Behandelter Abschnitt Spr 19,15-22
Gefahren und Hilfen werden in den folgenden Versen deutlich aufgezeigt; denn die gefallene Erde ist voll von dem einen, und der Herr versagt nicht bei dem anderen. Es besteht ein großer Bedarf an Wachsamkeit, und der Mensch ist kurzsichtig, um es einmal so auszudrücken.
Faulheit versenkt in tiefen Schlaf, und eine lässige Seele wird hungern.
Wer das Gebot bewahrt, bewahrt seine Seele; wer seine Wege verachtet, wird sterben.
Wer sich des Geringen erbarmt, leiht dem Herrn; und er wird ihm seine Wohltat vergelten.
Züchtige deinen Sohn, weil noch Hoffnung da ist; aber trachte nicht danach, ihn zu töten.
Wer jähzornig ist, muss dafür büßen; denn greifst du auch ein, so machst du es nur noch schlimmer.
Höre auf Rat und nimm Unterweisung an, damit du in der Zukunft weise bist.
Viele Gedanken sind im Herzen eines Mannes; aber der Ratschluss des Herrn, er kommt zustande.
Die Willigkeit des Menschen macht seine Mildtätigkeit aus, und besser ein Armer als ein lügnerischer Mann (19,15–22). „Faulheit versenkt in tiefen Schlaf, und eine lässige Seele wird hungern“ (V. 15). Auch als der Mensch noch nicht gefallen war, trug er Verantwortung. Er war dazu berufen, den Garten zu bebauen und zu bewahren, den der Herr Elohim ausnahmsweise mit jedem Baum gepflanzt hatte, der angenehm anzusehen und gut zur Nahrung war. Als er gefallen war, musste er, da der Boden seinetwegen verflucht wurde, alle Tage seines Lebens mit Mühsal davon essen. Dornen und Disteln brachte er unaufgefordert hervor, so dass der Mensch im Schweiß seines Angesichts sein ganzes abnehmendes Leben lang Brot essen musste. Trägheit stand ihm also schlecht zu Gesicht, und das umso mehr, als er durch eigene Schuld in Not geriet. Die Sonne geht auf, und die wilden Tiere verziehen sich in ihre Höhlen, der Mensch aber geht bis zum Abend an seine Arbeit (Ps 104); und wie er ist, so ist es ihm wohl bestellt. Aber die Faulheit zerstört alles, und er wirft sich in einen tiefen Schlaf, solange es Tag ist, und zahlt die Strafe dafür. Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen. Die „lässige Seele wird hungern“.
Der Mensch wurde nach dem Bild Gottes geschaffen, nach seinem Ebenbild. Ihm wurde die Herrschaft über Fische und Vögel gegeben, über Vieh und Reptilien und auch über die ganze Erde. Dennoch wurde er unter ein Gebot gestellt. „Wer das Gebot bewahrt, bewahrt seine Seele; wer seine Wege verachtet, wird sterben“ (V. 16). So erwies sich Adam, und nicht weniger Adams Geschlecht. Auch ohne offene Sünde muss sich der Mensch vor Gott beugen. Die Unabhängigkeit von Gott zu suchen, ist sein Verderben. In Dankbarkeit zu Ihm aufzuschauen und Ihm zu gehorchen, ist nicht nur die erste der menschlichen Pflichten, sondern lebenswichtig für den Menschen, dessen Odem in seiner Nase ist und dessen Leben nur ein Dunst ist. Als die Sünde eintrat und der Tod durch die Sünde, wie sehr war es da offensichtlich und dringend, dass er von jenem Gott abhängig war, der Ihm sofort einen Erlöser aus der Macht des Bösen in Aussicht stellte, bevor Er den Menschen aus dem Paradies verbannte, das er durch seinen Ungehorsam verloren hatte!
