Behandelter Abschnitt Apg 7,19-29
Moses Geschichte
Stephanus war der Lästerung wider Mose, wider das Gesetz und wider den Tempel angeklagt worden, und gerade bei Mose verweilte er am längsten. Gebührender hätte kaum jemand über Mose und sein Werk reden können als Stephanus es in seiner Rede tat. Alle, die aufrichtig hören wollten, mussten erkennen, dass jede Anklage gegen Stephanus auf einem Vorurteil beruhte. Wie im Telegrammstil überflog er viele Einzelheiten des gesegneten Lebens und Dienstes des Mose und unterließ es nicht, Israels Sünde diesem Glaubensveteran gegenüber hervorzuheben, nämlich die Verwerfung dieses Mannes Gottes (Vers 35). Ehe aber Stephanus zu Mose überging, erwähnte er kurz:
Wie sieh die Verheißung 1. Mose 15,13 f. erfüllte. Stephanus hatte klargelegt, dass der Herr dem Abraham im Gesicht die Zukunft Israels geoffenbart hatte; dass es in den Ofen der Trübsal hineinkomme, durch Gottes mächtigen Arm aber herausgerettet werde. Während den Tagen Josefs kam Israel nach Ägypten und dort verweilte es während den durch Abraham geweissagten vierhundert Jahren. Am Ende dieser Zeit griff Gott rettend ein und machte der Not Israels ein Ende. Er hatte ihr Schreien gehört, denn es war ein armes, gedrücktes, freundloses Sklavenvolk, das schwer unter der harten Bürde seiner Bedrücker seufzte. Unser Gott greift übrigens noch heute meistens erst dann ein, wenn der Mensch am Ende seines Wissens und Könnens ist. Stephanus fuhr fort:
In dieser Zeit wurde Mose geboren. Tief gedrückt, aber stark im Glauben, gebar Jochebed ihren Sohn Mose. Die Lage der israelitischen Mütter jener Tage war geradezu unerträglich, denn jeder Sohn, der geboren wurde, sollte in den Strom, den Fischen zum Fraß, hingeworfen werden. Jochebed gelang es, die Geburt ihres Kindes drei Monate zu verbergen, und als es ruchbar wurde, sann der Glaube auf neue Auswege. Sie verbarg das Kind in einem Kästlein im Strom. Interessant, sie setzte es gerade dort aus, wo Pharao befohlen hatte, die Kinder zu ersäufen. Mose, der später Israels Retter aus tiefster Not werden sollte, musste erst selber allerlei Nöte auskosten. Beachtenswert ist, dass Stephanus, der die Kindheit des Mose schilderte, dabei ungenannt auf die des Herrn hinwies, die ebenfalls von größter Todesgefahr umgeben war.
Die Erziehung des Retters. Jedes Werkzeug, das Gott brauchen will, erzieht Er sich selbst. In Moses Fall wirkte der Glaube der Mutter mächtiglich mit. Noch immer hat Gott auf den lebendigen Glauben der Seinen geantwortet. Nach Gottes Vorsehung musste die Tochter Pharaos am Strom baden und dabei das weinende Knäblein entdecken. Da das Kind besonders schön war, gewann sie es lieb, nahm es zu sich und erzog es in aller Weisheit der Ägypter. Gott vereitelte die Pläne Satans. Was Gott zu Seinen Zwecken brauchen will, das kann kein Feind vernichten. Im Gegenteil! Der grausame Befehl Pharaos musste dazu dienen, dass der Retter Israels ausgerechnet in seinem Hause erzogen wurde. Sollte Mose der Führer eines so großen Volkes werden, so musste er im Staatswesen unterwiesen werden, wozu ihm im Hause Pharaos die denkbar beste Möglichkeit gegeben war. So wunderbar leitet nur unser Gott! Wie reich wurde der Glaube der Jochebed belohnt. Ihr Kind blieb nicht nur am Leben, sondern sie durfte nun sogar alle Mutterfreuden an ihm erfüllen und den Knaben behalten, bis er entwöhnt war. Dadurch wurden die Eltern Moses mit dem Hofe Pharaos vertraut, und sie werden keine Gelegenheit unbenützt gelassen haben, dem Kinde zu dienen, wie es israelitischen Eltern befohlen ward. Mose wuchs heran und wurde ein befähigter und mächtiger Mann, erzogen in aller Weisheit der Ägypter (Vers 22). Menschen, die sich schon in der Welt als nützlich und treu bewähren, erweisen sich in verstärktem Maße als tüchtig brauchbar, wenn sie sich zu Gott bekehren. Die vielseitige Schulung, die Mose zuteil wurde, war ihm später höchst nützlich.
