Behandelter Abschnitt 1Mo 18
Dieses Kapitel zeigt uns, dass die Gnade nicht nur die Gemeinschaft mit dem Herrn in dem schenkt, was uns selbst betrifft, sondern dass es seinem Diener gewährt ist, die Mitteilungen seiner Gedanken auch in Bezug auf das zu genießen, was völlig über ihn hinausgeht. Gott hatte begonnen, mit einer Vertrautheit zu sprechen, wie sie Abraham nie zuvor kannte: Er würde seine Liebe gewiss nicht bereuen. Es ist nicht Gott, der sich von uns zurückzieht – vielmehr ziehen wir uns von Ihm zurück, niemals Er von uns.
„Und der Herr erschien ihm bei den Terebinthen Mamres; und er saß am Eingang des Zeltes bei der Hitze des Tages. Und er erhob seine Augen und sah: Und siehe, drei Männer standen vor ihm; und als er sie sah, lief er ihnen vom Eingang des Zeltes entgegen und beugte sich nieder zur Erde“ (V. 1.2). Siehst du den Charakter Abrahams: Er ist sehr anmutig – echte Demut, zugleich bemerkenswerte Würde. Er „sprach: Herr, wenn ich denn Gnade gefunden habe in deinen Augen, so geh doch nicht an deinem Knecht vorüber! Es werde doch ein wenig Wasser geholt, und wascht eure Füße; und lagert euch unter dem Baum, und ich will einen Bissen Brot holen, und stärkt euer Herz; danach mögt ihr weitergehen; da ihr nun einmal bei eurem Knecht vorbeigekommen seid. Und sie sprachen: Tu so, wie du geredet hast“ (V. 3–5).
Zu diesem Zeitpunkt scheint es keinen Grund zu geben, anzunehmen, dass Abraham überhaupt wusste oder ahnte, wer es war. Wir werden sehen, wie bald er es erahnt und ihm das bewusst wird. Aber er verhält sich mit völliger Ehrerbietung. Er spricht es nicht offen aus; er durchbricht nicht das, was wir das Inkognito nennen können, das der Herr anzunehmen bereit war. Er verstand es: Sein Auge war einfältig, sein Leib voller Licht.
Äußerlich war es eine einfache patriarchalische Vorbereitung für vorbeigehende Fremde. Manch einer, der nicht vergaß, Fremde zu bewirten, hat ohne sein Wissen Engel bewirtet. Es war Abrahams Ehre, den Herrn zu bewirten. Zu gegebener Zeit hört er die Frage, die ihm gestellt wird, und ich denke, das ist der Punkt, an dem er den Geist des göttlichen Handelns begreift: „Wo ist Sara, deine Frau? Und er sprach: Siehe, im Zelt. Und er sprach: Gewiss werde ich im nächsten Jahr um diese Zeit wieder zu dir kommen, und siehe, Sara, deine Frau, wird einen Sohn haben“ (V. 9.10).
Konnte Abraham nicht mehr wissen, wessen Stimme dies war? Dennoch gibt es kein Reden vor der rechten Zeit. Wenn es dem Herrn gefiel, mit zweien seiner Diener dort zu erscheinen, wenn Er sie in die gewöhnliche Gestalt von Menschen versetzte, so stand es den Gläubigen gewiss nicht zu, das Schweigen zu brechen, das der Herr bewahrte. Und das war nur ein Teil der bewundernswerten Art und Weise, in der sein Herz auf das Vertrauen des Herrn in Ihn antwortete. Aber Sara zeigt noch einmal ihren Unglauben, während der Herr, trotz Saras Leugnung, bei Abraham bleibt.
Als die Männer sich aufmachen, um nach Sodom zu gehen, geht Abraham instinktiv mit, aber der Herr bleibt bei ihm und sagt: „Sollte ich vor Abraham verbergen, was ich tun will?“ (V. 17).
