Behandelter Abschnitt Phil 2,2-4
Volle Einigkeit (Phil 2,2-4)
Nachdem der Apostel in Vers 1 seine vierfache Voraussetzung für die Einigkeit und das Gleichgesinntsein den Philippern vorgelegt hat, lässt er einige weitere wichtige und notwendige Ermahnungen folgen. Zunächst ist es:
I. Ein persönlicher Wunsch.
Erfüllet meine Freude, dass ihr einerlei gesinnt seid. Ihr habt schon so viel für mich getan, mich so oft erquickt, während ich bei euch war, und seitdem ich abwesend bin, nun bitte ich euch, füllt diesen Liebesbecher zum Überfließen. Aber womit sollten sie den Becher füllen? Mit herzlicher Einheit untereinander. Die größte Freude des Hirten ist die, die Herde in Einheit und Liebe untereinander zu sehen. Das war ja und ist der Wunsch des Erzhirten (Joh 13,34; 17,21). Es ist aber auch der Wunsch eines jeden Dieners Gottes. Es ist, als wolle Paulus sagen: eins fehlt noch (Lk 18,22), nämlich die innige Liebe zueinander. Sie sollten einander so lieben, wie sie den Apostel liebten und nicht etwa eifersüchtig einander beobachten, wie ein Polizist, der auf die Fehler der andern aufpasst, sie notiert und ein Strafverfahren einleitet. Bedenket vielmehr, dass ihr Priester Gottes seid und übt diesen hohen Dienst füreinander aus. In unserm Wesen sind wir erst dann mit anderen Gläubigen verbunden, wenn wir ihre Leiden, Lasten und Freuden teilen. Wenn ihr, Philipper, diese meine Bitte erfüllt, so habt ihr meinen Freudenbecher zum Überfließen gebracht (1Thes 3,8, 9). Sie sollen:
II. Einerlei gesinnt sein.
Paulus will wohl den Philippern sagen: Euer Interesse am Evangelium ist sehr groß, wie viel fruchtbarer wird es aber erst sein, wenn wahre Einheit und Liebe unter euch herrschen! Die Welt wird noch mehr bereit sein, an den Herrn zu glauben, wenn sie diese, eure innere, feste, geschlossene Front sieht (Joh 13,35; 17,21). Dieser ausgesprochene Wunsch des Apostels verbindet sich so recht mit der in Kap. 1, 27 ausgesprochenen Ermahnung, des Evangeliums würdig zu wandeln. Die Notwendigkeit dieser Einheit ist bedingt durch die Tatsache, dass wir einen Herrn , einen Glauben und eine Taufe haben (Eph 4,5). Alle sollen ihre Interessen und Zuneigungen auf dasselbe Ziel richten (Röm 15,5; 1Kor 1,10). Paulus verlangt nicht, dass sie alle gleich denken, aber sie sollen alle gleich gesinnt sein, d.h. wie Jesus Christus. Wie verschieden sind Instrumente, wie Piano, Flöte und Violine, doch wie lieblich ist ihre Musik, wenn alle auf einen Normalton gestimmt sind. Aber ebenso sehr schmerzt es das Ohr, wenn es an der Einstimmigkeit fehlt. Wenn schon des Apostels Freude über die Einheit so groß war, wie viel größer muss dann die Freude des Herrn im Himmel sein, wenn Er die Einheit unter den Seinen verwirklicht sieht. Der Apostel nennt nun im weiteren noch einige Einzelheiten.
III. Dieselbe Liebe habend.
Sie sollen untereinander dieselbe herzliche Liebe haben, wie sie sie zum Herrn und zu ihm, dem Apostel selbst, hatten. Sie sollen sich selbst vergessen, wie Jonathan es David gegenüber tat, und ihm alles gab. Wir sollen nicht einen dem andern vorziehen, sondern alle mit dem Herzen Jesu lieben. Einen Bruder nicht lieben, oder gar sich von ihm zurückziehen, soll unter ihnen nicht gekannt sein.
