Behandelter Abschnitt 2Kön 6
In der nächsten Begebenheit sehen wir Elisa immer noch in der gleichen Weitergabe der Gnade. Die Söhne der Propheten finden, dass der Ort, an dem sie wohnen, zu eng für sie ist, und sie sagen: „Lass uns doch an den Jordan gehen“ (V. 2). Dort holen sie Balken und so weiter für den Bau ihrer großen Behausungen. „Es geschah aber, als einer einen Balken fällte, da fiel das Eisen ins Wasser; und er schrie und sprach: Ach, mein Herr! Und es war geliehen“ (V. 5).
Nun sehen wir hier wieder dasselbe. Es ist keine Zurechtweisung. Zweifellos gab es eine Unachtsamkeit, aber es ist die Gnade, die jeder Not begegnen kann, der kleinen ebenso wie der großen. Und ich zögere nicht zu sagen, dass wahre Größe sich in ihrer Fähigkeit zeigt, sich des Kleinen anzunehmen. „Und der Mann Gottes sprach: Wohin ist es gefallen? Und er zeigte ihm die Stelle; da schnitt er ein Holz ab und warf es hinein und brachte das Eisen zum Schwimmen. Und er sprach: Hol es dir herauf. Und er streckte seine Hand aus und nahm es“ (V. 6.7).
Im Folgenden finden wir etwas ganz anderes, nämlich die Befreiung von dem Feind. Elisas Knecht war erschrocken, aber der Prophet betet für ihn. Die Binde wird von seinen Augen entfernt, und er sieht, wie wahr das Wort ist, dass mehr auf ihrer Seite waren als auf der ihrer Widersacher. Elisas Gebet wird daraufhin vom Herrn erhört, und man sieht, dass der Berg voller Pferde und feuriger Wagen ist, die Elisa umgeben. „Und sie kamen zu ihm herab; und Elisa betete zu dem Herrn und sprach: Schlage doch dieses Volk mit Blindheit! Und er schlug sie mit Blindheit nach dem Wort Elisas“ (V. 18). Aber dann gibt es noch einen Unterschied zwischen dieser Tat und der des Elias. Wo Elia so etwas schickt, lässt er sie gewähren. Wenn Elisa für eine Weile von der Gnade abzuweichen scheint, dann nur, um am Ende größere Gnade zu zeigen – genau wie unser Herr, der, als Er auf die Bitte der Syro-Phönizierin taub zu sein schien, sie nur mit einem größeren Segen und einem tieferen Bewusstsein für die Güte des Herrn wegschicken wollte.
So führt Elisa nun gerade diese geblendeten Männer nach Samaria, in die Stadt, die sie am wenigsten betreten wollten. Sie sind hilflose Gefangene – so sehr, dass der König von Israel sie erschlagen will; aber der Prophet hält seine Hand zurück. „Soll ich schlagen, soll ich schlagen, mein Vater? Aber er sprach: Du sollst nicht schlagen. Würdest du die schlagen, die du mit deinem Schwert und mit deinem Bogen gefangen genommen hast? Setze ihnen Brot und Wasser vor, damit sie essen und trinken und dann zu ihrem Herrn ziehen“ (V. 21.22). Und was war die Wirkung? „Und die Streifscharen der Syrer kamen seitdem nicht mehr in das Land Israel“ (V. 23). Sie zu erschlagen, hätte nur einen weiteren Feldzug bedeutet. Sie mit Blindheit zu schlagen und ihr Augenlicht wiederherzustellen und sie dann mit Brot und Wasser mitten im Land des Feindes zu speisen, führte ihnen die unmittelbare Umgebung der Macht Gottes so eindrucksvoll vor Augen, dass die Scharen von Syrien nicht mehr in das Land Israel kamen. Es war zweifellos ein höchst wirksamer Schlag, aber es war ein Schlag der Barmherzigkeit und nicht des Gerichts.
Was als nächstes folgt, kann ich kurz beschreiben. Wir sind sicher alle mehr oder weniger vertraut mit der großen Hungersnot in Samaria und wie der Herr alles veränderte, und zwar so überraschend und mit so einfachen Mitteln. Die Not war übergroß. Der König von Israel war höchst hilflos, und alles war in Verwirrung. „Und es geschah, als der König von Israel auf der Mauer umherging, da schrie eine Frau zu ihm und sprach: Hilf, mein Herr König! Aber er sprach: Hilft dir der Herr nicht, woher sollte ich dir helfen?“ (V. 26.27).
„Und sie sprach: Diese Frau da hat zu mir gesagt: Gib deinen Sohn her, dass wir ihn heute essen; und meinen Sohn wollen wir morgen essen. Und so kochten wir meinen Sohn und aßen ihn. Und ich sprach zu ihr am nächsten Tag: Gib deinen Sohn her, dass wir ihn essen! Aber sie hat ihren Sohn versteckt“ (V. 28.29). Kein Wunder, dass der König seine Kleider zerriss und Sackleinen trug; aber es gab keine Furcht vor Gott – im Gegenteil, es gab eine mörderische Absicht gegen den Propheten Gottes.
Die Schuld wurde auf ihn geschoben. „Und Elisa saß in seinem Haus, und die Ältesten saßen bei ihm. Und der König sandte einen Mann vor sich her. Bevor der Bote zu ihm kam, sprach er aber zu den Ältesten: Habt ihr gesehen, dass dieser Mördersohn [denn das war er in der Tat] hergesandt hat, um mir den Kopf wegzunehmen?“ (V. 32). Aber es ist kein Feuer, das vom Himmel herabkommt, um ihn zu verzehren – ganz im Gegenteil. Er sagte: „Siehe, dieses Unglück ist von dem Herrn; was soll ich noch auf den Herrn harren“ (V. 33). Es gab keine Furcht vor Gott vor den Augen des Königs. Es gab kein Vertrauen auf Gott; und Gottesfurcht und Vertrauen auf Gott gehören zusammen.