Behandelter Abschnitt Hab 2,2-3
Der Herr antwortet dem Propheten im zweiten Vers von Kapitel 2:
Da antwortete mir der Herr und sprach: Schreibe das Gesicht auf, und grabe es in Tafeln ein, damit man es geläufig lesen könne (V. 2).
Es gibt nur einen Grund, warum es mir so scheint, dass dieser Vers mit dem ersten Vers verknüpft werden kann, nämlich, dass es eine klare Anspielung darauf ist, was der Prophet gerade zuvor äußerte. Dennoch müssen wir immer bedenken, dass die Einteilung der Kapitel nicht von Gott ist, außer in den Psalmen und in den Klageliedern Jeremias, sondern lediglich der Einschätzung von Menschen entspricht. Die Psalmen sind durch inspirierte Autorität voneinander getrennt verfasst; außerdem scheinen sie, so wie wir sie vorfinden, in göttlich angeordneter Reihenfolge zu sein. Jeremia hat in ähnlicher Weise einen eigenartigen inneren Aufbau, der beweist, dass Gott die Klagelieder praktisch so aufgeteilt hat, wie wir sie in unseren gewöhnlichen Bibeln finden. Doch im ganzen Rest der Bibel, dem Alten und dem Neuen Testament, kann nur das geistliche Urteil erkennen, wo die Einteilungen vorgenommen werden sollten. Die Art und Weise, in der sie vorgenommen wurde, macht deutlich, dass sie nicht immer gelungen ist. Die Aufteilung in Verse soll während einer Reise mit dem Pferd von einem Buchdrucker vorgenommen worden sein, der zweifellos gelehrt war, aber keine solchen Qualitäten höherer Ordnung besaß, die man für so etwas wie eine zufriedenstellende Ausführung einer so heiklen Aufgabe für erforderlich halten könnte. Es wird sicherlich nicht von kompetenten Beurteilern behauptet werden, dass weder die Person noch die Art und Weise überhaupt günstig für einen vernünftigen Umgang mit dem Wort Gottes war. Ich denke, es wäre besser gewesen, es auf den Knien im Kämmerlein zu tun, als inter equitandum von Paris nach Lyon.3 So ist aber zu oft mit dem Wort Gottes umgegangen worden, obwohl es eine heilige und ehrfürchtige Haltung über alle anderen Bücher hinaus beansprucht und braucht. Ist es zu viel zu sagen, dass kein Buch in der Welt einen so unwürdigen Gebrauch durch die Hände der Menschen erfahren hat? Andererseits hat sich Gott nie so wahrhaftig und vollständig gezeigt, wie in der Art und Weise, wie Er es gegeben und darüber gewacht hat, trotz ungläubiger Hüter, denen es anvertraut war.
Da antwortete mir der HERR und sprach: Schreibe das Gesicht auf, und grabe es in Tafeln ein, damit man es geläufig lesen könne; denn das Gesicht geht noch auf die bestimmte Zeit, und es strebt zum Ende hin und lügt nicht. Wenn es sich verzögert, so harre darauf; denn kommen wird es, es wird nicht ausbleiben (V. 2.3).
Es ist bekannt, dass der Apostel Paulus dies auf den wahren Mittelpunkt des Gesichts und aller Gesichte anwendet, nämlich auf die Wiederkunft des Herrn Jesus Christus in Herrlichkeit. In Hebräer 10 wird uns gesagt: „Denn noch eine ganz kleine Zeit, und ,der Kommende wird kommen und nicht ausbleiben‘“ (V. 37). Das ist die Art und Weise, in der der Geist seinen bewundernswerten Gebrauch der alttestamentlichen Schrift zeigt. Schon beim ersten Mal war der Herr Jesus persönlich gekommen und von den Juden zu ihrem eigenen Verderben verworfen worden. Der Gebrauch, den der Apostel von der Stelle macht, gibt den Worten eine viel persönlichere Kraft; und doch können wir sehen, dass sie nicht von dem offensichtlichen Thema in Hebräer 2 und 3 abweichen, sondern es nur ergänzen, das keine größere Erfüllung haben kann, als dieses krönende Ereignis.
