Behandelter Abschnitt Mich 2,1-2
In diesem Kapitel haben wir den Abschluss des ersten Teils der Prophezeiungen. „Wehe denen, die Unheil ersinnen und Böses vorbereiten auf ihren Lagern! Beim Morgenlicht führen sie es aus, weil es in der Macht ihrer Hand steht. Und sie begehren Felder und rauben sie, und Häuser und nehmen sie weg; und sie verüben Gewalttat an dem Mann und seinem Haus, an dem Menschen und seinem Erbteil“ (V. 1.2). Sicherlich wäre das alles seltsam, wenn es an einen Christen gerichtet wäre. Wir finden eine solche Art der Warnung nie im Neuen Testament. Der Grund ist klar. Das Gesetz war die Regel des Juden. Nun fordert das Gesetz natürlich Gerechtigkeit und befasst sich mit der mangelnden Befolgung. Woran sie also scheiterten, war die praktische Antwort auf die natürliche Rechtschaffenheit. Aber ein Christ, sogar wenn er in den natürlichen Pflichten jemals so gerecht wäre, ist weit davon entfernt, sich zu dem Standard zu erheben, der einem Christen geziemt. Wir müssen in geistlichen Dingen ebenso wie in natürlichen Christus entsprechend wandeln. Folglich brauchen wir das Licht, wie es in Ihm schien, und die Wahrheit des Neuen Testaments als Regel und Führer unseres Wandels, nicht nur das moralische Gesetz, das sich mit dem Menschen im Fleisch befasst.
Offensichtlich ist also unsere Stellung vor Gott nicht im Fleisch, wie uns in Römer 8 deutlich gesagt wird, wo auf dem Wandel im Geist bestanden wird. Natürlich leugnet niemand, dass das Fleisch in uns ist; aber als Christen sind wir nicht im Fleisch. Das ist die Lehre des Apostels Paulus; und nur der Unglaube würde auf die Idee kommen, seine Sprache wegzuerklären oder auch nur zu versuchen, sie zu korrigieren. Es steht Gläubigen, die so reich gesegnet sind, nicht zu, seine Richtigkeit zu bestreiten oder ihre eigene Barmherzigkeit zu leugnen. Der Apostel Paulus sagt klar von allen Christen: „Ihr aber seid nicht im Fleisch, sondern im Geist, wenn nämlich Gottes Geist in euch wohnt“ (Röm 8,9). Das ist also die unverwechselbare Stellung jedes Christen. Was bedeutet das? Eindeutig dies, dass es zu meiner charakteristischen Stellung als Christ gehört, dass ich in Christus bin; dass ich, statt durch den gefallenen Adam als Teil der Rasse definiert zu sein, in Christus ein neues Leben und einen neuen Platz habe. Kurz gesagt, es gibt ein neue Stellung vor Gott in Christus. Das ist jetzt so wahr, wie es nur sein kann: Die bessere Auferstehung wird ihre Glückseligkeit nicht bewirken, sondern lediglich zeigen. Wenn wir in den Himmel kommen, werden wir nicht einfach in Christus sein, wir werden bei Christus sein; aber wir sind bereits in Christus, während wir noch auf der Erde sind.
Es ist notwendig, die Unterscheidungen zu beachten, die in der Schrift gegeben werden. Fürchte dich nicht, dem Wort zu glauben. Gewisse Menschen mögen sagen und tun es auch, dass dies Haarspalterei ist. Wenn Gott uns seine Wahrheit so offenbart hat (und die Schrift allein macht deutlich, dass Er es getan hat), dann mögen sie vorzüglich fein sein, aber sie sind nach dem, dessen Weisheit und Güte wir vertrauen. Wir sind verpflichtet, zu unterscheiden, wo und wie Gott es tut; und wenn wir es versäumen, Ihm zu folgen, werden wir unseren Verlust zu spät bemerken. Die Wahrheit ist, dass es eine große Menge verborgenen Unglaubens in denen gibt, die sich über die Unterscheidungen des Wortes Gottes lustig machen. Denn aller Fortschritt in echtem Wissen wird durch das Unterscheiden von Dingen, die verschieden, geprüft, da das Wachstum in wahrer Weisheit größtenteils darin besteht. Wenn ein Mensch eine neue Sprache lernt, scheinen die Laute für sein Ohr sehr gleich zu sein; auch die Schriftzeichen scheinen gleich auszusehen, die er zunächst nicht richtig unterscheiden kann. So wird derjenige, der beginnt, die hebräische Sprache zu hören oder die geschriebenen Worte betrachtet, von ihrer Monotonie erschlagen und sieht eine Reihe von seltsamen, quadratischen Buchstaben, von denen viele so ähnlich sind, dass sie für seine Augen eine nicht geringe Verlegenheit darstellen.
