Behandelter Abschnitt Jes 12,1-6
Das Lied für jenen Tag schließt diesen Abschnitt unseres Propheten ab und ist in zwei Teile gegliedert: der erste ist Israels Lob für das, was Gott für sie selbst war und ist (V. 1–3); der zweite ist der Aufruf an die anderen, sein Lob auf der ganzen Erde zu verbreiten, obwohl Zion immer noch das Zentrum ist, in dem Gott wohnt (V. 4–6). Doch die verunreinigende Hand der Aufklärung hat das gesamte Kapitel nicht verschont, das sie zu einem Ausrufezeichen erklärt, das von einem anderen Schreiber zu der bereits vollständigen Reihe davor hinzugefügt wurde, und nicht einmal im Ton, Stil oder der Ausdrucksweise Jesajas. Nun ist es jeder geistlichen Gesinnung klar, wie empfindlich der Verlust wäre, wenn dieser höchst würdige Schluss des Lobes abgehackt würde. Jeder sollte sehen, dass der Wechsel zu einem solchen Lied einen Ton und einen Stil und eine Formulierung beinhaltet, die ganz anders sind als die ernsten Ansprachen und Anklagen und die feierlichen Vorhersagen, die vorausgegangen sind, sondern die einfache und passende Fortsetzung von Kapitel 11 ist.
Und an jenem Tag wirst du sagen: Ich preise dich, Herr, denn du warst gegen mich erzürnt; dein Zorn hat sich gewendet, und du hast mich getröstet. Siehe, Gott ist meine Rettung, ich vertraue, und fürchte mich nicht; denn Jah, der Herr, ist meine Stärke und mein Gesang, und er ist mir zur Rettung geworden. – Und mit Wonne werdet ihr Wasser schöpfen aus den Quellen der Rettung,16 und ihr werdet sprechen an jenem Tag: Preist den Herrn, ruft seinen Namen aus, macht unter den Völkern kund seine Taten, verkündet, dass sein Name hoch erhaben ist! Besingt den Herrn, denn Herrliches hat er getan; dies werde kund auf der ganzen Erde! Jauchze und juble, Bewohnerin von Zion! Denn groß ist in deiner Mitte der Heilige Israels (12,1–6).
Gewiss ist es nicht nur eine zeitliche Befreiung, so erstaunlich und vollständig sie auch sein mag, sondern es gibt auch reiche Segnungen für den inneren Menschen. Das Beste von allem ist, dass der Heilige Israels in seiner Mitte wohnt. Das nimmt es aber keineswegs von Israel weg, noch zwingt es uns, es von den Heiden auszulegen, wiewohl wir nun sicher noch tiefer im Evangelium von der in Christus noch tiefgehender bekannten Gnade Gottes Nutzen ziehen. Aber es ist klar, dass die Sprache insgesamt eindeutig zu einem Körper gehört, der einst von Gott verlassen war und lange das Objekt des göttlichen Missfallens war. Das gilt nicht für die Versammlung, sondern gerade für das alte Volk Gottes an dem Tag, an dem der Messias ihnen offenbart werden wird und sie mit Herz und Mund sagen werden: „Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn“ (Mt 23,39).
Wir haben den umfangreichsten Grund, das Material und das Beispiel für unser Lob als die Versammlung Gottes im Neuen Testament. Und es unterscheidet sich wesentlich von dem Israels, das nicht von dem Vater und dem Sohn redet und nicht weiß, was es heißt, durch den zerrissenen Vorhang in das Allerheiligste einzugehen, ebenso wenig wie es ihnen vergönnt sein wird, mit Christus zu leiden; während wir im Glauben wandeln und kraft des vom Himmel gesandten Heiligen Geistes auf Ihn warten. Man kann sich nicht vorstellen, dass dies ihre Erfahrung ist, die Christus als Herrscher über die Erde haben wird, die befreit ist vom Versucher und gesegnet mit grenzenlosen Wohltaten hier auf der Erde.
Es ist traurig, die Worte von Bischof Lowth zu lesen, einem Mann des feinen Geschmacks, aber nicht der Bibelkenntnis, dass „dieser Hymnus durch seinen ganzen Tenor und durch viele Ausdrücke in ihm viel besser für die christliche Kirche als für die jüdische Gemeinde beabsichtigt zu sein scheint, unter allen Umständen, zu jeder Zeit, die zugeordnet werden kann.“ Tatsache ist, dass jedes Wort ganz auf die Juden bei der Befreiung und unter der Herrschaft des Messias passt, und dass kein einziger Satz mit der Versammlung Gottes in Einklang steht. Es gibt keinen Gott und den Vater Christi vor uns; es gibt keinen Christus im Himmel, der durch die Kraft des Heiligen Geistes in den Heiligen bekanntgemacht wird; es gibt kein Bewusstsein der Vereinigung in einem Leib. Sein intelligenterer Vater, W. Lowth, sprach von „dem triumphalen Zustand der Kirche“; aber dieser wird in himmlischer Herrlichkeit sein. Wohingegen es nur die Erde ist, die hier betrachtet wird.
Die Bewohnerin Zions hat zwar den vordersten Platz und ist aufgefordert, laut zu rufen und zu jubeln, denn groß ist der Heilige Israels, der in ihrer Mitte wohnt; aber die Juden, selbst über alle Maßen gesegnet, sind aufgerufen und werden dem Ruf folgen und die Taten des Herrn unter den Völkern bekanntmachen und verkünden, dass sein Name erhöht ist. Auf der ganzen Erde ist bekannt, welch erhabene Dinge Er getan hat. Eine so reiche Barmherzigkeit lässt Habgier und Eifersucht, Stolz und Eitelkeit verschwinden.
Wir können feststellen, dass die übliche Vorstellung von Jah
als eine abgekürzte Form von Jahwe kaum
mit seiner Verwendung hier (V. 2) zusammen mit Jahwe vereinbar ist. Siehe auch Kapitel 26,4,
wo die gleiche Verbindung auftritt. Wie Jahwe für den Namen Gottes in Bezug auf sein
Volk (2Mo 6), seinen Namen der moralischen Regierung im Allgemeinen (1. Mose 2 und im ganzen Alten Testament, mit oder ohne den Namen Elohim)
verwendet wird, so scheint Jah sein eigentliches Wesen
auszudrücken. Es liegt daher nahe, ihn mit seinem Beziehungsnamen zu
kombinieren, während er dort, wo er alleinsteht, wie in
16 Dieser Vers 3 ist keine Unterbrechung des Liedes, sondern ein zusammenhängender und schön harmonischer Teil davon, und eine Überleitung zu dem, was folgt.↩︎