Behandelter Abschnitt Phil 1,22-27
Leben und Sterben (Phil 1,22-27)
Nachdem der Apostel sich mit der Frage: „Leben oder Sterben“ auseinandergesetzt hat, steht er vor einer großen Entscheidung. Er weiß nicht, worum er bitten soll: Um das Abscheiden, um bei Christo zu sein, oder um das Bleiben im Fleisch? Sterben wäre für ihn ohne Zweifel Gewinn, weil dadurch alle seine Leiden beendet würden, und er vor allem bei Christo sein würde; aber Paulus blickt auf das Werk, auf die Philipper und andere Kinder Gottes, die ihn noch sehr benötigen. Um ihnen zu dienen und weiterzuhelfen im Glaubensleben, ist er bereit seine Herzenssehnsucht, bei Christo sein, hinauszuschieben. Wenn sein Bleiben, verbunden mit den vielen Leiden, nützlicher ist, dann will er sich gern dafür entscheiden und das für ihn persönlich Bessere zurückstellen. Paulus will gern an dem Platze sein, wo ihn sein Herr haben will. O, diese selige Ergebenheit in den Willen Gottes! Paulus überlässt die Wahl ganz seinem Herrn, und das tun noch heute alle diejenigen Gotteskinder, die ihr Ich in den Tod gegeben haben und allein Gott leben. Im Leben jedes Gotteskindes, das den Eigenwillen drangegeben hat, ist der Wille Gottes mächtig Pauli Motto lautete: „Wie Gott will, will ich“.
I. Der Grund der Sehnsucht, bei Christo zu sein. Paulus hatte
Christus gesehen. In Ihm erfunden zu werden, war sein ganzes Streben.
Dafür wirkte er mit bestem Gewissen (Apg 24,16; Heb 10,22). Sein
ganzes Rühmen war nur Christus (Gal 6,14), in Ihm lebte er (
II. Bei den Gläubigen zu bleiben. Das war die andere Seite, die den Apostel beschäftigte. Er wurde von beiden Seiten bedrängt; so ist es oft bei den Gläubigen. Paulus sah, dass das Feld zur Ernte reif war, er erkannte, wie nötig es war zu bleiben. Er blickte auf die Philipper und andre Gemeinden und stellte sie sich vor, wie sie am Tage Christi dastehen werden. Wie eine reine Jungfrau sollen sie vor Ihm erscheinen. Dachte Paulus an die Bedürfnisse der Heiligen und an ihre Fortschritte im Glaubensleben, dann wollte er hier bleiben. Wenige denken an die Bedürfnisse der Gläubigen. Vielerorts evangelisiert man nur ständig und vergisst die Pflege der Heiligen und deren Wachstum zu fördern. Man pflanzt wohl, vergisst aber das Begießen. Es gilt nicht nur, Kinder zu zeugen, man muss sie auch in der rechten Weise erziehen. Aus den neugeborenen Kindlein in Christo sollen Jünglinge, Männer, Väter in Christo und Mütter in Israel werden. Denken wir daran, was der Apostel in Ephesus getan hat, wenn er sagt, dass er jeden einzelnen während drei Jahren täglich mit Tränen ermahnt habe (Apg 20). Paulus hoffte zu bleiben um der Gläubigen willen, er war um sie besorgt wie ein Vater um seine Kinder. Unablässig musste Paulus lehren, ermahnen, trösten und stärken. Paulus will den Dienst vollenden, der ihm anvertraut ist. Er fragt nicht, was das Vorteilhaftere für ihn sei, obwohl er voller Narben und Wunden war und nichts Besseres voraussieht, wenn er hienieden bleibt. Nach alledem fragt er nicht. Die Liebe Christi drängt ihn (2Kor 5,14; 4,10). So erfüllte den Apostel eine doppelte Sehnsucht: bei Christo zu sein, und seinen Herrn im Leben zu verherrlichen. Christi Sache ist die seine. Mit Christo leben ist eine hohe Stufe, aber noch höher ist die, für Ihn zu sterben. Den Gewinn bezieht Paulus auf Christus: „Auf dass Christus verherrlicht werde“. Die Gegenüberstellung ist also der große Gewinn der Christusgemeinschaft durch Sterben, als das Bessere, und das leibliche Weiterleben als das Nötigere für die Christengemeinde. Paulus nennt sich einen „Sklaven“ Jesu Christi und will ausharren in seinem Sklavendienst. Wir dürfen also den Tod als etwas Willkommenes ansehen, aber auch das Sterben ist schön, weil wir dann noch den Herrn verherrlichen können. Das Abscheiden war meistens der Frommen Sehnsucht, aber nur das Neue Testament kennt das Sein bei Christo (Heb 12,24).
III. Des Apostels Klarheit über die Abgeschiedenen. Abzuscheiden und bei Christo zu sein ist Pauli Hoffnung.
Paulus kennt kein Fegfeuer. Er setzt es für selbstverständlich voraus, dass er nach dem Tode bei Christo sein wird. Schon allein mit dieser Stelle verwirft Paulus die Lehre über das Fegfeuer. Nicht im Fegfeuer, sondern bei Christo will er sein! Lieber Leser, bedenke, was für eine Seelenstimmung du haben wirst, wenn du bei Christo sein wirst.
Paulus weiß auch nichts von einem Seelenschlaf. Christus schläft nicht, sondern Er ist droben zur Rechten Gottes als unser großer Hoherpriester und vertritt uns. Der Apostel wusste, dass es für den Gläubigen keinen unbewussten Zustand gibt und er glaubte nicht an die Sterblichkeit der Seele. Er sagt: „Ausheimisch vom Leibe und einheimisch beim Herrn“ (2Kor 5,8). Auf dieses Wort dürfen auch wir bauen. Der Apostel weiß zwar, dass das nicht der endgültige Zustand ist, das kann er nicht sein, wenn die eine Hälfte unseres Seins dem Raub der Würmer zurückgelassen wird. Die Fülle der Herrlichkeit liegt in der Auferstehung, aber wenn rein bildlich gesprochen, auch nur die Hälfte bei Christo ist, so ist dies gewiss schon unaussprechliche Herrlichkeit (Lk 23,43).