Hier beginnt ein ganz eigener Abschnitt unseres Propheten, der sich nicht so sehr mit Israel beschäftigt wie der vorherige, obwohl wir natürlich Israel darin finden. Dennoch kann man nicht sagen, dass Israel der unmittelbare Gegenstand der neuen Reihe von Kapiteln ist, sondern eher die Nationen und ihr Gericht, das von den Umständen, die damals vergleichsweise unmittelbar bevorstanden, sich bis hin zur „Vollendung des Zeitalters“ erstreckt. Sie ist in ihrem Charakter durchweg so allgemein, wie der erste Abschnitt sich mit Israel beschäftigt. Doch natürlich hörten wir darin von den Nationen in Bezug auf Israel, entweder als willig Zion unterworfen, wie sie es an jenem Tag sein werden, oder als Werkzeuge der Vorsehung zur Züchtigung des schuldigen Volkes an diesem Tag, auch wenn sie es durch ihre Götzen oder eine ihrer anderen Ungerechtigkeiten von seiner wahren Treue weggelockt haben. Aber in der zweiten Reihe der Kapitel 13‒27 werden wir sehen, wie der Umfang bei der Darstellung der „Aussprüche“ über die Nationen (wie die verschiedenen Prophezeiungen hier zuerst genannt werden) vergrößert werden, bis die ganze Welt einbezogen wird, die unter das Gericht kommt, um ganz so weit zu segnen, obwohl uns Israels Teil in entsprechender Größe am Schluss gezeigt wird. Und auch hier, wie im ersten, haben wir am Schluss Lieder im Einklang mit dem großen Ergebnis.
Der Ausdruck „Vollendung [Ende] des Zeitalters“, der im Matthäusevangelium so oft vorkommt (13,39.40.49; 24,3; 28,20), bezieht sich auf den Zustand, in dem sich Israel unter dem Gesetz und ohne seinen Messias befindet. Das neue Zeitalter hingegen wird dadurch gekennzeichnet sein, dass sie unter dem neuen Bund stehen. Ihr Messias wird dann über sie in Herrlichkeit herrschen. Das Alte Testament gibt uns nicht nur diese Zeitalter, sondern auch die Zeiten davor, während das Neue Testament die Ewigkeit enthüllt, die ihnen folgen wird. Praktisch spricht das Neue wie das Alte Testament von diesen zwei Zeitaltern, die mit Israel verbunden sind: das Zeitalter, das andauerte, als Christus kam und verworfen wurde, und das, das kommen wird, wenn Er in Herrlichkeit wiederkommt. „In diesem Zeitalter“ gibt es eine Mischung aus Gut und Böse, die durch einen schrecklichen Konflikt beendet wird, in dem das Tier und der falsche Prophet vernichtet werden. Im kommenden Zeitalter wird der Satan gebunden sein und der Herr Jesus wird die Erde in offenbarer Macht und Herrlichkeit regieren. Das „Ende der Welt“ ist eine eindeutige Fehlübersetzung, die nicht nur die Masse der Menschen, sondern auch ihre Führer in die Irre geführt hat, besonders in ihrer falschen Erwartung eines irdischen Fortschritts und Sieges für die Kirche und damit einhergehend ihrem Unglauben an Israels Wiederherstellung zu Gunsten und zur Herrlichkeit unter der verheißenen Herrschaft des Messias und der universellen Segnung der Erde und der Nation.
So ist der Unterschied der Zeitalter von unermesslicher Bedeutung. Wenn man das gegenwärtige Zeitalter nicht von dem zukünftigen unterscheidet, wird alles verwirrt werden, nicht nur für die Wahrheit, sondern auch für die Praxis. Denn jetzt ist es eine Frage der Gnade und des Glaubens, wobei das Böse äußerlich triumphieren mag, wie wir am Kreuz sehen. Im kommenden Zeitalter wird das Böse äußerlich gerichtet und zurückgedrängt werden, und das Gute wird über die ganze Erde erhoben werden und die ganze Welt mit der Erkenntnis des Herrn und seiner Herrlichkeit erfüllen. Die Vollendung des Zeitalters liegt also offensichtlich in der Zukunft; und so spricht die Schrift. So ist es für uns die „gegenwärtige böse Welt“, von der uns der Tod Christi befreit hat (Gal 1,4); das neue Zeitalter wird gut sein, nicht böse, so sicher wie es eine zukünftige Zeit ist. Wiederum, wenn wir nicht an die Versammlung, sondern an Israel denken, ist anzunehmen, dass das Zeitalter damit begann, dass sie unter dem Gesetz standen, als der Messias noch nicht da war. Das neue Zeitalter wird sein, wenn Israel seinen Messias nicht nur kommen, sondern wiederkommen und regieren lässt; denn die Gegenwart des Messias in der Erniedrigung hat das Zeitalter nicht unterbrochen; und noch weniger hat seine Verwerfung ihrerseits das neue Zeitalter herbeigeführt.
