Behandelter Abschnitt Jes 11,5-9
Welch beklagenswertes Vorurteil bei Männern wie Hieronymus, die sich der bildlichen Sprache bedienen (wie in Reis, Rute seines Mundes und Gurt), um die Vision des irdischen Wandels – der Wiederherstellung aller Dinge – mit einem Geheimnis zu umweben! Auch solche geben die Wirklichkeit des Messias zu, wie sie die seiner Herrschaft hier auf der Erde zugestehen müssen, denn der Himmel ist gar nicht im Blickfeld; und dazu soll die Erde von dem geschlagen werden, dessen Wort Macht ist, und der den Gesetzlosen jenes Tages endgültig bestrafen wird. Calvin und Hengstenberg würden die Hoffnung auf eine zukünftige Veränderung durch göttliche Macht in der materiellen Schöpfung einschließen (wie in Römer 8,11-22 verheißen); aber das setzt die offenbarte Herrlichkeit voraus, und die Söhne Gottes nicht mehr verborgen wie jetzt, sondern offenbart mit Christus in Herrlichkeit (Kol 3,3.4). Wir haben jetzt die Freiheit der Gnade, während die Schöpfung dann in die Freiheit der Herrlichkeit eintreten wird, wobei unser eigener Leib ein Teil davon ist.
Aber das beweist den Fehler, die Sprache auf geistliche Wirkungen jetzt anzuwenden, mehr noch, das zu leugnen, was die Erde und ihre Bewohner an jenem Tag erwartet.
Und Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein, und die Treue der Gurt seiner Hüften. Und der Wolf wird sich beim Lamm aufhalten, und der Leopard beim Böckchen lagern; und das Kalb und der junge Löwe und das Mastvieh werden zusammen sein, und ein kleiner Knabe wird sie treiben. Und Kuh und Bärin werden miteinander weiden, ihre Jungen zusammen lagern; und der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind. Und der Säugling wird spielen am Loch der Otter, und das entwöhnte Kind seine Hand ausstrecken nach der Höhle der Viper. Man wird weder Böses tun noch Verderben anrichten auf meinem ganzen heiligen Berg; denn die Erde wird voll Erkenntnis des Herrn sein, wie die Wasser den Meeresgrund bedecken (10,5‒9).
Wenn es um die Bekehrung und die Frucht des Geistes im Herzen und im Leben ginge, würden die vermeintlichen Bilder die Vorstellung schlecht ausdrücken. Denn der Wolf und der Leopard und der Löwe werden als noch existierend dargestellt und dem Lamm und dem Zicklein und dem Kalb und dem allgemeineren Mastvieh gegenübergestellt, aber mit völlig verschwundenen Beutetrieben. Geistlich betrachtet, wie seltsam ist es, die Menschheit so unterschieden darzustellen, wo doch das Evangelium alle als verloren und gottlos auf der einen Seite und alle Gläubigen als gleichermaßen gerettet und als Kinder Gottes auf der anderen Seite erklärt! Man könnte den bildhaften Ausdruck verstehen, dass der Wolf ein Lamm wird, und vielleicht der Leopard ein Zicklein, wenn nicht sogar der Löwe ein Kalb oder ein Mastvieh (obwohl die Schattierungen selbst für die lebhafteste Phantasie etwas neblig werden). Aber die eigentliche Begrifflichkeit verbietet alle diese Flüge; und da sie nur von Tieren spricht, die einst räuberisch waren und nun in Frieden mit dem sanftesten Vieh leben, kann sie nicht ordnungsgemäß interpretiert werden, außer als Vorhersage von Tatsachen, die erst noch Wirklichkeit werden müssen. Bis dahin rechnet der Glaube mit der Kraft, die Gott gegen einen Zustand der Unordnung gibt, wie damals, als David das Lamm rettete und sowohl den Löwen als auch den Bären erschlug, und wie man jetzt bildlich aus dem Rachen des Löwen befreit werden kann.
An jenem Tag wird sicherlich „die Wiedergeburt“ stattfinden (Mt 19,28), und die Schöpfung wird in einen Christus entsprechenden Zustand gebracht werden. Ein bildlicher Sinn besteht nicht in der Exaktheit der Sprache; die einfache grammatikalische oder wörtliche Kraft ist im Einklang mit der alttestamentlichen Prophetie und der neutestamentlichen Lehre. Denn so wie uns die Beseitigung des Antichrists am Ende dieses Zeitalters gezeigt wurde, haben wir als nächstes eine Beschreibung der Herrschaft des wahren Christus und ihrer segensreichen Auswirkungen.
