Behandelter Abschnitt Hab 2,3-4
Es wird gern zugegeben, dass die Offenbarung ein erstaunlicher Trost und eine Hilfe für die Gläubigen sein wird, die sich in diesen Umständen befinden werden. Aber das ist kein Grund, warum sie jetzt nicht ein noch größerer Segen für die sein sollte, die vor jener Stunde zu Christus entrückt werden. Tatsache ist, dass beides wahr ist: Nur ist es ein höheres und innigeres Vorrecht, mit dem Herrn in der Gemeinschaft seiner eigenen Liebe und seines Geistes zu sein, bevor die Dinge geschehen, obwohl der Trost, wenn sie kommen, denen gegeben wird, die gut damit vertraut sind. Folglich sehen wir in Offenbarung 4‒6 die verherrlichten Gläubigen des Alten und Neuen Testaments bereits beim Herrn, die aufgenommen wurden, um Ihm zu begegnen, einschließlich derer, denen die Prophezeiung in erster Linie gegeben wurde. Danach sehen wir die Gerichte in zunehmender Heftigkeit kommen. Doch wenn sie stattfinden werden, wird es Gläubige geben, die auf der Erde öffentlich für Gott Zeugnis ablegen, einige werden bis zum Tod leiden, andere werden bewahrt werden, um ein gesegnetes irdisches Volk zu sein. Für solche werden die prophetischen Gesichte zweifellos von Wert sein, wenn die tatsächlichen Ereignisse eintreffen; aber der eindrucksvollste Wert ist immer der des Glaubens, bevor die Ereignisse die Wahrheit des Wortes bestätigen. Das ist ein unveränderlicher Grundsatz, was das prophetische Wort und in der Tat die göttliche Wahrheit im Allgemeinen betrifft.
Hier haben wir den Glauben und seinen Grund so erklärt:
... und es strebt zum Ende hin und lügt nicht. Wenn es sich verzögert, so harre darauf; denn kommen wird es, es wird nicht ausbleiben. Siehe, aufgeblasen, nicht aufrichtig ist in ihm seine Seele. Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben (V. 3.4).
Die hochmütige Seele bezieht sich wohl besonders auf den Chaldäer. Er war absolut blind. Der Grundsatz gilt jedoch genauso für den ungerechten Juden oder für jeden Menschen, der sich gegen das göttliche Wort verhärtet. Denn der Zorn Gottes richtet sich gewiss gegen alle Gottlosigkeit, und zwar, wenn es einen Unterschied gibt, vor allem gegen solche, „die die Wahrheit in Ungerechtigkeit besitzen“ (Röm 1,18). Es kommt nicht darauf an, wie rechtgläubig jemand sein mag; wenn aber die Menschen die Wahrheit in Ungerechtigkeit besitzen, so ist die Sünde umso schlimmer. Die Wahrheit verurteilt in diesem Fall nur umso entschiedener. Man mag hartnäckig an der Wahrheit festhalten, doch die Wahrheit wurde nie gegeben, um mit der Gerechtigkeit leichtfertig umzugehen, sondern sie ist in den Beziehungen, die uns betreffen, Gott gegenüber dringend geboten.
