Behandelter Abschnitt Apg 16,25-40
Die Apostel im Gefängnis
Paulus und Silas hatten das Wort des Herrn in Mt 10,17 ff. erlebt: „Sie werden euch überantworten vor ihre Rathäuser und werden euch geißeln“. So hatten die Feinde scheinbar ihr Ziel erreicht, aber sie kannten den großen und mächtigen Gott der Apostel nicht. Zwar hatten sie die Gottesmänner schändlich entehrt und ihnen bittere Leiden zugefügt, aber der Trost des Heiligen Geistes, den diese zwei Zeugen Gottes erfuhren, überwog alle Härten. Und was werden die wenigen Jungbekehrten in Philippi zu diesen Ereignissen gesagt haben? Ihr Glaube wurde gleich von Anfang an auf eine harte Probe gestellt. Dadurch wurde offenbar, ob ihr Glaube echt war. Es ist gewiss, dass sie für ihre misshandelten Brüder ernstlich beteten und so wird die Erhörung, die sie schon am nächsten Tage erlebten, etwas ganz Großes für sie gewesen sein. Aus dem Herzen der Apostel selbst aber erscholl:
Ein Lobgesang. Die Verfolger der Apostel machten ein sehr großes Geschrei und brachten die ganze Stadt in Aufregung. Die Apostel aber sangen Loblieder ihrem Gott. Wie Hiob verherrlichten sie ihren Herrn inmitten von schweren Leiden (Hiob 1,21). Wer einen Gott hat wie die Apostel, stimmt in ihr Wort ein: „Danksaget für alles“ (1Thes 5,17)
Kein Übel kann den in Gott ruhenden Gläubigen die Freude am Herrn rauben. So fingen die Apostel um Mitternacht an den Herrn zu preisen. Ganz ähnlich handelte ehedem unser Herr. Angesichts des Kreuzes lesen wir das herrliche Wort: «Und als sie den Lobgesang gesungen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg» (Mt 26,30). Der Strom der Freude war tiefer als alle bevorstehenden Leiden.
D i e S ä n g e r . Es waren die aus vielen Wunden blutenden und im Stock liegenden Apostel. Gott vermag die Seinen unaussprechlich reich zu trösten und zu ermuntern. Es ist ihm ein Kleines, über viel Leiden hinwegzuhelfen. Das sahen wir schon bei der Steinigung des Stephanus.
D i e Z u h ö r e r . Es waren die übrigen Gefangenen, die so etwas noch nie erlebt hatten. Mag nicht mancher von ihnen in seinem Elend gedacht haben: einen solchen Gott möchte ich auch haben. ‑ Ohne Zweifel hörte auch die Engelwelt, welche die Gläubigen ununterbrochen umgibt, diesen einzigartigen, mitternächtlichen Lobgesang! Vor allem aber erquickten die Loblieder Gott selbst, und die Sänger wurden reichlich belohnt (Ps 102,19-21). Allerdings waren die Füße der Apostel in den Stock geschlossen, aber ihre Herzen vermochte man nicht zu fesseln.
D e r G e s a n g war ein Loblied zur Ehre Gottes. Es war also kein Klagelied. Gott hatte ein neues Lied in ihren Mund gelegt und viele hörten es (Ps 40,3). Kinder Gottes sollen zu allen Zeiten, besonders aber in Leidenstagen der Welt zeigen, wie allgenugsam ihr Gott und Vater ist.
Das Echo dieses Lobgesanges. Wir sahen bereits, dass nicht nur die Gefangenen allein Zuhörer waren, sondern auch der Herr selbst. Das himmlische Echo ließ nicht lange auf sich warten. Es tönte aber ganz anders als der schwache Widerhall einer menschlichen Stimme. Gott redete:
Durch ein Erdbeben. Das Gefängnis wurde bis in seine Grundfesten erschüttert. Alle Türen sprangen auf, die Fesseln fielen und die Gefangenen waren frei. Warum auch nicht? Es werden kaum schlimmere Verbrecher unter ihnen gewesen sein als jene Ratsherren waren, die die Apostel ohne Verhör und ganz rechtswidrig geißeln und ins Gefängnis werfen ließen. Das Erdbeben weckte den Kerkermeister, der eilig ins Freie sprang, um sein Leben zu retten. Dabei sah er, dass alle Gefängnistüren offen standen. Plötzlich erfasste ihn eine große Furcht, da er glaubte, die Gefangenen seien entwichen, so dass er sich in sein Schwert stürzen wollte. Er haftete nämlich mit seinem eigenen Leben für die Gefangenen. Der Mensch ohne Gott und ohne Hoffnung geht in der Verzweiflung entweder zu Wahrsagern, oder er nimmt sich das Leben, wenn seine Lage ohne andern Ausweg zu sein scheint. Paulus hinderte den Kerkermeister an seinem Vorhaben und rief ihm zu: „Tue dir nichts Übles, denn wir sind alle hier.“ Erleichtert atmete er auf.