Nachdem der Herr in Kapitel 17 mitgeteilt hatte, was Abraham und sein Geschlecht für immer betrifft, offenbart Er ihm in diesem Kapitel, was die Welt betrifft. So sehen wir, dass, obwohl es sich nicht um die innige Beziehung der Kinder Gottes handelt, das Verständnis der Zukunft nicht nur nützlich ist, sondern zu einem Mittel wird, die Gemeinschaft zu erhalten und sogar zu vertiefen. Darf ich euch darauf aufmerksam machen? Lasst euch nicht täuschen, geliebte Brüder. Wenn wir uns in erster Linie mit der Zukunft befassen und sie zu unserem Hauptstudium machen, vertieft das uns nicht wirklich in die Wege Gottes, sondern führt sie eher in niedere Bahnen und irdische Prinzipien, denen man nur schwer an einem anderen Tag entkommen kann. Dennoch ist es sehr offensichtlich, dass Gott alles gegeben hat, und dass Gott will, dass wir das, was Er gegeben hat, benutzen und genießen.
Was ist denn die bewahrende Kraft? Die Gnade! Wenn es nicht um die Frage geht, was kommt, wenn sie nicht über allen Fragen steht, die aus uns selbst kommen. So war es in Kapitel 15; aber jetzt ist Abraham vom Herrn vollkommen frei gemacht worden. Er ist frei in Bezug auf das, was ihn selbst und seine Nachkommenschaft nach ihm betrifft. Sein Herz ist klar. Der Herr hat ihm mehr gegeben, als er je gedacht hatte. Es liegen unendlich größere Aussichten vor Abraham, als er es je gewagt hatte, Gott zu bitten; denn er spricht aus seinen eigenen Gedanken, seinen eigenen Ratschlüssen, die notwendigerweise immer über den größten Erwartungen des Menschen liegen müssen; und dann ist es so, dass die Enthüllung der Zukunft, anstatt uns auf die Erde hinabzuziehen, im Gegenteil nur ein Mittel wird, uns in die Gegenwart des Herrn mit der Sehnsucht nach seiner eigenen Gnade zu ziehen. Das war der Fall bei Abraham. Alles hängt davon ab, dass wir nicht zuerst der Voreingenommenheit unseres Verstandes nachgeben, bevor wir in die vollkommene Freiheit und den Genuss unseres eigenen richtigen Platzes mit Jesus Christus in der Gegenwart unseres Gottes eintreten. Danach können wir zuhören, und dann wird alles gewinnbringend und gesegnet sein für uns.
So ist es auch jetzt bei Abraham der Fall. Es ist wieder der Herr, der den ersten Schritt tut. Es ist der Herr, der sagt: „Sollte ich vor Abraham verbergen, was ich tun will?“ (V. 17). Was für ein Unterschied für den Mann, der wissen wollte, ob er mit Sicherheit die Nachkommenschaft haben würde, von der Gott sagte, dass er sie haben würde! Hier begegnet ihm der Herr und sagt ihm den bevorstehenden Untergang der Städte in der Ebene voraus. Der Herr gibt ihm hier Licht, und alles wird ihm deutlich klar gemacht. Aber es ist kein zweifelndes Herz und kein wissbegieriger Verstand, sondern jemand, der sich in herzlicher Ehrerbietung verneigt und dabei auf Gott vertraut, der sich Ihm gern anvertraut hat. In Wahrheit wollte Gott an der Welt handeln. Er wollte diese schuldige Szene richten. Er wollte diesen Sündenpfuhl auslöschen – Sodom und Gomorra und die anderen Städte der Ebene, die wie der Garten des Herrn war, doch leider erhob sich ein übelriechender Hauch gegen Gott selbst, so dass Er diese Ungerechtigkeit gleichsam niedermähen musste, sonst würde die ganze Welt dadurch verunreinigt werden.
So spricht Gott nun zu seinem Diener. Er liebte es, seine Wege bekanntzumachen. Abraham war nun in einem Zustand, den er genießen konnte, ohne in irgendeiner Weise in eine irdische Gesinnung abzusinken. Abraham konnte alles hören, was der Herr ihm sagen wollte. Anstatt ihn in irgendeiner Weise herabzuziehen, hob der Herr ihn vielmehr in den Genuss seiner Geheimnisse, in den vertraulichen Verkehr mit Ihm, denn er war ja der Freund Gottes. Abraham profitiert hier von allem; und wir werden die moralische Wirkung auf seine Gesinnung bald sehen.
