Behandelter Abschnitt Phil 2,6-8
Die Gesinnung Christi (Phil 2,6-8)
Im vorhergehenden Abschnitt beschäftigten wir uns bereits mit der einzigartigen Gesinnung Jesu Christi. Doch der Gegenstand ist zu umfassend, als dass wir ihn damit beschließen könnten. Beim Nachdenken über Christi Gesinnung steht man wie vor etwas ganz Geheimnisvollem, wobei unser menschliches, natürliches Denken nicht mitkommt. Und doch erwartet der Apostel von den Nachfolgern des Herrn dessen Gesinnung. Der Herr hat uns ein Beispiel hinterlassen, dass wir Seinen Fußstapfen nachfolgen sollen. Nehmen wir einige Begebenheiten aus Jesu Leben heraus, um Seine Gesinnung so recht kennen zu lernen. Christi Gesinnung zeigt sich:
I. In ganzer Ergebenheit.
Wir begegnen ihr beim Herrn schon in Seinem zwölften Altersjahr, als Er ergeben unter das Gesetz, mit Seinen Eltern von Jerusalem hinabging und ihnen untertan war. Weit mächtiger aber tritt diese Ergebenheit im Angesicht des Kreuzes hervor, als der Herr betete: „Nicht mein, sondern dein Wille geschehe“. Er war ja gekommen um den Willen des Vaters zu tun; so hatte schon der Psalmist über Ihn geweissagt (Ps 40). Und obgleich die Schrecken des Kreuzes furchtbar über Ihn kamen, wollte der Herr doch nichts, was Sein Vater nicht gewollt hätte. Diese selbstlose Ergebenheit soll auch die unsere sein; denn Christus hat nicht sich selbst gelebt (Röm 15,3).
II. In beispielloser Demut.
Die Verse 6-8 stellen eine Stufe der Demut nach der andern dar. Er
war der einzige, der sagen konnte: „Ich bin von Herzen demütig“. Petrus
war entsetzt, als der Herr ihm die Füße waschen wollte; nein, das ist
doch zu weit gegangen, das darf nicht sein, meinte der Apostel. Petrus
ahnte ja noch nicht, dass der Herr eine ganz andere Lektion als die der
Demut allein, lehren wollte. Und was sagt der Herr bei jener Handlung:
"Gleich wie ich euch getan, so sollt ihr einander tun" (Joh 13,15).
Wir sind von Natur eher geneigt, dem Nächsten den Kopf, als die Füße zu
waschen. Wahre Größe offenbart sich in der Demut. David, der Mann nach
dem Herzen Gottes, hatte viel von dieser Gesinnung, sagte er nicht: "Ich
will noch geringer werden". Groß sind aber die Verheißungen für
Sanftmütige und Demütige (Mt 5,5; 11,29;
III. In hingegebenem Dienst. Wo immer wir den Herrn sehen, finden wir Ihn im Dienst. Er hat gesagt: „Der Sohn des Menschen ist nicht gekommen sich dienen zu lassen, sondern, um zu dienen“. Mühseligen und Beladenen zurecht zu helfen war Seine Speise (Joh 4,32). Willig hätten Ihm Engel gedient, aber Er war gekommen, um zu dienen. Er hatte stets Sprechstunde. Bis in alle Nacht hinein diente Er Kranken, Bedürftigen und speiste Hungernde zu Tausenden. War Er zu Gast, wie beim Pharisäer Simon, so diente Er selbst da einem tiefgesunkenen Weibe (Lk 7). Als man Ihn gefangen nahm, und Petrus dem Malchus das Ohr abschlug, diente Er beiden, dem Malchus, dem Er das Ohr heilte, und dem Petrus. Wie wäre es Petrus wohl ergangen, hätte der Herr nicht eingegriffen? Selbst am Kreuz, als Er in tiefsten Schmerzen war, diente Er noch, Er half dem sterbenden Schächer zurecht und war um das Wohl Seiner Mutter besorgt. überall ist Er der Dienende. Diese Gesinnung, allezeit dienstbereit zu sein, und nichts für sich zu erwarten, soll auch uns bei jeder Gelegenheit zieren und uns ein Anliegen sein.