Aber dann gibt es noch eine weitere Bemerkung, die hier gemacht werden muss. Der Prophet lässt uns wissen, dass das Gesicht Gottes so geschrieben ist, dass ein Mensch keine Hilfsmittel benötigt, um es zu verstehen. Es sollte auf Tafeln deutlich geschrieben werden, in großen, gut lesbaren Buchstaben. Aber es wird nicht gesagt, wie man gemeinhin annimmt, dass der Läufer lesen kann, sondern dass der Leser laufen kann und dabei, so scheint es, die freudige Nachricht an andere weitergibt. Es ist vorgeschlagen worden, dass wir Daniel 12,4 vergleichen sollten; aber ich denke, dass hier die Idee des Hin- und Herlaufens und der Vermehrung des Wissens unter denen, die ein Ohr zum Hören haben, gemeint ist. Die Stelle hält also keinen Bonus für den unvorsichtigen Leser bereit, sondern zeigt, wie der Leser des Gesichts dadurch zur ernsthaften Verbreitung der Wahrheit, die er empfangen hat, angeregt wird.
Natürlich sucht und segnet die Schrift auch die, die nur einen spärlichen Schluck vom Wassers des Lebens nehmen, das darauf hinweist, dass das Leben in Christus, dem Herrn ist. Zugleich dringt nur der in ihre Tiefen ein, der an ihre göttliche Fülle glaubt und darauf vertraut, dass der Geist, der sie in aller Betonung dieses Ausdrucks zum Wort Gottes gemacht hat, den Gläubigen gern in das Verständnis der ganzen Wahrheit einführt.
Während also in Vers 2 die Kraft des Gesichts gezeigt wird, in Vers 3 ihre Sicherheit, was auch immer die Verzögerung in der Zwischenzeit sein mag, lernen wir aus Vers 4 noch etwas anderes, nämlich die große Bedeutung des Glaubens, der die Seele kräftigt, bevor das Gesicht erfüllt wird. Das Ergebnis ist noch nicht gekommen; aber das ist kein Grund, dass wir nicht den Gewinn durch den Glauben sammeln sollten, der der wesentliche Inhalt der Dinge ist, auf die wir hoffen. Es kann nicht geleugnet werden, dass dies ein ungeheuer wichtiger Grundsatz ist, ganz besonders in der Prophetie. Die gängige Vorstellung ist, dass Prophetie den Menschen nur dann guttut, wenn sie sich direkt auf die Zeiten und Umstände bezieht, in denen sie sich selbst befinden. Es kann keinen größeren Trugschluss geben. Abraham hat mehr Nutzen aus der Prophezeiung über Sodom und Gomorra gezogen als Lot; doch das lag eindeutig nicht daran, dass Abraham dort war, denn er war nicht in Sodom, während Lot dort war, der nur knapp und mit wenig Ehre entkam, wie wir bald schmerzlich erfahren. Aber der Geist lehrt uns durch diese beiden Fälle im ersten Buch der Bibel seine Sicht zu dieser Frage. Ich gebe völlig zu, dass, wenn die Erfüllung der Prophezeiung in all ihren Einzelheiten eintritt, es Personen geben wird, die die ausdrücklichsten Anweisungen nachlesen können. Aber ich bin überzeugt, dass der tiefste Wert der Prophezeiung für die gilt, die mit Christus beschäftigt sind und die zusammen mit Christus im Himmel sein werden, so wie Abraham mit dem Herrn ging, anstatt wie Lot inmitten der sündigen Sodomiter zu sein. Wenn das so ist, sollte das Buch der Offenbarung für uns, die wir uns durch die Gnade himmlischer Beziehungen mit Christus erfreuen und Glieder seines Leibes sind, von viel reicherem Segen sein, obwohl wir droben sein werden, wenn die Stunde der Versuchung über die kommt, die auf der Erde wohnen.
3 [Auf dem Pferderücken]. Es ist H. Stephens, der uns in der Vorrede zu seinem Neuen Testament von 1576, das er herausgegeben hat, die Geschichte dieser Leistung seines Vaters R. Stephens erzählt, zumindest was das Neue Testament betrifft, das zuerst in seiner vierten Auflage (1551) erschien, gefolgt von Beza und seither von fast allen.↩︎