Behandelter Abschnitt Klgl 3,19-21
Doch da ist der eigentliche Punkt der Veränderung. Ab Vers 19 breitet er alles vor dem Herrn aus, den er bittet, seiner zu gedenken; und aus der völligen Niedergeschlagenheit seiner Seele beginnt er, Zuversicht zu fassen.
Gedenke meines Elends und meines Umherirrens, des Wermuts und der Bitterkeit! Beständig denkt meine Seele daran und ist niedergebeugt in mir. Dies will ich mir zu Herzen nehmen, darum will ich hoffen (3,19–21).
Es ist nicht Christus, sondern gewiss der Geist Christi, der ein betrübtes und zerbrochenes Herz leitet. Das Weinen mag eine Nacht lang andauern; aber am Morgen kommt die Freude.
In welchem Sinn sollen wir dann eine so starke Sprache erklären, die von einem heiligen Mann benutzt wurde, und dies nicht über die Verfolgungen von Fremden oder die Feindschaft der Juden, sondern hauptsächlich tatsächlich über die Wege des Herrn mit ihm? Sicherlich nicht das, was Calvin und die meisten der Ausleger vor und nach ihm daraus machten, als ob es der Druck der Hand Gottes auf die Leidenden als Christen wäre, als ihre Gedanken in einem Zustand der Verwirrung waren und ihre Lippen vieles aussprachen, was unpassend ist. Eine solche Auslegung macht Gott wenig Ehre, ganz zu schweigen von Jeremia, und macht den Geist zum Berichterstatter, nicht nur einiger Worte oder Taten, die das irdene Gefäß in seiner Schwäche verraten, sondern von beträchtlichen und winzigen Ausbrüchen, die nach einer solchen Ansicht aus kaum etwas anderem bestehen würden als aus Klagen, die nach dem Urteil des Fleisches unter so wenig gemilderten Gefühlen gesprochen werden, dass sie zu oft Dinge fallen lassen, die Tadel verdienen. Kann eine solche Ansicht mit solchen Ergebnissen ein nachdenkliches Kind Gottes, das das Evangelium versteht, zufriedenstellen?
Ich glaube im Gegenteil, dass die Sprache nicht übertreiben ist, sondern die echte Äußerung eines einfühlsamen Herzens inmitten der niederschmetternden misslichen Lage Israels, beziehungsweise jetzt auch Judas und Jerusalems. Es sind die Sorgen eines Menschen, der das Volk Gottes liebte, der umso mehr mit ihnen litt, als sie nicht fühlten; er fühlte, dass es der Herr selbst war, der hinter und über ihrem Elend und ihrer Schande stand und alles wegen ihrer Sünden auferlegte, mit der zusätzlichen und noch schärferen Tatsache seines eigenen persönlichen und ergreifenden Kummers wegen der Dinge, die ihm sein prophetisches Amt auferlegte, nicht so sehr von den Chaldäern als von dem Volk Gottes, seinen Brüdern nach dem Fleisch. Es war in keiner Weise der Ausdruck seiner eigenen Beziehung zu Gott als Heiliger oder folglich der Empfindungen Gottes ihm gegenüber als Einzelnem. Es war die Folge davon, dass er von Gott berufen wurde, in einer so verderbten und unheilvollen Zeit für Ihn in Israel mitzuwirken. Ich bin weit davon entfernt zu meinen, dass Jeremia persönlich nicht wusste, was Versagen in dieser schrecklichen Krise war. Aus seiner eigenen Prophezeiung geht klar hervor, dass seine Schüchternheit ihn dazu verleitete, bei einer Gelegenheit den Betrug eines anderen zu billigen oder zuzulassen, indem er ihn annahm, wenn nicht sogar erfand.
Jeremia scheint jedoch alles in allem ein seltener Mann gewesen zu sein, sogar in der heiligen Linie der Propheten. Obwohl er von Natur aus krankhaft scharf in seinen Empfindungen war, wurde er von Gott in einzigartiger Weise gestützt. Er hatte wenig Mitgefühl von anderen, wie es jemals das Los eines Dieners Gottes unter seinem Volk war. Sogar Elias Erfahrung blieb weit hinter der Jeremias zurück, sowohl in Bezug auf die Bosheit des Volkes, in der Zeit seines Dienstes, als auch in Bezug auf die Tatsache, dass er innerlich und äußerlich als Prophet litt, der die ganze Züchtigung empfand, die der gerechte Zorn auf sein schuldiges Volk häufte, und dazu noch sein eigenes Leid als verworfener Prophet. Darin scheint er in der Tat unserem großen Herrn am nächsten gekommen zu sein, obwohl es sicherlich einen Höhepunkt in seinem Fall gab, der ihm selbst eigen war, kaum mehr in dem äußerst bösen und erniedrigten Zustand Jerusalems damals als in der Vollkommenheit, mit der er alles vor Gott ergründete und empfand, als einer, der sich herabgelassen hatte, einer von ihnen und ihr Oberhaupt, ihr Messias zu sein, der deshalb so viel tieferes Interesse und das wahrere Empfinden für das haben musste, was sie als Volk von Gott durch ihre Feinde als Instrumente verdienten. In der Tat kam dies bald darauf über sie unter der letzten und furchtbarsten Belagerung durch Titus; aber Jesus ging vorher durch alles hindurch, sowohl vor dem Kreuz als auch danach, dies abgesehen von der Sühnung, mit der nichts als die größte Unwissenheit ihn verwechseln konnte, und bloße Bosheit greift andere an, um ihren eigenen offenkundigen Irrtum zu vertuschen.