„Wird doch Abraham gewiss zu einer großen und mächtigen Nation werden, und sollen doch in ihm gesegnet werden alle Nationen der Erde! Denn ich habe ihn erkannt“ (V. 18.19). – Oh, was ist das für ein Wort! – „Denn ich habe ihn erkannt, dass er seinen Kindern und seinem Haus nach ihm befehle“ – welch ein Vertrauen in ihn drückt der Herr aus! „Denn ich habe ihn erkannt, dass er seinen Kindern und seinem Haus nach ihm befehle, damit sie den Weg des Herrn bewahren, Gerechtigkeit und Recht auszuüben, damit der Herr auf Abraham kommen lasse, was er über ihn geredet hat. Und der Herr sprach: Weil das Geschrei von Sodom und Gomorra groß und weil ihre Sünde sehr schwer ist, so will ich hinabgehen und sehen, ob sie nach ihrem Geschrei, das vor mich gekommen ist, völlig getan haben; und wenn nicht, so will ich es wissen. Und die Männer wandten sich von dort weg und gingen nach Sodom; Abraham aber blieb noch vor dem Herrn stehen“ (V. 19–22).
Das war die Wirkung: „Und Abraham trat hinzu und sprach: Willst du denn den Gerechten mit dem Gottlosen wegraffen?“ (V. 23).
Es ist jetzt vielleicht nicht die passende Zeit, um viel über eine solche Begebenheit zu sagen, aber ich will wenigstens diese Bemerkung machen, dass Abraham keine Angst um sich selbst hat, und gerade deshalb kann sich sein ganzes Herz öffnen, nicht nur für den Gott, der ihn liebte, und den er liebte, sondern auch für seinen Neffen, den gerechten Lot, der eine so arme Rolle gespielt hatte, für seine Torheit litt, und wieder einmal wenig von der Zucht profitierte, und im Begriff stand, noch mehr gedemütigt zu werden, wie Abraham nicht voraussehen konnte. Nicht nur, dass der Mann des Glaubens auszog, um die siegreichen Könige der Erde zu verfolgen, um Lot zu retten, sondern er wagt es nun im Vertrauen auf die Güte des Herrn, hinzuzutreten und für den zu bitten, der seine gerechte Seele in Sodom quälte und der den Herrn trotz seiner irdischen Gesinnung und seiner schlechten Stellung liebte. Und war es nicht vom Herrn, dass Abraham Fürsprache einlegte? Hat Er nicht das Herz seines Knechtes gestärkt, weiterzugehen, bis er sich schämte? Wie überall, so auch hier, war es der Mensch, der aufhörte, den Herrn anzuflehen, nicht der Herr, der sich weigerte, die Stimme weiterer Fürbitte zu ermutigen und zu hören.
Hier wurde die Wirkung der Prophetie in das Herz aufgenommen, nachdem es durch die Gnade Gottes befreit und praktisch himmlisch gemacht worden war. Anstatt einen schädlichen Charakter auszuüben, indem man müßiger Neugier über andere frönt oder bloße Beschäftigung mit sich selbst hervorruft – das Wollen, was der Herr mir geben wird –, sehen wir, wie das Herz des Gläubigen für einen anderen schlägt. Das ist so, wie Gott es haben möchte. Es ist der Geist der Fürbitte für andere, den wir als Ergebnis des Hörens auf den Herrn finden, und der Freude an den Mitteilungen dessen, was noch unerfüllt war, nicht weil sie sich auf ihn selbst bezogen, sondern weil es die Geheimnisse des Herrn über andere (sogar die Welt selbst) waren, die ihm anvertraut wurden und die seine Zuneigung auf göttliche Weise bewirkten. Ist es so mit uns in unserem Gebrauch des prophetischen Wortes? Müsste es anders sein? Mögen wir solche Früchte unseres Studiums des Alten Testaments ernten!