Nur lasst uns nicht vergessen, dass jetzt ein anderes mächtiges Werk Gottes geschieht, das auf der himmlischen Herrlichkeit Christi und der persönlichen Gegenwart des Heiligen Geistes beruht und hier auf der Erde durch die Versammlung Gottes gekennzeichnet ist. Während dieser Zeit erstreckt sich die Barmherzigkeit zu den Heiden; so dass wir sie die heidnische Klammer der Barmherzigkeit nennen können. Davor, und ganz verschieden davon, waren die heidnischen Zeiten, als Gott in seiner Vorsehung bestimmten Nationen die Regierung der Welt gab, beginnend mit Nebukadnezar, dem goldenen Haupt des großen Bildes. Dies können wir die heidnische Klammer des Gerichtes nennen. Sie sind beide innerhalb der Grenzen „dieses Zeitalters“ und dauern noch an. Das neue Zeitalter wird durch das Kommen des Herrn in den Wolken des Himmels eingeleitet.
Das führt sofort zu einer sehr wichtige Veränderung, nämlich dass das bußfertige Israel befreit wird und die Nationen zum Gericht der Lebendigen hinaufziehen, wenn der Sohn des Menschen sein Reich begonnen haben wird (vgl. Mt 25,31‒46; Off 11‒20). Im ersten Teil Jesajas haben wir das Gericht über Israel gesehen, und dann ihren endgültigen Segen. Es ist immer ein Prinzip im Handeln Gottes, dass Er, wenn Er richtet, bei seinem eigenen Haus beginnt. Deshalb sagt Petrus: „Denn die Zeit ist gekommen, dass das Gericht anfange bei dem Haus Gottes“; und dann fragt er: „und wenn der Gerechte mit Not errettet wird, wo will der Gottlose und Sünder erscheinen?“ (1Pet 4,17.18). Aber Gott hat sich vorgenommen, die Gerechten zu erretten, wenn auch unter Schwierigkeiten und angesichts einer erstaunlichen Menge von Widersprüchen und Prüfungen, sowie ihrer eigenen völligen Schwachheit. Alle diese Dinge machen es in der Tat schwer; aber was für uns unüberwindlich ist, ist eine Möglichkeit, dass die Herrlichkeit Gottes sichtbar wird, und Er hat die größte Schwierigkeit überwunden, denn diese lag in unseren Sünden. Ist die Sünde – sogar alle Sünde – nicht mehr eine Schwierigkeit für Christus? Hat Er nicht für den Gläubigen die Sünden getilgt und Frieden durch das Blut seines Kreuzes gemacht? Aber wenn es für Gott keine Schwierigkeit mehr gibt, so gibt es doch viele Schwierigkeiten für uns; und hier haben wir das Wort, dass der Gerechte mit Not errettet wird. Das bezieht sich auf die Gefahren auf unserem Weg. Wenn das nun so ist, was wird das Ende der Gottlosen sein? Der Apostel Petrus wendet es auf den Christen an und sieht, das die Welt unter das Gericht kommen wird, wenn der Herr erscheint. Im Alten Testament geht es nicht um die Versammlung, sondern um Israel; aber Gott beginnt beim Gericht immer mit dem, der Ihm am nächsten steht. Dementsprechend befassen sich die ersten zwölf Kapitel Jesajas mit Israel als dem Vordergrund des Bildes, was auch immer eine beiläufige Bemerkung über andere sein mag.
Aber von diesem Teil an bis zu einem Dutzend weiterer Kapitel stehen die Nationen im Vordergrund, obwohl auch Jerusalem in ihrer Mitte gerichtet wird, und es endet mit der Auflösung der Erde und mit den Höheren, die in der Höhe bestraft werden. Er hatte uns das Gericht über sein eigenes Haus gezeigt; nun behandelt Er die Nationen und alles andere in Beziehung zu seinem Volk, eine Nation nach der anderen: beide schließen, wie alle anderen, mit Triumph.
Als erstes kommt Babylon zur Sprache:
Ausspruch über Babylon, den Jesaja, der Sohn des Amoz, geschaut hat (13,1).