Es ist die zukünftige Welt oder bewohnbare Erde, der Erdkreis, „von dem wir reden“ (Heb 2,5) – nicht der Himmel, sondern die Erde, und besonders das Land Israel unter dem, dessen Recht es ist. Welchen Grund gibt es, an seiner klaren und exakten Erfüllung zu zweifeln? Wer hat je von einem ernsthaften Einwand gehört, außer sadduzäischen Gemütern, die weder die Schriften noch die Macht Gottes kennen? Warum sollte man es für etwas Unglaubliches halten, dass Gott zu Ehren der Herrschaft Jesu nicht nur das Aussehen, sondern auch die Gewohnheiten und die Neigung der ganzen belebten Natur verändern und die Schöpfung aus der Knechtschaft der Verderbnis befreien würde, unter der sie jetzt seufzt? Wenn die Tage kommen, wie der Herr erklärt, dass sie sicher kommen werden, dass „der Pflüger an den Schnitter und der Traubentreter an den Sämann reichen wird“ (Am 9,13), dann wird nicht nur die Erde seiner wohltätigen Macht entsprechen, sondern auch das Tierreich, mit der einen Ausnahme, die Ihm gut erscheint, der den gerissenen Übeltäter nicht vergisst, die Schlange. Sie werden weder Böses tun noch Verderben anrichten auf seinem ganzen heiligen Berg. Sogar jetzt, wo andere und tiefere Fragen vor Ihm liegen, welch ein Mitleid hat Er mit den kleinen Kindern und sogar mit dem Vieh (vgl. Jona 4,11)!
Die Psalmen feiern den großen Tag mit Liedern der Freude; die Propheten sprechen klar darüber; der Apostel Paulus behandelt ihn deutlich als eine feststehende christliche Erwartung, so wie Petrus zu den Juden in Apostelgeschichte 3,21 sprach, die nur noch auf die Offenbarung Christi und der Söhne Gottes mit Ihm warten. Es gibt eine schmerzliche Lücke in jedem Schema und in jedem Herzen, das das Weltjubiläum nicht erwartet; ohne es würde die Erde nur scheinbar von Satan verderbt werden; während es jemandem, der von Gott belehrt ist, wenn es auch nur ein einziges Geschöpf gäbe, das nicht offenkundig unter die Füße des erhöhten Sohnes des Menschen gelegt wäre, erlaubt wäre, den Feind so weit zu bringen, dass Er ihn um seinen gerechten Lohn und seine höchsten Rechte beraubt. An jenem Tag werden wir sehen (denn jetzt sehen wir es noch nicht), wie Ihm alles unterworfen ist: Das göttliche Gericht über die Lebendigen, vollstreckt durch Christus, bringt es, wie wir aus Vers 4 im Vergleich mit 2. Thessalonicher 2,8 wissen.
Es wird entweder vergessen oder wegerklärt, dass Gott in sich selbst für die Verwaltung der Fülle der Zeiten (d. h. im tausendjährigen Zeitalter oder am Tag seines offenbarten Reiches) vorgesehen hat, alles in Christus unter ein Haupt zusammenzubringen, sowohl die Dinge im Himmel als auch die Dinge auf der Erde (Eph 1,9.10); denn die Versöhnung wird nicht nur die Gläubigen umfassen, sondern alles, ob auf der Erde oder im Himmel (Kol 1,20.21). Die Schöpfung selbst wird aus der Knechtschaft der Vergänglichkeit befreit werden zu der die Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes (Röm 8,21). Diejenigen, die die Propheten versinnbildlichen, sollten zur Kenntnis nehmen, dass dieser göttliche und noch nicht erfüllte Plan in diesen großen Briefen des Neuen Testaments deutlich niedergelegt ist, zu denen wir noch 1. Korinther 15,28 und Hebräer 2,9 hinzufügen könnten. Sie können die wörtliche Form dieser dogmatischen Lehre der Inspiration nicht leugnen. Die Zeit, von der gesprochen wird, ist weder der gegenwärtige Zustand, noch ist es die Ewigkeit, sondern eine gesegnete Zeitspanne dazwischen, die tausend Jahre andauern wird. Es ist eine seltsame Lehre, eine so klar offenbarte Wahrheit zu leugnen; es ist eine seltsame Logik, Passagen aus den griechischen und lateinischen Klassikern, aus den sogenannten Sibyllinischen Orakeln, Ferdausi, Ibn Onein und dem Zend-Avesta anzuführen, die die direkte Interpretation unwahrscheinlich machen. Denn es ist sicher, dass sich unter den Heiden Überlieferungen von einem goldenen Zeitalter der Schöpfung hielten, das an einem anderen Tag wiederkehren würde. Dass ein höfischer Dichter dies als Kompliment anbringt, steht keineswegs im Widerspruch zur Hoffnung des Gläubigen auf eine volle Verwirklichung des Wortes Gottes. Wenn es so wäre, was käme es dann auf heidnisches Denken an, da die Heilige Schrift klar und deutlich solch herrliche Erwartungen für die Erde unter dem Messias bereithält?