scheuwerden und ihre Reiter mit Wahnsinn schlagen; und über das Haus Juda werde ich meine Augen offenhalten und alle Pferde der Völker mit Blindheit schlagen. Und die Fürsten von Juda werden in ihrem Herzen sprechen: Eine Stärke sind mir die Bewohner von Jerusalem in dem Herrn der Heerscharen, ihrem Gott. An jenem Tag werde ich die Fürsten von Juda einem Feuerbecken unter Holzstücken und einer Feuerfackel unter Garben gleichmachen; und sie werden zur Rechten und zur Linken alle Völker ringsum verzehren. Und fortan wird Jerusalem an seiner Stätte wohnen in Jerusalem“ (V. 1‒6).
Dieses Ende des Zeitalters bringt die volle Zeit des Segens für Jerusalem nach jenem Ofen der Trübsal, wenn alle Nationen mit aufgerissenem Maul herbeikommen, um die Stadt zu verschlingen, doch sie kommen vergeblich. Sie werden nicht nur enttäuscht werden, sondern selbst von dem verschlungen werden, der an jenem Tag die lange Strafe umkehrt und Jerusalem für immer beschützt.
Aber es würde die Prophetie in elende Verwirrung stürzen, wenn man annähme, dass damit die Westmächte gemeint sind, die zu dieser Zeit durch das Gericht des Herrn, wie bereits erklärt, völlig gestürzt sein werden (Off 19,19-21). Alle Nationen sind hier die feindlichen Heiden, die nach der Vernichtung des Tieres und seiner Vasallenkönige des Westens mit ihrem Verbündeten, dem falschen Propheten in Jerusalem die Waffen gegen Israel erheben. Sie sind die Nationen, die mit dem König des Nordens im Bund stehen und ganz im Gegensatz zum Tier stehen, obwohl sie offen die Widersacher Israels sind. Tatsächlich bedeuten alle Nationen bei den Propheten nie die Westmächte, sondern alle, die nach dem Untergang des Tieres und der Könige (der Hörner) übrigbleiben. Das mag für manche eine wichtige Hilfe bei der Auslegung dieser Schriftstellen sein. Die Westmächte sind nur ein Teil der Nationen, ein besonders begünstigter und verantwortlicher Teil, mit einer bestimmten Beziehung zu den Juden und sogar zu Christus, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Zukunft. Sie haben eine besondere Stellung und damit auch entsprechende Verantwortung; so ist auch ihre Schuld und ihr Gericht besonderer Art. Die Westmächte bilden einen besonderen Einschub; ihre Verbindung ist ausschließlich mit den Juden, niemals mit Israel. Wenn man das begreift, kann es dazu dienen, Unterscheidungen deutlich zu machen, die für denjenigen, der das göttliche Diagramm der unerfüllten wie auch der erfüllten Prophezeiung verstehen möchte, von allergrößter Bedeutung sind. „Alle Pferde“ wurden hier häufig als ein großes Aufgebot an westlicher Kavallerie bezeichnet: Warum es westlich sein sollte, ist nicht ersichtlich. Es tut mir leid, mich von denen zu unterscheiden, die das sagen; aber die Schlussfolgerung versagt völlig. Es gibt keinen Zweifel über die Kavallerie: Woher sie kommt, hängt von keiner Theorie ab, sondern von der genauen und vollständigen Untersuchung der Schrift in Bezug auf diese Zeit. Ich denke, dass alle, die das so sehen, die wahre Bedeutung, nicht nur dieser Stelle, sondern der damaligen Situation verkennen. Außerdem ist die Kavallerie im Allgemeinen im Osten bemerkenswerter als im Westen. Die Infanterie war immer die rechte Hand der römischen Armeen; und so hat sie sich im Westen fortgesetzt und wird es, daran zweifle ich nicht, trotz moderner Erfindungen, bis zum Schluss sein. Aber der Osten wird als ganz besonders berüchtigt für seine Fülle an feiner und auffälliger Kavallerie beschrieben. Weitere Beweise mögen im weiteren Verlauf auftauchen, die sich, wie ich hoffe, allen unvoreingenommenen Gemütern empfehlen; denn der Punkt ist nicht ohne Bedeutung. Es ist ein Unterschied, den man bei den Prophetenschülern im Allgemeinen findet und der aus den eingefleischten Denkgewohnheiten erwächst, die dazu neigen, alles aus dem Tier und seinen Trabanten – den zehn Königen – zu machen.
In der Tat liegt der Grund noch weiter zurück; denn er ist eindeutig ein Ableger des alten Systems, das es liebte, in jedem Bösen, den die Schrift als Feind des Volkes Gottes anprangert, den Papst zu sehen. Es war also wirklich die Engstirnigkeit des Verstandes, die das weite Feld der Prophetie auf die Grenzen der Verhältnisse einengte, mit denen wir Christen oder vielmehr Protestanten verbunden waren. In Wahrheit, genau genommen, ist dies überhaupt nicht das Schema der Prophetie. In der Regel umfasst es als Gegenstand die Erde und alle Völker, deren Haupt der Assyrer sein wird. Die kaiserliche Entwicklung der vier Tiere ist ein außergewöhnliches Zwischensystem, von dem Daniel und in gewissem Maß auch Sacharja handeln, das aber vom allgemeinen Strom der Propheten nur mehr oder weniger zufällig berührt wird. Es ist zweifellos von großem Interesse, aber dennoch ein sehr kleiner Teil des prophetischen Blicks.