Der Zweck aller Wahrheit ist, uns in die Gemeinschaft mit Gott und zum Gehorsam zu führen. Das gilt jedoch nicht für den Menschen, der aufgeblasen und nicht aufrichtig ist. Der unveränderliche Weg Gottes ist dieser: „Wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden“ (Lk 14,11); und der Glaube allein wirkt die Erniedrigung des Ichs. Es sei hier bemerkt, dass es zwei Formen davon gibt: Die glücklichste von allen ist die, demütig zu sein; die nächstbeste ist, gedemütigt zu werden. Es ist besser, demütig zu sein, als gedemütigt zu werden, aber es gibt keinen Vergleich zwischen gedemütigt werden und erhöht werden. Demut ist die Wirkung der Gnade, Demütigung eher die Wirkung der gerechten Regierung Gottes, wenn wir nicht demütig sind. Das ist es, was Er früher mit seinen Heiligen und äußerlich mit seinem damaligen Volk tat. Es ist das, was bei uns selbst allzu oft nötig ist. Der beste Platz von allen besteht darin, sich der Gnade und Herrlichkeit des Herrn so bewusst zu sein, dass wir nichts vor Ihm sind. Demut ist nicht so sehr die Wirkung eines moralischen Prozesses mit uns selbst, sondern der Beschäftigung mit Ihm. Demut ist die Folge der Beschäftigung des Herrn mit uns, wenn Er die Notwendigkeit sieht, uns zu zerbrechen. Er tut es, um uns zu gebrauchen, sicherlich zum weiteren Segen. Wir könnten nicht so mit uns selbst umgehen. Das Gericht muss an die Stelle der Demütigung treten, aber in jedem Fall ist alles besser, als dass wir uns erheben: Wo ist da die Aufrichtigkeit? „Der Gerechte aber“, heißt es, „wird durch seinen Glauben leben.“ Dies wird im Neuen Testament wiederholt zitiert. Es gibt drei bekannte Zitate in den Briefen, zu denen ein paar Worte wünschenswert sein mögen, bevor wir das Thema verlassen. Es ist der Apostel Paulus, der diese Stelle bei all diesen verschiedenen Gelegenheiten zitiert. Im Brief an die Römer sagt er ihnen, dass im Evangelium die Gerechtigkeit Gottes aus Glauben zu Glauben offenbart wird (Röm 1,17). Das ist der einzige Weg und die einzige Richtung des Segens. Die Gerechtigkeit Gottes ist notwendigerweise außerhalb der Reichweite jedes Menschen, es sei denn, sie wird offenbart; aber da sie offenbart ist, wird sie „aus Glauben“ (ἐκ πίστεως) und auf keine andere Weise offenbart, und folglich „zu Glauben“, wo immer der Glaube sein mag. Auf dem Weg des Gesetzes konnte das nicht geschehen: Nicht einmal der Jude konnte das annehmen, denn das Gesetz fordert die Gerechtigkeit des Menschen und sagt kein Wort über die Gerechtigkeit Gottes. Tatsache ist, dass das Gesetz den Menschen lediglich von der Unfähigkeit überführt, die von ihm geforderte Gerechtigkeit zu wirken. Denn obwohl es sie im Namen Gottes fordert, gibt es nur die Antwort der Ungerechtigkeit. Nach dem Gesetz müsste der Mensch gerecht sein, ist es aber nicht. Das ist es, was das Gesetz beweist, wo immer ein Mensch ihm gerecht gegenübertritt – dass er nicht gerecht ist entsprechend der göttlichen Forderung.
Diesem Zustand des Verderbens ist Christus durch die Erlösung begegnet. Folglich geht es im Evangelium ausschließlich darum, dass Gott seine Gerechtigkeit offenbart, obwohl so viele echte Christen dies durch ihre Tradition missverstehen. Die Bedeutung des Satzes ist, dass Gott in Übereinstimmung mit dem handelt, was Christus zusteht, der Gott in der Erlösung vollkommen verherrlicht hat. Er verherrlichte Ihn als Vater während seines Lebens, das hätte die Sünde aber nicht wegnehmen können. Doch Er verherrlichte Ihn als Gott durch seinen Sühnungstod am Kreuz, als es ausdrücklich um unsere Sünden ging. Von da an offenbart Gott seine Gerechtigkeit aufgrund dieses allwirksamen Opfers. Er rechtfertigt nicht nur seine Nachsicht in vergangenen Zeiten, sondern rechtfertigt den Gläubigen in der Gegenwart frei und vollständig in Folge dieses mächtigen Werkes.