Babylon war die heidnische Großmacht, die Jerusalem zuerst in Besitz nehmen durfte. Aber Gott zeigt, dass Er die Fremden zwar gebrauchen mag, um sein Volk zu züchtigen, aber Er wird sich bald umwenden und mit ihre unterdrückende Grausamkeit richten, denn ihr Sinn war es zu zerstören, während Gott sie nur zur Züchtigung gebrauchte. Und da es den Stolz der Macht ohne Gewissen gegenüber Gott gab, ja sogar die Hauptquelle des Götzendienstes, kann Babylon nicht entkommen, da es das erste unter den Heiden ist, das zum Gericht gerufen wird. Der Abschnitt, den wir jetzt vor uns haben, ist also nicht die göttliche Prüfung seines Hauses in Israel, sondern das Gericht über die Welt und die Nationen, und daher gleich zu Beginn über Babylon. Beachte jedoch, dass der Geist Gottes, wenn Er von dem Notiz nimmt, was den Juden bald widerfahren würde (er bemerkt ausdrücklich das Verderben ihres Landes und Volkes, das unmittelbar bevorstand, wenn sie in die babylonische Gefangenschaft kommen würden), Er sich bei alledem nie auf irgendwelche Schläge, wie schwer sie auch sein mögen, beschränkt, die damals eintrafen. Menschliche Grenzen gelten nicht für die Schrift, die von den ersten Taten der Menschen bis zum endgültigen Ende weitergeht.
Dies ist in der Tat nur ein charakteristischer Unterschied zwischen dem, was von Gott ist, und dem, was von Menschen ist. Wenn der Mensch spricht, gibt es notwendige Grenzen für die Anwendung seiner Worte. In dem, was Gott sagt, gibt es immer einen weitergehenden Sinn, einen Hinweis auf das, was Gott tun wird, um zu zeigen, was Er ist, und um Christus zu verherrlichen. Dies scheint die wahre Bedeutung des biblischen Kanons in 2. Petrus 1,20 zu sein: „dass keine Weissagung der Schrift von eigener Auslegung ist.“ Wendet man sie nur auf ein einzelnes Ereignis an, so übersieht man die Absicht Gottes; während die Prophetie zweifellos ein solches Ereignis einschließen kann, blickt sie in ihrer Gesamtheit auf die Ratschlüsse Gottes in Bezug auf die Herrlichkeit seines Sohnes. Daher brauchten die heiligen Propheten Inspiration im strengsten Sinn; denn wessen Auge könnte unbestechlich nach vorn schauen und von der Zukunft gemäß Gott sprechen? Das ist also das Ziel des Zeugnisses des Geistes. Das gilt in der Tat für die gesamte Schrift, denn Christus ist das Ziel Gottes, wenn Er die Schrift gibt, zuerst und zuletzt. Er denkt nicht nur an den Menschen oder an dessen Erlösung, so gesegnet sie auch ist, noch an Israel, sein Volk, noch an die Versammlung, den Leib Christi, sondern an seinen Sohn. Dies ist in der Tat, wie in der Absicht, die Rechtfertigung, Sicherheit und Darstellung seiner eigenen Herrlichkeit; während es der vollsten Liebe und dem heiligsten Gericht Raum gibt, wird es seine reiche Gnade in den Himmeln und seine gerechte und barmherzige Regierung auf der Erde veranschaulichen (vgl. Eph 1; Phil 2; Heb 2; Off 20‒22).
Gott denkt an Christus, der für Ihn wertvoller ist als alles andere. Nur durch Christus kann ein heiliger Zweck des Guten in einer solchen Welt, wie diese es war, verwirklicht werden. Denn es ist nicht möglich, dass die Schöpfung selbst irgendeinen eigenen Wert in den Augen Gottes haben könnte. Das, was nur aus dem souveränen Willen und der allmächtigen Hand Gottes hervorkommt, kann aufhören zu bestehen. Der, der geschaffen hat, kann zerstören; aber wenn du zu Christus kommst, hast du das, von dem wir ehrfurchtsvoll sagen können, dass nichts es aufheben kann; ja, alle Bemühungen des Menschen oder Satans, sich Ihm zu widersetzen und Ihn zu entehren, wurden in der mächtigen und gnädigen Weisheit Gottes nur in eine Darstellung der alles übertreffenden Herrlichkeit verwandelt.
So kommen wir zu der großen Wahrheit für unser tägliches Leben, nicht weniger als für die Ewigkeit und Gott selbst. Wir haben es jetzt mit jemandem zu tun, dessen Liebe nichts erschöpfen kann, dessen Wege auch alle vollkommen sind; wir haben es Tag für Tag mit Ihm zu tun, auf Ihn zu warten, von Ihm zu erwarten, Ihm zu vertrauen und seiner bewundernswerten Fürsorge für uns sicher zu sein. Christus ist würdig, dass unsere Herzen sich Ihm anvertrauen, und man kann sich Ihm nicht anvertrauen ohne den Segen, der immer ausströmt. So erweist sich Gott als größer als alles, was gegen uns sein kann. Außer Christus gibt es nichts, was Er selbst gemacht hat, was aber, mit dem Menschen auf der Erde verbunden, bald eine Wolke über sich hatte. Nein, es geht noch weiter: Schaue, wohin du kannst, oben oder unten; schaue auf irgendein Geschöpft in der Höhe oder eine Schönheit außer Christus, und was ist die Sicherheit?