Behandelter Abschnitt Spr 18,13-24
Die Schwäche und Not, die Gefahren und Schwierigkeiten sowie die Hilfen des Menschen werden nun bemerkenswert dargelegt:
Wer Antwort gibt, bevor er anhört, dem ist es Narrheit und Schande.
Der Geist eines Mannes erträgt seine Krankheit; aber ein zerschlagener Geist, wer richtet ihn auf?
Das Herz des Verständigen erwirbt Erkenntnis, und das Ohr der Weisen sucht nach Erkenntnis.
Das Geschenk des Menschen macht ihm Raum und verschafft ihm Zutritt zu den Großen.
Der Erste in seiner Streitsache hat Recht; doch sein Nächster kommt und forscht ihn aus.
Das Los schlichtet Zwistigkeiten und bringt Mächtige auseinander.
Ein Bruder, an dem man treulos gehandelt hat, widersteht mehr als eine feste Stadt; und Zwistigkeiten sind wie der Riegel einer Burg.
Von der Frucht des Mundes eines Mannes wird sein Inneres gesättigt, vom Ertrag seiner Lippen wird er gesättigt.
Tod und Leben sind in der Gewalt der Zunge, und wer sie liebt, wird ihre Frucht essen.
Wer eine Frau gefunden, hat Gutes gefunden und hat Wohlgefallen erlangt von dem Herrn.
Flehentlich bittet der Arme, aber der Reiche antwortet Hartes.
Ein Mann vieler Freunde wird zugrundegehen; doch es gibt einen, der liebt und anhänglicher ist als ein Bruder (18,13‒24).
Wer Antwort gibt, bevor er anhört, dem ist es Narrheit und Schande“ (V. 13). Eile oder Eitelkeit verleitet die Menschen dazu, sich selbst zu vertrauen und das, was andere zu sagen haben, zu ignorieren. So geraten sie zu ihrer Überraschung und ihrem Schmerz in den Verruf der Torheit und Schande. „Der Geist eines Mannes erträgt seine Krankheit; aber ein zerschlagener Geist, wer richtet ihn auf?“ (V. 14). Wenn man in der Lage ist, mutig in bewusster Integrität zu bestehen, ist alles gut; aber wenn der Geist zerschlagen ist, neigt man zur Verzweiflung, und alles ist vorbei, solange es dauert.
Das Herz des Verständigen erwirbt Erkenntnis, und das Ohr der Weisen sucht nach Erkenntnis“ (V. 15). Jeder kann sehen, dass die, denen es an Erkenntnis mangelt, Wissen erlangen sollten, und dass die Unklugen es suchen sollten. Aber in Wahrheit ist das Gegenteil der Fall wie hier. Die Weisen haben es im Herzen, Erkenntnis zu bekommen, wie die Weisen sie suchen. So versicherte der Herr, ebenso wie hier: „Bittet, und es wird euch gegeben werden; sucht, und ihr werdet finden; klopft an, und es wird euch aufgetan werden“ (Mt, 7,7). Wer sucht bei Gott vergeblich nach unserem wahren Wohl? „Das Geschenk des Menschen macht ihm Raum und verschafft ihm Zutritt zu den Großen“ (V. 16). Nun aber hören wir von dem Weg eines Menschen bei den Menschen und ohne Gott, wie wir im Kapitel zuvor gehört haben. Geschenke bewirken bei den meisten Raum und verschaffen jemand Zutritt zu den Großen, die oft, wie die, die sie umwerben, weder gut noch weise sind. Es gibt deutliche Ausnahmen.