Die erste Auswirkung der Gerechtigkeit Gottes, obwohl sie im Römerbrief nicht erwähnt wird, ist die, dass Gott Christus zu seiner Rechten in der Höhe gesetzt hat. Die nächste Folge (und das ist die, von der hier gesprochen wird) ist, dass Gott den Gläubigen entsprechend rechtfertigt. Römer 1 behandelt seine Gerechtigkeit zweifellos in den abstraktesten Begriffen. Die Art und Weise wird nicht beschrieben, bis wir zu Römer 3‒5 kommen. Aber schon in der ersten Aussage haben wir das allgemeine Prinzip, dass es im Evangelium die Offenbarung der göttlichen Gerechtigkeit aus Glauben (nicht aus Gesetz) gibt, und folglich zu Glauben, wo immer er gefunden wird. Ich glaube, dass dies die Kraft der Präposition ist. Wahrscheinlich ist die Hauptschwierigkeit für die meisten Köpfe der Ausdruck „aus Glauben“. Es bedeutet auf diesem Grundsatz, nicht auf dem Weg des Gehorsams gegenüber dem Gesetz, das die Regel der menschlichen Gerechtigkeit sein muss. Die Gewohnheit der Fehlinterpretation führt zu dieser Schwierigkeit. Der Glaube allein kann der Grundsatz sein, wenn es eine Offenbarung der göttlichen Gerechtigkeit ist. Folglich ist es „zu Glauben“, wo immer der Glaube sein mag.
Es ist absichtlich abstrakt formuliert, weil der Geist noch nicht damit begonnen hatte, darzulegen, wie es sein kann und ist. Es wäre ein Vorgriff auf die Lehre, die er später darlegen würde. Denn das Werk Christi war ja noch nicht vollbracht worden. Daher konnten die Konsequenzen nicht in Übereinstimmung mit einer bestehenden Ordnung erklärt werden. Es ist bloße Unwissenheit, anzunehmen, die Schrift sei ohne Regel; denn in der Tat gibt es die beste Ordnung dort, wo der hochmütige Geist des Menschen sich anmaßt, so zu tadeln. Die Unwissenheit ist ganz der Eile geschuldet, die den Menschen von Natur aus dazu verleitet, nur die Ordnung des Menschen zu bewundern. Was die Schwierigkeit des Ausdrucks „aus Glauben zu Glauben“ (Röm 1,17) betrifft, so geben wir zu, dass der Gedanke in einer sehr prägnanten und komprimierten Form ausgedrückt ist. Daher klingt solche Kompaktheit für Menschen mit der Neigung zu einem üblicherweise wortreichen Stil natürlich eigenartig.
Dies ist es, was dem Ausdruck des Propheten entspricht: „Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben.“ Erfolg hatte im jüdischen Denken großes Gewicht. Die Juden wunderten sich über das Wohlergehen der Nichtjuden. Aber der Prophet erklärt das Rätsel, wie Jesaja es bereits zuvor getan hatte. Er besteht darauf, dass der einzige Gerechte der Gläubige ist. Es ist nicht der Gerechtfertigte, sondern „der Gerechte“; und zwar, um die enge Verbindung zwischen Lehre und Praxis aufrechtzuerhalten, wie mir scheint. „Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben.“ Es geht um die Verbindung der beiden Punkte, dass der Glaube untrennbar mit der Gerechtigkeit verbunden ist und der Gerechte mit dem Glauben.
Der Chaldäer sah Gott nicht und verschwendete keinen Gedanken an seine Absicht oder seinen Weg. Der Israelit würde seinen Segen in der Unterwerfung unter sein Wort und im Vertrauen auf Ihn selbst finden. „Siehe, aufgeblasen, nicht aufrichtig ist in ihm seine Seele. Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben“ (V. 4). Der Ausdruck sagt also nicht „den Gerechtfertigten“, aber er schließt ihn mit ein. Es gibt keine wirkliche Gerechtigkeit in der Praxis, außer der Rechtfertigung. Was die Prediger gewöhnlich meinen, ist an sich wahr. Wir werden durch den Glauben gerechtfertigt, doch wir brauchen nicht mehr aus der Prophezeiung herauszulesen, als darin enthalten ist. Die Rechtfertigung wird auch nicht ausdrücklich in Römer 1 entfaltet, sondern in den Kapiteln 3 und 5. Jede Schriftstelle enthält ihre eigene angemessene Belehrung.
