Behandelter Abschnitt Spr 12,15-22
Der Weg und das Ärgernis eines Narren leiten die Verse ein (V. 15), die jetzt unsere Aufmerksamkeit beanspruchen, wo die Äußerung von Wahrheit und Weisheit mit wichtiger Unterweisung in der Gerechtigkeit folgt.
Der Weg des Narren ist richtig in seinen Augen, aber der Weise hört auf Rat.
Der Unmut des Narren tut sich am selben Tag kund, aber der Kluge verbirgt den Schimpf.
Wer Wahrheit ausspricht, tut Gerechtigkeit kund, aber ein falscher Zeuge Trug.
Da ist jemand, der unbesonnene Worte redet gleich Schwertstichen; aber die Zunge der Weisen ist Heilung.
Die Lippe der Wahrheit besteht ewig, aber nur einen Augenblick die Zunge der Lüge.
Trug ist im Herzen derer, die Böses schmieden; bei denen aber, die Frieden planen, ist Freude.
Dem Gerechten wird keinerlei Unheil widerfahren, aber die Gottlosen sind voller Unglück.
Die Lippen der Lüge sind dem Herrn ein Gräuel, die aber, die Wahrheit üben, sein Wohlgefallen (12,15–22).
Für den Menschen mit einer gefallenen Natur und in einer gefallenen Welt ist es eine Narrheit, auf sich selbst zu vertrauen. Gott ist in keinem seiner Gedanken. Er meint bestimmt, keinen Rat zu brauchen; er hat in seinen eigenen Augen Recht. Was können seine Augen anderes tun, als ihm zu helfen, nach dem Augenschein zu urteilen, was der Herr dem gerechten Urteil gegenüberstellt? Und was ist so gefährlich wie jede Frage, die man sich selbst stellt? Denn es gibt nichts, was der Mensch mehr verabscheut, als schlecht von sich selbst zu denken, es sei denn, er glaubt an das Gute, das Gott in ihm wirkt. Wahrlich, der Weg eines Narren ist richtig in seinen eigenen Augen. Wer weise ist, der misstraut sich selbst und hört auf den Rat; er betrügt auch nicht Gott und sein Gewissen, indem er den Rat der Schwachen und Unverständigen sucht, sondern den der Gottesfürchtigen.
Der Unmut des Narren bricht in sofortigem und unkontrollierbarem Zorn aus. Er vergisst Gott, sich selbst und alle anderen. Dagegen ist der klug, der die Schande eher verbirgt als bloßstellt; er fühlt die Beleidigung, statt seinen Bruder zu verachten und seine eigene Brust in weltlichem Stolz zu stählen (V. 16). Aber sein ruhiger Geist gießt kein Öl in die Flammen, vielleicht hilft er dem Beleidigenden, seine ungezügelte Unanständigkeit zu beurteilen. Wie klug ist es, solche Provokationen zu ignorieren, die Scham nicht nur vor anderen, sondern auch vor sich selbst zu verbergen!
Die Wahrheit einfach und charakteristisch auszusprechen in einer Welt, in der die Menschen in einer eitlen Schau wandeln, ist eine echte Darstellung der Gerechtigkeit, und der gerechte Herr liebt die Gerechtigkeit (V. 17). Es mag höhere und tiefere Wahrheiten geben, jetzt, nachdem der Sohn Gottes gekommen ist und uns ein Verständnis gegeben hat, Ihn zu erkennen, der der Wahrhaftige ist. Aber Gerechtigkeit ist unabdingbar; ohne sie ist die Anmaßung der Gnade eine Täuschung. Wiederum ist ein falscher Zeuge ein offensichtlicher Sklave Satans. Wir neigen alle zu Irrtümern; aber Betrug ist etwas ganz anderes und eine äußerst böse Sache, so bösartig für den Menschen wie beleidigend für Gott.
Geschwätziges oder unüberlegtes Reden wird am treffendsten mit den Stichen eines Schwertes verglichen; es fügt Wunden und Schmerzen zu; es entspringt der Leichtfertigkeit, wenn nicht gar der Bosheit, und es hat kein gutes Ziel (V. 18). Die Zunge des Weisen bringt Überzeugung in jedes aufrichtige Herz. Sie mag schlagen, wenn es notwendig ist, aber sie ist eine Wohltat; solche Wunden heilen, da sie offenlegen und entfernen, was nur schadet. Die Zunge des Weisen ist Heilung.
Die Lippe der Wahrheit mag von denen, die Grund haben, sie zu fürchten, bestritten und missbilligt werden, aber sie wird für immer bestehen (V. 19). Es ist daher nicht nötig, Zeit damit zu verbringen, sie zu verteidigen oder die bloßzustellen, die ihre Widersacher sind. Wenn man ruhig abwartet, wird ihre Wirklichkeit und Bedeutung umso mehr zum Vorschein kommen; während eine Zunge der Lüge nur für einen Augenblick unter denen ist, die sie lieben, und wo wird das Ende sein?
Das Wesen der Lüge ist die Täuschung; und hier steht geschrieben, dass sie im Herzen derer ist, die das Böse raten. So ist sie der Bosheit ebenso verwandt wie der Unwahrheit. Wie furchtbar, dass das Herz, das die Quelle der Zuneigung sein sollte, in Wirklichkeit gebraucht wird, um Böses zu schmieden! Wenn andere getäuscht werden, ist dieses Herz noch mehr getäuscht.
Doch „bei denen aber, die Frieden planen, ist Freude“ (V. 20). Glückselig sind sie, spricht der Herr; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden. Ihre Freude ist es, und das schon jetzt, in die Freude ihres Herrn einzugehen, wenn es soweit ist (Mt 25). „Den Gerechten wird keinerlei Unheil widerfahren“ (V. 21). Wie triumphierend ist die christliche Antwort in Römer 8 auf diesen Vers 21! Dort heißt es: „Wer wird uns scheiden von der Liebe des Christus? Drangsal oder Angst oder Verfolgung oder Hungersnot oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? Wie geschrieben steht: ,Deinetwegen werden wir getötet den ganzen Tag; wie Schlachtschafe sind wir gerechnet worden.‘ Aber in diesem allen sind wir mehr als Überwinder durch den, der uns geliebt hat“ (Röm 8,35‒37). Christus hat alle Dinge für uns verändert. Wie schrecklich, Ihn abzulehnen oder gar zu verachten! Denn dann fällt all unser Übel auf unser eigenes Haupt. Wahrlich, die Gottlosen erfahren bereits jetzt großes Unheil und erst recht an jenem Tag und das für immer.
Der Herr achtet auf jede Lüge: „Die Lippen der Lüge sind dem Herrn ein Gräuel“ (V. 22), genauso wie ein Götze, der aufgestellt wird, um seiner Herrlichkeit Konkurrenz zu machen und sie zu verderben. Deshalb sind die, die nicht nur reden, sondern wahrhaftig handeln, seine Freude. Wie wertvoll war Ihm der, der auf die Frage „Wer bist du?“ antworten konnte: „Durchaus das, was ich auch zu euch rede“ (Joh 8,25). Er ist die Wahrheit.