Behandelter Abschnitt Apg 7,35-50
Gottes treue und Israels Untreue
Mose selbst mag den Gedanken, jemals wieder nach Ägypten zurückzukehren, längst aufgegeben haben und hütete indessen treu die Herde Jethros, seines Schwiegervaters. Moses Leben zählt dreimal vierzig Jahre. Die ersten vierzig Jahre verbrachte er bekanntlich in Ägypten am Hofe Pharaos. Die nächsten verweilte er in der Schule Gottes im Lande Midian. Am Ende dieser Zeit beauftragte Gott ihn, nach Ägypten zurückzukehren, um die dritte Periode von vierzig Jahren im vollen Segen Seinem Gott und Volk zu dienen. Mose wurde der größte Mann der Geschichte des Volkes Israel. Stephanus fuhr nun in seinem geschickten Überblick über Israels Geschichte fort:
Diesen Mose, den sie verleugneten ‑ hat Gott zum Retter gesandt (Vers 35). Gerade d e n, welchen das Volk von sich stieß und von dem Israel sagte: „Wer hat dich zum Obersten und zum Richter gesetzt?“ den sie also ablehnten, gerade diesen Mose hatte Gott zum Führer und Retter Israels aus Hunderttausenden auserkoren. Hat nicht der, von dem Mose nur ein schwaches Vorbild war, die gleichen Erfahrungen gemacht? Sagte nicht Israel vom Herrn: „Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche!“ Und ausgerechnet wird es dieser verworfene Christus sein, der einst in der großen Trübsal Sein Volk aus schrecklicher Not befreien wird. Und wie einst der Schmelzofen in Ägypten heiß brannte und Israel den Mose gern als Retter begrüßte (2. Mose 4,29-31), so wird das jüdische Volk am Ende dieses Zeitalters J e s u s, seinen verworfenen Retter und König, willig und freudig aufnehmen und Ihm dienen. Auf weißem Pferd wird Er als der oberste Kriegsherr an der Spitze der himmlischen Heerscharen mit Seinen Heiligen erscheinen, Israel aus den Klauen des Tieres (Antichrist) erretten und zu den verheißenen Segnungen führen. Und wie damals Pharao mit seinem Heer im Roten Meer unterging, so werden auch der Antichrist und seine Heere ein plötzliches, schreckliches Ende finden (Off 19,20-21).
Die göttlichen Ausweise des Retters. Gott hatte Mose nicht allein gerufen, Er hat ihm auch die Befähigung gegeben, große Zeichen und Wunder zu tun als Beglaubigung seiner göttlichen Sendung (Vers 36). Drei verschiedene Wunder werden genannt, die Mose tat:
Der Stab in Moses Hand, der zur Schlange wurde.
Die Hand, die Mose in seinen Busen steckte und aussätzig wurde.
Das Wasser, das Mose aus dem Strom nahm und sich in Blut verwandelte.
Pharao und Israel sollten durch die vielen Zeichen und Wunder, die beim Auszug und später in der Wüste geschahen, erkennen, dass Mose im Auftrage Gottes kam. Und während Stephanus also sprach, mussten seine Zuhörer gewiss an die weit größeren und viel zahlreicheren Wunder denken, die Jesus in ihrer Mitte tat. Des Herrn göttliche Sendung war also noch weit mehr beglaubigt als die des Mose, und dennoch lehnten sie den Herrn ab. Wiederholt sagte der Herr, dass der Vater Ihn gesandt habe, und wenn sie Seinen Worten nicht glauben wollten, so sollten sie doch der Wunder wegen glauben, die Er in ihrer Mitte tat.
Etwas Ähnliches wird sich nochmals unter Israel während der großen Trübsal abspielen. Dann wird Gott Seines Volkes gedenken und ihm unter anderem zwei Zeugen geben (Off 11), die ähnlich wie Mose ausgerüstet sein werden, und viele in Israel werden ihren Worten und großen Zeichen glauben, sich retten lassen und hernach ins Reich eingehen.
Stephanus gedenkt auch der Wüstenzeit des Volkes. Er beleuchtet sie von drei verschiedenen Seiten:
1. Was Gott dem Volk in der Wüste war. Wie Er Sich Israel am Sinai geoffenbart und durch Mose zum Volk geredet hat.
2. Was Mose selbst dem Volk war, nämlich der größte Prophet Israels (Vers 37). „Einen Propheten wird euch der Herr, euer Gott, erwecken aus euren Brüdern, gleich wie mich; den sollt ihr hören.“ Mose wies hier auf keinen andern als auf Jesus hin.
3. Mose war der große Mittler zwischen Gott und dein Volke. Zweimal weilte er vierzig Tage mit Gott auf dem Berge. Er überbrachte dem Volk das Gesetz und die Anordnung des ganzen wunderbaren Gottesdienstes. Ihm wurde die Stiftshütte, Israels Heiligtum, das ein Abbild des Himmels selbst war, gezeigt. Und unter Moses Anleitung wurde sie erbaut und eingeweiht.