In Galater 3 haben wir eine etwas andere Verwendung derselben Schriftstelle. „Dass aber durch Gesetz niemand vor Gott gerechtfertigt wird, ist offenbar, denn ,der Gerechte wird aus Glauben leben‘“ (V. 11). Hier ist es nun hinreichend klar, dass der Apostel den Gedanken der Rechtfertigung durch das Gesetz ausschließt, und die Art und Weise, wie er ihn widerlegt, ist die zitierte Stelle aus Habakuk. Der Unterschied zwischen Römer 1 und Galater 3 besteht also darin, dass wir im Römerbrief die positive Aussage haben und im Galaterbrief die negative. Im Römerbrief bekräftigt er positiv, dass Gottes Gerechtigkeit aus Glauben zu Glauben offenbart wird, was durch diese Stelle gestützt wird. Hier hingegen geht es darum, das Gesetz eindeutig und zwingend davon auszuschließen, irgendeine Rolle bei der Rechtfertigung einer Seele zu spielen. Die Rechtfertigung erfolgt in keiner Weise durch das Gesetz; denn der „Gerechte wird aus Glauben leben“: Das ist der Punkt im Galaterbrief. Es ist Gottes Gerechtigkeit, die durch den Glauben offenbart wird; denn der „Gerechte aber wird aus Glauben leben“, so steht es im Römerbrief. Der Unterschied ist also klar.
Im Hebräerbrief wird die Stelle von demselben Apostel Paulus noch einmal auf eine ganz andere Weise verwendet. „Denn noch eine ganz kleine Zeit, und ,der Kommende wird kommen und nicht ausbleiben. Der Gerechte aber wird aus Glauben leben‘“ (V. 37.38). Die Betonung liegt hier nicht wie im Römerbrief auf dem Gerechten, und auch nicht wie im Galaterbrief auf dem Glauben, sondern auf leben. So scheint jedes Wort die Betonung zu erhalten, die dem Thema entspricht, für das es an diesen drei Stellen verwendet wird. Am Ende von Hebräer 10 bewahrt der Apostel den Gläubigen vor Entmutigung und Zurückziehen. Er zitiert noch einmal: „Der Gerechte aber wird aus Glauben leben“. Dementsprechend werden uns in Hebräer 11 die Alten oder alttestamentlichen Gläubigen gezeigt, die in der Kraft des Glaubens Zeugnis erlangten. Sie alle lebten also im Glauben, jeder, den Gott zu seinen Würdigen zählt. Das konnte sich im Glauben an ein Opfer, in einem Wandel der Gemeinschaft mit Gott oder in dem Voraussehen des Gerichts, das über die Welt kommt, und in der Annahme der göttlichen Mittel zur Rettung zeigen. Es konnte im Tragen des Fremdlingscharakters sein oder im Aufbringen einer solchen Kraft, die vom Feind befreit. Aber was auch immer die Form war, es gab in jedem Fall ein Leben aus Glauben. Daher haben wir hier das bemerkenswerteste Kapitel in der Bibel mit einem umfassenden Überblick über die Menschen der frühen Zeit, die aus Glauben lebten, vom ersten großen Zeugen seiner Kraft hier auf der Erde bis hin zu dem Gepriesenen, der jede Eigenschaft des Glaubens zusammenfasste, die andere hier und da gezeigt hatten: Sie getrennt und nicht ohne Widersprüchlichkeit, Er vollkommen und verbunden in seiner eigenen Person und seinen Wegen hier auf der Erde, in der Tat mit viel mehr, das tiefer und Ihm selbst eigen ist.
So halte ich es nicht für nötig, die Weisheit Gottes ausführlicher zu rechtfertigen. Die Stelle scheint sehr lehrreich zu sein, wenn es nur darum ginge, den Irrtum aufzuzeigen, dass jeder kleine Teil der Schrift nur eine einzige richtige Anwendung zulassen kann.4 Dem ist nicht so: Obwohl in die Sprache der Menschen gekleidet, bietet die Schrift in dieser Hinsicht eine Antwort auf die unendliche Natur Gottes selbst, dessen Geist sie auf verschiedene, aber vergleichbare Weise entfalten und anwenden kann. Sogar unter den Menschen fehlt es nicht an weisen Worten, die mehr als eine Anwendung haben, und doch ist jede wahr und richtig. Wenn der Glaube die Gerechten angesichts des chaldäischen Eindringlings unterschied und bewahrte, so ist sein Wert jetzt im Evangelium noch ausgeprägter. Dabei geht es um einen Menschen vor Gott, der falsche Gründe des Vertrauens ablehnt und ohne abzuweichen, den Weg der Prüfung unter den Menschen geht.
