Gottes starker Arm
Dieser Vers ist einem Blick in das Herz Gottes gleich. Er zeigt den Herrn in Seinem ganzen Denken, Empfinden und Handeln Seinem auserwählten Volk gegenüber. Und zu erwarten wäre, dass sich Sein Volk auch so sehnsüchtig nach Ihm ausgestreckt hätte. Man kann nur mit Paulus in Röm 11,33 einstimmen: „O welch eine Tiefe des Reichtums!“ Gottes Augen, Ohren und Arm sind mit der Rettung Seines Volkes beschäftigt.
Als der Allwissende steht Gott in diesem Vers vor uns, als der, der alle Seufzer der Seinen hört und sie aus ihrer Not herausrettet. Gott nennt hier Israel „Mein Volk“; hatte Er es doch vor andern Völkern für Sich erwählt. Und wie viel mehr darf sich die Gemeinde Gottes des Vaters freuen, weil sie als Seine Kinder auf noch viel kostbarerer Grundlage erwählt ist als Israel, nämlich in Christo. Beachten wir kurz, was die Schrift über Gottes Beziehungen zu Seinem Volke sagt, Sie hebt hervor:
Gottes Augen. „Gesehen habe ich das Elend meines Volkes.“ Seine Augen durchstreifen die ganze Erde und ruhen mit Wohlgefallen auf den Seinen. Damals auf Israel, heute auf der Gemeinde und somit auf jedem Einzelnen. Israel schmachtete in jener Zeit in Ägypten. Die Not war unsagbar groß. Politisch waren sie Gefangene, sozial Rechtlose und religiös völlig Entartete. Wohl wegen letzterem ließ Gott so großes Elend über sie kommen. Durch die Drangsale sollten sie sich veranlasst fühlen, zu Gott zu schreien und Ihn als Retter erleben. Und wenn Er nicht immer gleich oder gar nicht eingreift, so ist es nicht deshalb, dass Er das Elend nicht sieht, oder nicht zu helfen vermag, sondern weil Seine Gedanken nicht die unsern sind. Wie damals Gottes Augen alles sahen, so sehen sie noch heute die Not aller. Er hat Mitleid mit uns. Dennoch dürfen wir uns fragen, wenn Sorgen, Nöte und Leiden uns treffen, was Gott damit bezweckt? Will Er uns nur prüfen, oder will Er uns reinigen?
Gottes Ohren. „Ihr Geschrei habe ich gehört.“ Gott sah die Stöcke der ägyptischen Treiber und ihr herzloses Dreinschlagen. Er hörte aber auch jeden lauten und inneren Notschrei. Er hörte das Schreien einer Hanna im Hause Gottes genau so deutlich, wie das eines Jeremias in der Grube. Die Notschreie der Leidenden, der Unterdrückten, vom Kinde bis zum Greise, sind Ihm bekannt‑ und wenn das Maß der Sünde der Unterdrücker voll war, so rechnete Gott noch immer mit ihnen ab. Besonders aber hört Gott den Schrei derer, die Ihn in ihrer Sündennot anrufen. Er vernimmt ihr Flehen und rettet sie.
Gottes Empfinden. „Ich kenne seine Schmerzen“ (2. Mose 3,7). Die Schmerzen der Unterdrückten des Volkes und die jener Lastträger, die unter Pharaos Knute seufzten, fühlte der Herr selbst. Als Saulus von Tarsus die Gemeinde verfolgte, rief der Herr ihm zu: „Saul, Saul, was verfolgst du mich?“ Saulus lernte dort, wie innig der Herr mit den Seinen verbunden ist, dass Er ihr Haupt ist, und sie als Seine Glieder mit Ihm eins sind. Israel mochte gedacht haben, dass niemand seine harte Lage kenne, niemand sich seiner annehme und keine Rettung mehr sei. Der Herr aber war ein genauer Beobachter alles menschlichen Tuns. Ihre Natur empfand wie die unsrige, sie sehnte sich nach Mitgefühl.
Die Besten der Heiligen sind durch viele Leiden gegangen, was uns oft ein großes Rätsel ist. Aber droben werden wir vieles verstehen, was uns hier unverständlich war.
Gottes starker Arm. „Ich bin herabgekommen sie zu retten.“ Gott hatte Abraham versprochen, dass Israel nur eine bestimmte Zeit bedrückt werde und darnach ausziehe. Gott gedachte Seiner Verheißung und erlöste Israel aus dem brennenden Ofen (1. Mose 15,13 ff.). Wenn wir hierzu ein Kapitel wie Hebräer 11 lesen, dann sehen wir, in wie vielen Fällen Gott Seinen starken Arm Seinen aus tiefer Not heraus schreienden Kindern geoffenbart hat. Erinnern wir uns an die drei Männer im Feuerofen und an Daniel im Löwengraben. Wenn auch kein lauter Schrei wahrnehmbar war, so hatten sie gewiss tief im Herzen geseufzt. Unter ähnlichen Eindrücken steht jeder Leser, wenn er die Geschichte der Makkabäer liest, ihre große Not, aber auch die mächtige rettende Hand Gottes sieht. Seine Hand ist auch heute nicht zu kurz, dass Er nicht retten könnte (Jes 50,2; 59,1). Mit welcher Geduld, Ergebenheit und Dankbarkeit sollten wir dem Herrn in jeder Lage vertrauen.
Gottes Volk. Beachten wir noch, wen der Herr retten wollte. Er sagt: „Mein Volk.“ Wie war denn dieses Volk? Halsstarrig, widerspenstig und doch nannte Gott es „mein Volk“. Er offenbarte Israel so oft Seine unumschränkte Gnade und es erfuhr sie in Moses Tagen in ihrer ganzen Fülle um Abrahams, des Freundes Gottes, willen. Wie viel mehr aber kann sich diese freie Gnade Gottes heute allen offenbaren um Jesu willen. Gott wurde nicht von der Frömmigkeit oder gar von andern Vorzügen Seines Volkes angezogen, sondern Er stand unter allen Umständen zu Seiner Verheißung. Gott durfte nicht zulassen, dass Sein Volk als Sklavenvolk ausgerottet wurde. Wohl benützte Er Ägypten als eine Schule und Pharao als einen strengen Lehrer, aber als die Rettungsstunde geschlagen hatte, beseitigte Er Schule und Lehrer.
Wohl uns, zu wissen, dass der Herr uns Seine Kinder nennt. Auch wir werden oft, wie Israel, geringschätzig behandelt, aber gleich den Jüngern dürfen wir zum Herrn kommen und Ihm alles sagen.
Gottes Werkzeug. Gott sprach zu Mose: „Ich will dich nach Ägypten senden“. Während Israel noch seufzte, bestimmte Gott in der Stille einen Befreier, Mose, den Er schon während vielen Jahren zu diesem Zwecke in der Wüste erzogen hatte. Und als wir in unsern Sünden tot waren, schickte Gott den Befreier, Jesus Christus, Seinen geliebten Sohn. Zu Israel kam der Retter zur Zeit, da Gott die Not Seines Volkes gesehen hatte, zu uns aber kam Er, als wir noch Feinde waren (Röm 5). Unser Retter war schon vor Grundlegung der Welt von Gott bestimmt, und Er kam, als die Zeit erfüllet war. Diesen großen Retter wollen wir von Herzen lieben und Ihm in Treue dienen und das besonders deshalb, da auch unser noch eine großartige Erlösung harrt, nämlich die des Leibes.