IV. In Anteilnahme. Der Herr weinte mit den Weinenden. Innigst betrübt und im Geiste bewegt, vergoss der Herr Tränen am Grabe des Lazarus. Dort lesen wir: „Jesus weinte“. Er machte das Leid anderer zu Seinem eigenen (Joh 11,33-35). Wie oft lesen wir von Ihm: "Er war innerlich bewegt" (Elberf. Übers.). Sehr tief gerührt war Er auch angesichts des Unglaubens. So weinte Er über Jerusalem, das Ihm nicht glauben und Ihn nicht erkennen wollte (Lk 19,41). Noch heute ist der Herr tief bewegt ob all unserm Elend (Heb 4,15). Er hat Mitleid mit all unsern Schwachheiten; denn Er ist in allen Dingen versucht worden, gleich wie wir. Wie Er, sollen auch wir Anteil nehmen an den Leiden und Tränen anderer. Gleich wie Er der Gott alles Trostes ist, so wollen auch wir die trösten, die in allerlei Drangsal sind (2Kor 1,4). Wie viele Gelegenheiten versäumen wir in diesem Stück und vergessen, dass die Herzen durch Leiden empfänglich sind. Die Schrift sagt nicht umsonst: „Besser das Haus der Trauer, als das Haus der Freude“.
V. In Selbstlosigkeit. Der Herr war reich, doch wurde Er arm um unsertwillen, damit wir durch Seine Armut reich würden (2Kor 8,9). Niemand vermag die Reichtümer Christi zu beschreiben, die Er zu unsern Gunsten opferte. Die meisten Menschen aber streben nach Reichtum und guter Position. Wie schrecklich macht sich doch bei uns der Geltungstrieb bemerkbar, im Gegensatz zum Herrn, der sich selbst zu nichts machte! Er war der Freund der Armen, der Zöllner, der Sünder und der Verachteten. Wir dagegen lassen es andere wissen, wenn wir mit hohen Personen verkehren konnten. Auch Seine Wundermacht benützte Er nie für sich. Von Eigenliebe wusste der Herr nichts. Dieses erhabene Vorbild hatte der Apostel Paulus vor Augen, wenn er sagt: „Ich bin mit Christo gekreuzigt“ und uns ermahnt, nicht auf das Unsrige zu sehen, sondern auch auf das des andern. Das ist die Gesinnung Christi. Der Gläubige sollte nie Rechthaberei, Eigenliebe und dünkelhafte Selbstgenügsamkeit in sich aufkommen lassen, ansonst er kein Herz für die Armen, Kranken und Trauernden hat und somit im Gegensatz zum Herrn und Seinem Wort steht. Nicht das, was wir bekannt haben zu sein, oder vielleicht gar gepredigt haben, wird am Tage Christi anerkannt werden, sondern das, was wir in Wirklichkeit waren.
VI. In Liebe. Die Aussaat des Herrn war Liebe. Täglich streute Er Liebe nach allen Seiten hin aus. Er liebte nicht wie wir, im besten Fall die Freunde, - nein, Er liebte selbst die Feinde und betete für sie. Wie Er die Seinen liebte, so liebt Er sie bis ans Ende. Seine Liebe kannte keine Unterbrechung. Petrus mochte Ihn verleugnet haben, der Herr aber schaute Ihn voll Erbarmen an. Die Jünger mochten Ihn verlassen haben; aber kaum war der Herr aus den Toten auferstanden, so suchte Er sie auf und setzte ihnen ein Mahl vor.
VII. In Reinheit. Ein jeglicher, der diese Hoffnung hat, reinigt sich, gleich wie Er rein ist (1Joh 3,3). Er wird der Heilige, der Reine genannt. Seine makellose Reinheit tritt immer wieder hervor. Das allesdurchdringende Heilige Gottes konnte nichts Unreines an diesem Menschensohn entdecken. Reinheit soll auch jeden Gläubigen zieren.