Sicherlich erweist sich das Wort Gottes hier als vielseitig verwendbar, wichtig und mit ausschließlicher Autorität. Dass es von demselben Apostel Paulus angewandt wird, macht den Fall weitaus bemerkenswerter, als wenn es von verschiedenen Schreibern unterschiedlich verwendet worden wäre. Wäre es so gewesen, hätten die Rationalisten zweifellos jeden der verschiedenen Schreiber gegen die Wahrheit aufgebracht. Aber sie täten gut daran, die Tatsache zu berücksichtigen, dass es derselbe inspirierte Mann5 ist, der dieselben wenigen Worte unseres Propheten für diese verschiedenen Zwecke anwendet. Er hatte Recht. Und doch ist es sehr offensichtlich, dass Gott in seiner eigenen ersten Anwendung, in seiner strengen Stellung in der Prophezeiung, besonders einen Zustand vorhersieht, der den Juden zu jener Zeit bevorstand; aber dann wendet derselbe Geist, der durch Habakuk schrieb, es mit göttlicher Genauigkeit in jedem der drei Beispiele im Neuen Testament an. Denn allen ist gemeinsam, dass das Wort Gottes glaubwürdig ist, und dass der, der es auf heilige Weise anwendet, Gott gemäß durch den Glauben lebt, und darin allein gerecht und demütig ist, da nur dies Gott verherrlicht. Was aber für einen Israeliten gilt, der das prophetische Wort so anwendet, das gilt mindestens ebenso sehr für das ganze Wort Gottes, das durch den Glauben aufgenommen wird, und ganz besonders für das Evangelium, weil Letzteres eine unvergleichlich tiefere Entfaltung der Gedanken Gottes ist als jedes rein prophetische Wort.
Die Prophetie zeigt uns den Charakter Gottes vor allem in seiner Regierung; aber das Evangelium ist die Entfaltung Gottes in der Gnade, und zwar in der Person und dem Werk seines Sohnes Jesus Christus. Ist es möglich, darüber hinauszugehen oder gar in die Tiefe zu gehen? Ein einfacher Christ kann in der Tat weit über das hinausgeführt werden, was gewöhnlich von Predigern verkündigt wird; aber es ist unmöglich, den unendlichen Charakter des Evangeliums, wie Gott es offenbart hat, zu stark zu betonen. Aus dem Gebrauch im Hebräerbrief sowie aus dem Zusammenhang des Propheten lernen wir auch, dass das Gesicht auf das zukünftige Kommen des Herrn zur Befreiung seines Volkes gerichtet ist. Dies gehört in der Tat zum prophetischen Wort im Allgemeinen und ist in keiner Weise eine Besonderheit dieses Gesichts. Es ist eine bemerkenswerte Stelle – das Gesicht, das unter dem Chaldäer den Untergang des feindlichen Heiden, so stolz er auch sein mag, vorhersagt, obwohl Israel auf die Erfüllung warten muss. Und dass die volle Entfaltung erst dann geschehen wird, wenn der Herr tatsächlich in Person und in Beziehung zu seinem alten, durch Gnade erneuerten Volk kommt, das ist der Kern der Propheten im Allgemeinen.