In einer solchen Welt der Unordnung, der Gewalt und der Verderbnis haben wir immer die Armen bei uns, die kein Mensch, der Augen und Ohren hat, übersehen kann. Das stellt das Herz praktisch auf die Probe; denn zu sagen: Geht hin in Frieden, wärmt euch und sättigt euch, ihr gebt ihnen aber nicht das für den Leib Notwendige, bedeutet, uns selbst genauso zu betrügen wie sie. Der Mensch sollte Gott darstellen, der einen fröhlichen Geber in einer verwüsteten Welt liebt, und hier ermutigt Er den Menschen, sich derer zu erbarmen, die nichts haben: „Wer sich des Geringen erbarmt, leiht dem Herrn; und er wird ihm seine Wohltat vergelten“ (V. 17), wie er es zu zählen pflegt; und Gott wird ihm die Wohltat vergelten. Welche Sicherheit kann das übertreffen? Denk auch an die Ehre, Ihm gegenüber ein Gläubiger zu sein!
Aber es gibt noch eine andere Pflicht, in der ein Elternteil Ihm ähneln sollte, die Sorge für seine Nachkommen: „Züchtige deinen Sohn, weil noch Hoffnung da ist; aber trachte nicht danach, ihn zu töten“ (V. 18). Der junge Zweig ist biegsam und kann zurechtgebogen oder beschnitten werden, damit er Früchte trägt. Die Liebe ist nicht gleichgültig, sondern gibt sich Mühe, und die Züchtigung ist für einen Vater ein größeres Leid als für den Sohn, der sie braucht. Böses zuzulassen, egal unter welchem Vorwand, heißt, seine Seele darauf zu richten, dass er getötet wird. Wir, die Christen auf der Erde, erdulden die Züchtigung, die, obwohl sie für den Augenblick schmerzhaft ist, danach aber die friedsame Frucht der Gerechtigkeit für die bringt, die dadurch geübt werden (Heb 12).
Betrachten wir als nächstes jemanden, der in seiner Jugend nicht gewohnt war, das Joch zu tragen: „Wer jähzornig ist, muss dafür büßen; denn greifst du auch ein, so machst du es nur noch schlimmer“ (V. 19). Er ist überwältigt von jedem Wort oder Werk, das seinem unbesonnenen Geist nicht gefällt; was ist die Folge? Er „muss dafür büßen“; und das Traurige ist, dass weder er noch irgendjemand sonst sagen kann, was danach kommen mag. Man mag ihn lieben, wie man will, sein voreiliges Temperament ist eine ständige Gefahr. „Denn greifst du auch ein, so machst du es nur noch schlimmer.“ Christus ist der einzig passende Befreier, und das nicht nur durch seine Erlösung, sondern durch die Tugend des Bleibens in ihm. „Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, so werdet ihr bitten, um was ihr wollt, und es wird euch geschehen“ (Joh 15,7).
Sehr passend dazu ist das nächste Wort: „Höre auf Rat und nimm Unterweisung an, damit du in der Zukunft weise bist“ (V. 20). Welcher Rat kann sich mit dem vergleichen, den Gott gibt; welche Unterweisung kommt der Heiligen Schrift gleich? Spekulative Menschen sprechen von der Bibel als bruchstückhaft und zufällig; aber unter einer solchen Erscheinung gibt es die vollständigste Versorgung, und geeignet für jedes Bedürfnis, das jemals entstanden ist oder entstehen kann. Männer des Glaubens finden es zu ihrem ewigen Trost heraus und sind verantwortlich, ihre Schätze denen zu zeigen, die nicht sehen; aber sie ernten den Segen in Weisheit vom ersten bis zu ihrem letzten Ende, wie jeder Gläubige beweist.
Außerhalb des Feldes der göttlichen Lehre ist die Verwirrung der Gedanken des Menschen, mag er noch so reich an Ideen oder Vorschlägen sein: „Viele Gedanken sind im Herzen eines Mannes; aber der Ratschluss des Herrn, er kommt zustande“ (V. 21). Das ist es, was weise macht; und fest sowie glücklich ist der, der seinen Ratschluss kennenlernt und daran festhält. Es ist die große Lüge, die Wahrheit zu leugnen; und Christus, das persönliche Wort, die Schrift, das geschriebene Wort, ist die Wahrheit, die der Heilige Geist für den Gläubigen lebendig macht.