IV. Einmütig und eines Sinnes sein.
Alle sollen vom gleichen Gedanken und Sinn erfasst sein: Christus, Sein Werk, Seine Ehre und Seine Verherrlichung. Christus soll durch sie alle hoch erhoben und gepriesen werden. Sie sollen alle mit einer Seele mitkämpfen (Kap. 1, 27). Weil die Berufung Gottes in Christo Jesu nach oben vor uns als Ziel steht, darum ist unser Sinn auf Jesus gerichtet und mit aller Macht jagen wir dem Ziele zu (Kap. 3, 14).Die Einigkeit der Kinder Gottes ist ein überaus wichtiges Gut; darum kehrt auch die Mahnung zur Einigkeit so oft wieder. Die Einigkeit der Kinder Gottes soll der Welt den Beweis für die Gottesherrlichkeit Jesu liefern (Joh 17,23). Bisher sind die Gläubigen diesen Beweis noch schuldig geblieben. Ein schönes Beispiel der Einheit bietet uns die Geschichte der Höhle Adullam, obgleich jene Männer, die David auf seiner Flucht folgten, gar verschieden waren. Das gemeinsame Interesse verband sie. Durch ihre innere Verbundenheit fiel das Königreich Sauls, und David wurde auf den Thron erhoben. Der tiefe Ernst, mit dem Paulus gerade diese Wahrheit wiederholt, beweist die große Wichtigkeit der Einheit der Gläubigen (Röm 15,5; 1Kor 1,10; Eph 4,3-6; Joh 17,21-23).
V. Die Früchte der Einigkeit und Liebe.
Der Apostel nennt einige in den nächsten Versen.
1. Der Parteigeist verschwindet. Erschreckend groß ist in unserer Zeit der Parteigeist. Man sieht alles im Lichte seines eigenen Gesichtskreises, aber nicht in dem der Schrift. Man baut nicht, wie Elias, den Altar von zwölf Steinen, sondern man kennt nur seinen eigenen Stein, aus dem man sein winziges Altärlein erstellt. Man handelt genau so, als wäre man ganz allein. Man geht vor lauter Parteisucht sogar soweit, vor andern Gemeinden und ihren Zusammenkünften zu warnen und ihre Diener gering zu achten. Kann das den Herrn erfreuen? Nein, niemals!
2. Die eigene Ehre vergeht. Wie Paulus, so kennt man dann nur noch einen Ruhm, den des
Kreuzes (Gal 6,14). Aber viele rühmen sich selbst und ihre Werke und vergessen: „Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn“. Alles Prahlen und Aufschneiden ist aus dem Fleisch und der Gesinnung Christi völlig entgegen.
3. Demut erfüllt das Herz. Gerade Demut sollen wir vom Herrn lernen. Er sagt: „Ich bin sanftmütig und von Herzen demütig“ (Mt 11,28). Keine Tugend ist so anziehend wie wahre Demut. In Paulus sah man allenthalben ihre reichen Früchte.
4. Achtung, Wertschätzung des andern tritt hervor. Einer achte den andern höher als sich selbst (Röm 12,10; Eph 5,21; 1Pet 5,5). Denken wir, mit welcher Wärme der Apostel im gleichen Kapitel von seinen Mitarbeitern schreibt. Man sieht nicht mehr das Böse, das Schlimme, sondern das Gute im Nächsten.
5. Das eigene Ich wird entthront. Nicht auf das Seine sehen, sondern auf das des andern. Niedriggesinntsein erhebt den andern (Kol 3,12). Wir fangen an, die Interessen anderer zu den unsrigen zu machen (1Kor 10,24,33; 13,5).
Wie nötig sind doch diese einfachen Schriftwahrheiten für uns alle. Studieren wir sie unter ernstem Selbstgericht vor dem Herrn und die Frucht wird nicht ausbleiben.