Aber es ist natürlich wichtig, sich vor Augen zu halten, dass das Gesicht der kommenden Befreiung, außer in besonderen Offenbarungen der jüdischen Propheten, keinen Unterschied in der Zeit zwischen den Leiden Christi und den darauf folgenden Herrlichkeiten machte. Vielleicht können wir mit Sicherheit sagen, dass niemand im Voraus gewusst zu haben scheint, dass es eine lange Zeitspanne zwischen diesen beiden Erscheinungen geben würde. Doch als diese Zeit des Kommen des Herrn in Niedrigkeit begann, können wir Passagen aus den Propheten anführen, um es zu beweisen. So vollkommen und so weit über die Männer hinaus, die die inspirierten Zeugen waren, hat Gott sein Wort durch sie geschrieben. Denn kein Prophet kannte den vollen Umfang oder die Tiefe seiner eigenen inspirierten Mitteilungen. Das war ein weit besserer Beweis dafür, dass Gott durch sie schrieb, als wenn alles bekannt gewesen wäre. Denn was auch immer die Unwissenheit Jeremias oder Jesajas, Daniels oder Habakuks gewesen sein mag, der Heilige Geist wusste natürlich alles von Anfang an. So offenbarte das, was sie schrieben und weit über ihre eigene Einsicht hinausging, seinen Geist, der sie benutzte. Daher lesen wir in 1. Petrus 1,11 von dem „Geist Christi, der in ihnen war“. Und dieselbe Schriftstelle, die auf die Realität des inspirierenden Geistes in den soeben zitierten Propheten hinweist, zeigt, dass sie selbst nicht in alles eindringen konnten, was sie schrieben. Sie forschten, „auf welche oder welcherart Zeit der Geist Christi, der in ihnen war, hindeutete, als er von den Leiden, die auf Christus kommen sollten, und von den Herrlichkeiten danach zuvor zeugte.“ Gewiss, sie wussten es nicht, sondern mussten es wie andere lernen; und als sie danach forschten, wurde ihnen gesagt, dass es nicht für sie selbst war, sondern „dass sie nicht für sich selbst, sondern für euch die Dinge bedienten, die euch jetzt verkündigt worden sind durch die, die euch das Evangelium gepredigt haben durch den vom Himmel gesandten Heiligen Geist“ (V. 12). Man wird bemerken, dass der Ausdruck „durch den vom Himmel gesandten Heiligen Geist“, wie wir Ihn jetzt kennen, in völligem Gegensatz zu dem prophetischen Geist steht, der in ihnen wirkte und „der Geist Christi“ genannt wird. Der Herr Jesus war das große Thema aller Gesichte. Und es ist wichtig, das zu beachten.
Der Ausdruck „Christi Geist“ in Römer 8,9 geht, glaube ich, weit darüber hinaus. So wie ihn der Apostel dort verwendet, bedeutet er, dass der Heilige Geist den Christen mit dem vollen Besitz seines eigenen Anteils in Christus und Christus in ihm kennzeichnet. Der Heilige Geist ist das Siegel von allem und wohnt deshalb in dem Gläubigen.
4 „Lege die Schrift wie jedes andere Buch aus ... Erstens kann festgestellt werden, dass die Schrift nur eine Bedeutung hat – die Bedeutung, die sie für den Geist des Propheten oder Evangelisten hatte, der sie zuerst geäußert oder geschrieben hat, für die Hörer oder Leser, die sie zuerst empfangen haben“ (Essays and Reviews: On the Interpretation of Scripture, S. 327). Nicht die schlechteste Antwort erscheint auf den nächsten beiden Seiten. „Es gibt Schwierigkeiten anderer Art in vielen Teilen der Schrift, deren Tiefe und Innerlichkeit ein gewisses Maß derselben Qualitäten beim Ausleger selbst erfordern. Es gibt Lektionen in den Propheten, die die Menschheit, so einfach sie auch sein mögen, noch nicht einmal in der Theorie gelernt hat ... Nicht alles, was der Prophet sagte, mag seinem Verständnis klar gewesen sein; es gab Tiefen, die auch ihm selbst nur halb offenbart waren“ (S. 328, 329). Es ist kein Wunder, dass die Menschen, wenn sie vergessen, dass sie vom Wort Gottes sprechen, töricht von der Schrift reden und sich selbst widersprechen.↩︎
5 Ich höre hier nicht auf, die überwältigenden Beweise dafür zu nennen, dass Paulus und kein anderer den Hebräerbrief geschrieben hat. Die Besonderheit des Stils und der Methode kann einfach und zufriedenstellend durch die Überlegung erklärt werden, dass er an Gläubige seines eigenen Volkes außerhalb seines Heidenapostelamtes schrieb. Die Lehre ist in erster Linie typisch für den Apostel.↩︎