Das sichtbare Zeugnis in der Wüste (Vers 44). Es ist jene einzigartige Hütte, von der Gott sagte: „Sie sollen mir ein Heiligtum bauen, damit ich unter ihnen wohne.“ (2. Mose 25,8). Diese Stiftshütte wurde ein „Zeugnis“ genannt. Der Hauptgegenstand darin war die Bundeslade. In ihr befanden sich die Gesetzestafeln, die ein beständiges Zeugnis göttlicher Herkunft waren, die aber Israel wegen seiner vielen Übertretungen oft verklagten. Gott, der zwischen den Cherubim thronte, sprach mit Israel von dieser Lade aus. Von hier aus tat Gott dem Volk Seine Wege kund. Über dieser Hütte war die Gegenwart Gottes durch die Wolkensäule deutlich erkennbar. Kein Wunder, wenn Mose einst sagte: „Glückselig bist du Israel! Wer ist wie du, ein Volk, gerettet durch Jehova?“ (5. Mose 33.)
All diese wunderbaren alttestamentlichen Einrichtungen waren ja nichts anderes als Vorbilder auf den Herrn Jesus hin, der Fleisch wurde, unter uns wohnte, aber weder erkannt noch angenommen wurde.
Ein trauriges Gegenstück (Vers 43). Israel beantwortete den großen Vorzug, dass Gott unter ihm wohnte, damit, dass es dem Götzen Moloch eine Hütte baute und ihm sogar seine Söhne opferte, anstatt sie in den Wegen Gottes zu unterrichten. Weil es sich an andere Götter hing, überließ es Gott sich selbst (Hosea 4,17). Was werden die Obersten des Volkes über diese Anklage gedacht haben? In keinem Fall konnten sie sie verneinen. Israels Götzendienst begann mit jenem goldenen Kalb in der Wüste und endete mit Tempeln, die es dem ganzen Heer des Himmels baute. Von der Einzahl ging es in die Mehrzahl. Die Sünde fängt meistens klein an, ja für das menschliche Auge sogar unsichtbar, im Herzen. Stephanus nennt nun:
Drei bekannte Männer in Israel. Josua, David und Salomo.
Josua, Israels Heerführer, führte das Volk in das verheißene Land. Mit diesem Namen berührte Stephanus einen weiteren, wunderbaren Teil der Geschichte Israels, der trotz allen Segnungen und Wundern wiederum mit der Untreue Israels abschloss. Israel trieb die Feinde nicht aus, es verband sich vielmehr mit ihnen und diente deren Göttern.
David und die Monarchie (Vers 45-46). Über David, Israels besten König, sagt Stephanus so schön: „Er fand Gnade bei Gott.“ Er war der Mann nach dem Herzen Gottes (1Sam 13,14), der seine Freude allein im Willen Gottes fand (Psalm 40,8).
Aber auch ihn hat Israel geschmäht und verworfen, genau so wie später den „Sohn Davids“, J e s u s.
Salomo und der Tempel. Salomo wurde die Ehre zuteil, den Tempel zu bauen (1. Könige 6,8). Er war das Vorbild auf den großen Friedenskönig Jesus Christus. Vom Tempel, dem Stolz Israels, sagt Stephanus: „Gott wohnt nicht in einem Haus von Händen gemacht. Sein Stuhl ist der Himmel, und die Erde sein Fußschemel.“ Wie sollte der große Gott in einem Tempel wohnen können! Und doch erfüllte Er einst den Tempel mit Seiner Herrlichkeit. In den Tagen des Stephanus war allerdings längst nichts mehr von jener Herrlichkeit zu sehen; sie hatten den Herrn des Tempels hinausgestoßen und Gottes Haus zu einer Mördergrube gemacht. Und was war das Ende?
Gott verpflanzte Israel nach Babel (Vers 43). Einst holte sich Gott einen Weinstock aus Ägypten und pflanzte ihn auf einen fetten Hügel (Jes 5), nun muss dasselbe Israel seiner Sünden und seines Götzendienstes wegen nach Babylon verpflanzt werden. Israel hörte nicht auf seine Propheten ‑ und das Ende war die Gefangenschaft in der Fremde. Diese lange, trübe Seite der Geschichte Israels hörten jene Obersten des Volkes ungern an und doch konnten sie nicht widersprechen. Stephanus hätte noch stärkere Ausdrücke brauchen können, man denke nur an Hosea und andere, die Israel als H u r e hinstellten.
Und wenn wir heute an die Geschichte der Gemeinde denken, müssen wir dann nicht demütig bekennen: Gar viele Segnungen sind mit Untreue beantwortet worden. Wir erinnern an ihre Zerrissenheit, an die toten Kirchen, an die vielen Irrlehren und an das Abfallen vom allein seligmachenden Opfer Christi, hin zu Aberglauben, Unglauben und Wahrsagerei. Das Ende wird Gericht sein, genau wie bei Israel.