Der nächste Spruch ist eine Art Gegenstück zu Vers 13: „Der Erste in seiner Streitsache hat Recht; doch sein Nächster kommt und forscht ihn aus“ (V. 17). Da ist ein Mann, der zuerst in seiner eigenen Sache aktiv wird; was kann klarer sein als seine Rechtfertigung? Aber sein Nachbar kommt und forscht ihn aus; und wie sieht die Sache dann aus? „Das Los schlichtet Zwistigkeiten und bringt Mächtige auseinander“ (V. 18). Es gibt aber Fälle, wo beide Seiten so viel zu verteidigen haben, dass eine gerechte Entscheidung außerhalb der Menschen liegt, die sich, wenn sie sich versteifen, dem Streit hingeben, wie es auch außerhalb des Streites solche gibt, deren trauriges Interesse es ist, ihn aufrechtzuerhalten. Der Israelit hatte das Mittel des Loses, wie mächtig die Streitenden auch sein mochten; denn der Herr versäumte es nicht, dabei zu entscheiden. Der Christ aber hat das Recht, im Namen Christi zu seinem Vater aufzuschauen und bleibt niemals ohne eine Antwort der Gnade, wenn er auf Ihn wartet. Wie groß ist der Wert des geschriebenen Wortes und des freien Umgangs mit dem, der höher ist als das Höchste! „Ein Bruder, an dem man treulos gehandelt hat, widersteht mehr als eine feste Stadt; und Zwistigkeiten sind wie der Riegel einer Burg“ (V. 19). Doch es gibt hier wie eh und je eine große Schwierigkeit; und es könnte seltsam erscheinen, wenn wir nicht allzu vertraut mit der Tatsache wären, dass es sich um einen beleidigten Bruder handelt. Wie unnahbar und unvernünftig! Ja, er ist schwerer zu gewinnen als eine starke Stadt; und solche Streitigkeiten sind wie die Riegel einer Burg. Welche Kraft ist nötig, um sie zu durchbrechen! „Von der Frucht des Mundes eines Mannes wird sein Inneres gesättigt, vom Ertrag seiner Lippen wird er gesättigt“ (V. 20). Das Innere oder der Bauch hat sowohl im Alten als auch im Neuen Testament einen schlechten Ruf; aber nicht immer, wie Johannes 7,38 schlüssig beweist. Und so mag es auch hier sein, wo es in seiner zweifachen Anwendung für die innersten Neigungen, gut oder böse, verwendet zu werden scheint. Der Mund deutet auf das Herz hin, wie uns der Herr sowohl von dem guten als auch von dem bösen Menschen sagt: „Denn aus der Fülle des Herzens redet der Mund“ (Mt 12,34). Hier ist es die andere Seite – das Innere eines Menschen wird durch die Frucht seines Mundes, durch die Vermehrung seiner Lippen befriedigt. Wie wichtig ist daher jedes unserer Worte, wenn wir Gott miteinbeziehen! Wenn dies aber den Menschen befriedigt, so kann das Kind Gottes mit nichts weniger als mit Gottes Wort und Gnade befriedigt werden. Daher wird auch gesagt: „Tod und Leben sind in der Gewalt der Zunge, und wer sie liebt, wird ihre Frucht essen“ (V. 21). Das betrifft die Themen von Gut und Böse. Die ganze Heilige Schrift erklärt das; alle Erfahrung bestätigt und veranschaulicht es. „Wer eine Frau gefunden, hat Gutes gefunden und hat Wohlgefallen erlangt von dem Herrn“ (V. 22). Schließt sich das Finden des Guten in einer Frau, die dieser Bezeichnung würdig ist, daran an? Gewiss, niemand hat eine solche Gelegenheit zur inneren Kenntnis und zur Hilfeleistung. Sie kann nützen wie niemand sonst; und wenn für Gott, welch ein Schatz für ihren Mann, der Treue in einem anderen verübeln könnte! Welch eine Gunst des Herrn! „Flehentlich bittet der Arme, aber der Reiche antwortet Hartes“ (V. 23). Die Armen greifen von Natur aus zum Flehen, die Reichen antworten ebenso von Natur aus hart. Die Gnade erhebt den einen und demütigt den anderen, zum Glück des Glaubens und zum Wohlgefallen des Herrn, der alles sieht und wägt. „Ein Mann vieler Freunde wird zugrundegehen; doch es gibt einen, der liebt und anhänglicher ist als ein Bruder“ (V. 24). Ein Mensch, der von vielen Freunden abhängt, zahlt dafür zu seinem eigenen Verderben; aber einer ist mehr geworden als ein Freund, jemand, der wirklich über alle anderen hinaus liebt, der anhänglicher als ein Bruder ist. Gut kennen wir Ihn; und doch leider wie wenig.