Behandelter Abschnitt Spr 6,1-11
Von diesen schwerwiegenden moralischen Gefahren werden wir als Nächstes zu Dingen von ganz anderer Beschaffenheit geführt. Aber auch wenn sie oberflächlich betrachtet viel weniger ernst erscheinen, sind ihre Folgen oft ruinös. Wie gnädig ist der Herr, dass Er sich um Dinge kümmert, die Ihm unbedeutend erscheinen könnten! Liegt es nicht an seinem tiefen Interesse an seinem Volk?
Mein Sohn, wenn du Bürge geworden bist für deinen Nächsten, für einen anderen deine Hand eingeschlagen hast; bist du verstrickt durch die Worte deines Mundes, gefangen durch die Worte deines Mundes: Tu dann dies, mein Sohn, und reiß dich los, da du in die Hand deines Nächsten gekommen bist; geh hin, wirf dich nieder und bestürme deinen Nächsten; gestatte deinen Augen keinen Schlaf und keinen Schlummer deinen Wimpern; reiß dich los wie eine Gazelle aus der Hand, und wie ein Vogel aus der Hand des Vogelfängers.
Geh hin zur Ameise, du Fauler, sieh ihre Wege und werde weise. Sie, die keinen Richter, Vorsteher und Gebieter hat, sie bereitet im Sommer ihr Brot, sammelt in der Ernte ihre Nahrung ein. Bis wann willst du liegen, du Fauler? Wann willst du von deinem Schlaf aufstehen? Ein wenig Schlaf, ein wenig Schlummer, ein wenig Händefalten, um auszuruhen –und deine Armut wird kommen wie ein Draufgänger und deine Not wie ein gewappneter Mann (6,1–11).
Umso bemerkenswerter war es, dass der Herr die Seinen beriet, die sich durch sein Gebot, den Nächsten wie sich selbst zu lieben, in Verlegenheit gebracht fühlen könnten. Anstatt es dem menschlichen Urteil oder dessen Konflikt mit liebenswürdigen Gefühlen zu überlassen, warnt Er vor der gefährlichen Folge, wenn man dem Impuls nachgibt. Wenn der unkluge Schritt getan wurde, ist es richtig, ihn zuzugeben, und falsch, die Worte zu brechen, die verletzen würden. Was ist dann angemessen? „Geh hin, wirf dich nieder und bestürme deinen Nächsten“ (V. 3). Das ist schmerzhaft, aber heilsam. Der Herr wird es nicht versäumen, die Unterwerfung unter sein Wort zu segnen und einen Ausweg für beide zu schaffen, auch wenn jeder für sein eigenes Maß an Schuld in der Angelegenheit zu leiden haben mag.
Verbietet dieses Wort also absolut eine solche Wohltat? Es ermahnt sicher vor der unbedachten Unbesonnenheit, die sich allzu oft auf ein solches Engagement einlässt. Wenn du vor Gott bereit bist, alles zu verlieren, was auf dem Spiel steht, und es für seinen Willen hältst, bist du frei. Aber abgesehen von den Ansprüchen einer engeren Beziehung, bist du nicht auch ein Verwalter? Bist du sicher, dass das Unternehmen das Licht vertragen wird? Ist es nur eine Spekulation? Aber angenommen, deine Worte sind gesprochen worden, und du wachst auf, um deine Torheit zu sehen, dann gib nicht dem Stolz oder der Verbohrtheit nach, „reiß dich los“; und dies nicht, indem du deinen Nächsten schiltst, sondern indem du die einfache Wahrheit deiner eigenen Unachtsamkeit bekennst: „gestatte deinen Augen keinen Schlaf und keinen Schlummer deinen Wimpern“ (V. 4), bis dies geschehen ist; Er, der so lenkt, kann seinem Wort, das so weise ist, wie das unsere töricht sein kann, Wirksamkeit verleihen.
In vollem Gegensatz zu der hier gebotenen Ernsthaftigkeit steht die träge Torheit, die als nächstes anschaulich geschildert wird. Der Faulpelz ist so tief gesunken, dass der Herr ihm die winzige „Ameise“ als seinen ausreichenden Aufpasser nahelegt; so werden die Lilien des Feldes im Neuen Testament dazu gebraucht, die Sorge um Kleidung zu tadeln. Kein Wort wird über das Horten von Vorräten für den Winter gesagt, denn in der Tat sind sie dann wie viele Tiere zum größten Teil träge. Aber ihr unaufhörlicher Fleiß und ihre gute Ordnung und sogar ihre Fürsorge für andere im Sommer und bei der Ernte, solange ihnen eine Tätigkeit offensteht, können den selbstverliebten Schlamper zu Schanden machen. Wenn die sittliche Schwäche in ihrer Unbekümmertheit ihre Beute dem Jäger und dem Vogelfänger preisgegeben hat, so kommt die Armut über die Lustlosen und Faulen wie ein Draufgänger und ein gewappneter Mann, der sich nicht leugnen lässt. Welche Güte von Seiten des Herrn, sein Volk vor beiden Schlingen auf seinem irdischen Weg zu bewahren! Wie heilsam für solche, die zu Höherem berufen sind!