Er forderte Licht. Nun sah er die Wirkung des Erdbebens erst recht deutlich, aber zu seinem Erstaunen waren die Gefangenen alle an ihren Plätzen. Warum war keiner entronnen? Gewiss hatte Gott es verhindert. Oder dachten sie so sehr über all das große Geschehen, den Lobgesang und das Reden Gottes durch das Erdbeben nach, dass ihnen kein Entweichungsgedanke kam? Um Licht hatte der Kerkermeister gebeten. Es wurde ihm nicht verweigert. Noch zur selben Stunde offenbarte ihm das helle Licht des Evangeliums die Ruinen seines Lebens. Es wird ihm wie Jesaja ergangen sein der ausrief: „Wehe mir, ich bin verloren!“ (Jes 6.) Der Heilige Geist überführt als erstes den Menschen von seiner Sünde, dann aber zeigt er ihm die Erlösung durch Christum. Und nun stellte der Kerkermeister:
Die große Frage. „Was soll ich tun, dass ich selig werde?“ Er wusste sich also unselig d. h. verloren. Seine Frage beschäftigt früher oder später die allermeisten Menschen; denn alle tragen das Bewusstsein im Herzen, dass es dem Menschen gesetzt ist einmal zu sterben, und hernach das Gericht folgt. Alle ermangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollten und werden umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durch die Erlösung, die in Christo ist (Röm 3,24). Ohne Christus ist jeder verloren und muss fragen wie der Kerkermeister: „Was soll ich tun, dass ich selig werde?“ Vor Gott kann niemand durch eigene Werke bestehen.
Die klare Antwort. „Glaube an den Herrn Jesus Christus.“ Der Mensch muss also gar nichts tun zu seiner Errettung, wie der Kerkermeister meinte und mit ihm die meisten Menschen. Wir brauchen nur an Jesus, den Retter, zu glauben. Jesu sühnendes Blut macht uns rein von aller Sünde und Seine Gerechtigkeit stellt den Glaubenden tadellos vor Gott hin. Der Sünder darf glauben, dass Jesus gekommen ist, zu suchen und selig zu machen was verloren ist und dass Er für ihn die Strafe für die Sünde getragen hat. Die Antwort des Apostels stellt in kürzester Form den Weg zur Seligkeit dar. Studieren wir ihn gründlich, damit wir Suchenden keine Lasten auferlegen, sondern die Gnade in Christo allein anbieten. So viele Ihn aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu heißen, denen, die an Seinen Namen glauben (Joh. l, 12).
Der nächste Tag (Vers 35-40). Im Gefängnis wie im Rathaus war eine große Umwandlung vor sich gegangen. Auf welche Weise Gott während der Nacht mit den Ratsherren geredet hatte, verschweigt uns die Schrift. In jedem Fall hat Er aber so stark an ihre Gewissen appelliert, dass sie schon am frühen Morgen des folgenden Tages die Freilassung der Apostel anordneten (Die Ratsherren werden es im allgemeinen nicht so eilig gehabt haben, die Eingelieferten ohne Untersuchung auf freien Fuß zu setzen.). Und als der Kerkermeister den Aposteln die sofortige Befreiung ankündigte, wies Paulus dieselbe zurück und begründete diese seine Stellungnahme mit dem Rechtsanspruch eines römischen Bürgers. Er hätte ja schon v o r der öffentlichen Geißelung sagen können, dass er römischer Bürger sei, und sehr wahrscheinlich wäre dann eine so brutale Behandlung sowohl ihm als auch Silas erspart geblieben. Über all das Geschehen wachte aber dennoch der treue Gott. Wir hätten die Bekehrung des Kerkermeisters (die seither schon so vielen zur Umkehr verholfen hat) kaum in der Schrift, wären Paulus und Silas in Philippi nicht ins Gefängnis gekommen. Paulus konnte auch hier sagen: „ In allem erweisen wir uns als Gottes Diener, in Gefängnissen und in Aufständen“ (2Kor 6,4 ff.).