Behandelter Abschnitt Spr 9,13-18
In vollem Gegensatz zur Weisheit, und ganz anders als der Verächter, ist „Frau Torheit“. Hier haben wir ihr Bild und das ihrer Wege, ihre Gäste und ihr Ende. Nur dürfen wir nicht denken, dass mit der Torheit ein schwacher Intellekt gemeint sei, sondern vielmehr die Sorglosigkeit und Gedankenlosigkeit, das Fehlen eines Herzens und eines Gewissens Gott gegenüber, die der Satan in dem verblendeten Menschen aufrechterhält. „Der Tor spricht in seinem Herzen: Es ist kein Gott!“ (Ps 14,1), und deshalb sucht er Ihn nicht, noch ruft er Ihn an. Das ist letztlich der Antichrist. Hier ist es „Frau Torheit“, der Zustand der Dinge, der lockt, die fleischliche Verderbnis und nicht der hochmütige Antichrist, der sie aufstellt.
Frau Torheit ist leidenschaftlich; sie ist lauter Einfältigkeit und weiß gar nichts. Und sie sitzt am Eingang ihres Hauses, auf einem Sitz an hochgelegenen Stellen der Stadt, um einzuladen, die auf dem Weg vorübergehen, die ihre Pfade gerade halten: „Wer ist einfältig? Er wende sich hierher!“ Und zum Unverständigen spricht sie: Gestohlene Wasser sind süß, und heimliches Brot ist lieblich.“ Und er weiß nicht, dass dort die Schatten sind, in den Tiefen des Scheols ihre Geladenen (9,13–18).
Die Weisheit setzt sich für den Herrn und damit für die wahren Interessen des Menschen ein, nicht weniger als für die göttliche Herrlichkeit. Die törichte Frau eifert nur für den Genuss der Sünde, ohne Rücksicht auf alle Folgen. Dennoch ist es bemerkenswert, wie ähnlich die Gedanken und Worte sind, die der Heilige Geist verwendet, wenn er von beiden spricht. Nicht, dass die Weisheit wie die Torheit schreit; aber sie schreit und erhebt ihre Stimme, denn sie hat Verständnis und den unermesslichen Wert, den sie von Gott und für Ihn mitzuteilen hat, nicht weniger als den Menschen. Sie sitzt nicht auf einem Sitz oder Thron vor der Tür ihres Hauses. Aber sie steht doch mehr als die Narrheit auf der Höhe des Weges, eine fröhliche Geberin, die weiß, dass sie reichlich für alles, was kommt, ausgestattet ist. Nicht so Frau Torheit Frau. Welches Haus hatte sie gebaut? Sie hat keine Säulen gehauen. Sie hatte weder Tiere zu schlachten, noch hatte sie Wein gemischt, noch ihren Tisch gedeckt, wie die Weisheit mit einem Herzen, das sich am Guten erfreut und daran, Gutes zu tun, wo Not im Überfluss ist und Gefahren ohne Ende und Böses ohne Maß.
Die Weisheit hatte ihre Mägde, die sie aussandte, wie sie selbst rief; denn sie war ernstlich bemüht, für den Herrn einerseits zu gewinnen und vor Ihm zu warnen. Sie suchte die höchsten Plätze der Stadt. Die Torheit hatte keine solchen Mägde, ebenso wenig wie die großzügige Versorgung der Weisheit. Jungfrauen fürwahr! Sie würde sich wohl schämen und erröten, wenn sie es könnte, vor Mägden, so wie diese sicher wegen ihrer Worte und Wege erröten würden. Und doch werden beide so dargestellt, als ob sie in Begriffen von starker Ähnlichkeit aufforderten, aber wie entgegengesetzt ihr Wunsch und ihr Ziel! „Wer ist einfältig? Er wende sich hierher!“ (V. 4.16). Und es ist zu bemerken, dass die törichte Frau ihre Aufforderung besonders an die Vorübergehenden richtet, die geradeaus auf ihren Wegen gehen. Welch böses Vergnügen, solche in die Irre zu führen!
Der Unterschied tritt stark hervor in dem, was die Weisheit, verglichen mit der Torheit, zu dem sagt, der keinen Verstand hat. „Kommt, esst von meinem Brot und trinkt von dem Wein, den ich gemischt habe! Lasst ab von der Einfältigkeit und lebt, und beschreitet den Weg des Verstandes!“ (V. 5.6).
Alles war offen, gesund, heilig und selbstlos von Seiten der Weisheit. Wie unheilvoll die Rede der Frau Torheit! „Gestohlene Wasser sind süß, und heimliches Brot ist lieblich“ (V. 17). Aber der Appell der Weisheit bedarf der Gnade, um ihn schmackhaft zu machen; die Einladung ihrer Rivalin ist gerade für das dunkle Herz des Menschen geeignet, wie er ist. Er erfreut sich an dem, was verboten ist und nur mit List und Tücke entrissen werden kann; er misstraut dem, was frei gegeben wird; Er kann das größte Gut nicht als eine Sache der Gnade verstehen. Darum wird den Gaben der Weisheit misstraut und werden sie verachtet; der Ruf der Torheit zu gestohlenen Wassern ist der gefallenen Natur so süß, wie sie zu trinken, und das Brot der Heimlichkeit ist so angenehm in der Aussicht wie im Geschmack.
Wie ernst, wenn der Vorhang so weit weggezogen ist, dass wir die schreckliche Wirklichkeit sehen können! „Und er weiß nicht, dass dort die Schatten [oder Abgeschiedenen, Toten] sind, in den Tiefen des Scheols ihre Geladenen“ (V. 18). Wie sich die Sprache über die Weisheit im vorigen Kapitel zu einer lebendigen und herrlichen Person erhob, zu einem unvergleichlichen Gegenstand der Wonne des Herrn, und mit einer nicht minder unvergleichlichen Wonne der Liebe, die sich zu den Menschenkinder erstreckt, so endet die Sprache hier in Kapitel 9 mit einer schrecklicheren Sicht, schrecklicher als überhaupt im Alten Testament üblich ist, von dem Los, das denen widerfährt, die ihr Ohr leihen und den verlockenden Worten der Frau Torheit folgen. Welch ein Gegensatz dazu, die Torheit aufzugeben und den Weg der Klugheit zu beschreiten!