Das ist mehr oder weniger genau der Fall bei einer Person, die anfängt, die Bibel zu lesen und in der Wahrheit wachsen will. Die Unwissenden sind geneigt, sich einzubilden, dass das alles nur der Weg ist, um von Gott und unserer Pflicht entbunden zu werden. Alles wird dazu missbraucht, weil es der Gedanke ihres eigenen Verstandes ist. Aber wenn wir durch den Glauben gerechtfertigt sind, haben wir Frieden mit Gott. Dann fangen wir an, die Wahrheiten der Schrift zu unterscheiden, und wir lernen, dass einige Stellen hauptsächlich von der göttlichen Natur handeln, andere von der Erlösung; einige vom Priestertum, andere von der Rechtfertigung; einige vom Reichtum der Gnade, andere von den Verführungen des Antichrists; einige vom Heil, andere vom Wandel, und wieder andere von der Hoffnung. Die Juden, die Heiden, die Versammlung, alle haben ihren Platz. Dann werden die Unterscheidungen wichtig, wenn die Bedürfnisse gestillt sind, das Gewissen geübt, aber gereinigt ist und das Herz auf Christus gerichtet ist. Aber es liegt offensichtlich nicht in der Natur der Sache, geistlich tauglich zu sein, um die Schriften in ihrem ganzen Ausmaß zu verstehen, bevor wir in Christus zur Ruhe gekommen sind; aber wenn der neue Mensch dies erkannt hat, dann geben wir nicht der Selbstsucht nach, die dort stehenbleiben würde, sondern nutzen den Frieden und die Ruhe des Glaubens, um in der Erkenntnis Gottes zu wachsen – um „in der Gnade und in der Erkenntnis unseres Herrn und Heilands Jesus Christus“ zu wachsen (2Pet 3,18).
So werden wir bald die große Unterscheidung lernen, dass das dem Juden anhängende Böse mehr äußerer Natur ist – Unterdrückung, Habsucht, Götzendienst. Das sind die großen Missetaten, die ihnen zur Last gelegt wurden. Das sind nicht unsere typischen Gefahren, obwohl wir natürlich in jede einzelne fallen können. Aber im Neuen Testament finden wir eine andere Klasse des Bösen, nämlich schlechte und falsche Lehre, die die Gemeinschaft zerstört und den Wandel untergräbt und verdirbt. Von einer solchen Unreinheit des Geistes scheint im Alten Testament nicht die Rede zu sein. Warum nicht? Weil wir an einem neuen und besonderen Platz stehen. Wir haben zweifellos den ganzen Nutzen der alten Aussprüche, aber wir haben die besondere Unterweisung, Hilfe und Freude des Neuen Testaments, die die Alten nicht hatten; und da unsere Berufung eine besondere Sache ist, erfordert sie auch besondere Schriften, um uns das Licht zu geben, das wir zur Ehre Gottes brauchen.
Diese Bemerkung mache ich nur nebenbei. Der Kerngedanke dessen, was ich sage, ist also, dass es gewisse moralische unveränderliche Grundsätze gibt, und dass sie immer bestehen bleiben. Folglich bleibt das, was vom ersten Buch Mose an wahr ist, bis zum Ende der Offenbarung wahr. Doch dann haben wir unsere eigenen, besonderen Aussprüche und Ermahnungen, die uns gegeben werden. Wir müssen zwischen alten und neuen Dingen unterscheiden. Die allgemeinen Wahrheiten Gottes, die den Juden oder den Heiden leiten, sind sicher für den Christen, neben jener Berufung Gottes in Christus Jesus, die wir jetzt in seinem Namen und durch den Geist unseres Gottes kennen.