Die große Entscheidung (Vers 23). Am Hofe Pharaos wird Mose beständig von den bösen Plänen gegen seine Brüder gehört haben und damit auch gegen seine eigenen Angehörigen. Israels Not wurde zu seiner eigenen, und so fasste er den Entschluss, das Wohlergehen seiner bedrückten Brüder zu suchen. Ihre Not weckte in ihm glühenden Patriotismus. Er wollte lieber mit dem Volke Gottes Ungemach leiden, als die zeitliche Ergötzung der Sünde am Hofe Pharaos haben; lieber mit seinen Brüdern leiden und untergehen, als in Üppigkeit das Hofleben genießen (Heb 11,24). Lange wird Mose erwogen haben, wie er wohl seinen Brüdern am wirksamsten helfen könnte. Hat er gelegentlich versucht, am Hofe ein gutes Wort für sein Volk einzulegen, um ihr hartes Los zu mildern? Wir wissen es nicht, immerhin bedeutete sein Rettersinn ein großes Risiko für sein Leben. So musste der größte aller Retter, Jesus, sein Leben geben, um uns dem Verderben zu entreißen. Die Schrift sagt: „Wer sein Leben verliert um Jesu willen, der wird es finden“, und diese Tatsache ist ausschlaggebend für jeden, der sich für Gott und Sein Werk entscheidet. Mose entschloss sich, der Befreier seines Volkes zu werden und bald folgte:
Der erste Rettungsversuch (Vers 24). Als Mose das Elend seiner Brüder und das ihnen angetane Unrecht ansehen musste, konnte er nicht anders als tatkräftig eingreifen. Kaum bei ihnen angekommen, musste er sehen, wie ein Ägypter einen Israeliten misshandelte. Das brachte sein Blut in Wallung und er erschlug kurzerhand den Ägypter. Das war allerdings Dienst in eigner Kraft und führt als solcher stets zum Fiasko. Weiter zeigte Stephanus, wie Mose als zweite Tat Frieden unter seinen Brüdern stiften wollte, denn er wusste, dass nur ein einiges Volk gegen äußere Feinde siegen kann. Hier erlebte er seinen zweiten Misserfolg. Weltliche Weisheit ist nützlich, sie ist aber ein absoluter Fehlschlag ohne die Weisheit von oben, welche Mose noch ganz abging.
Missverstanden (Vers 25-28). Mose war gewiss der Meinung, seine Brüder würden seine wohlgemeinte Hilfe begrüßen, aber er irrte sich schwer; „man stieß ihn weg“ (Vers 27). Mit der Verstoßung des Mose von seiten seiner Brüder wollte Stephanus zweifellos die Verwerfung des Herrn vergleichen, der auch als Retter gekommen ist, aber von Israel nicht allein missverstanden, sondern verworfen und sogar gekreuzigt wurde. Stephanus selbst erlebte hier, dass auch er verkannt wurde und berufen war, denselben Weg zu gehen wie Mose und der Herr. Von den Brüdern missverstanden zu werden, gehört mit zu den härtesten Glaubensproben. Wohl dem, der sie wie Mose oder Stephanus zu tragen versteht.
Das Ende eigenen Dienstes. Moses Hilfe fand harten Widerspruch sowohl bei Pharao, der ihn töten wollte, als auch bei seinen Brüdern, und so ergriff er die Flucht, um sein Leben zu retten. Das war das Ergebnis eigenen Dienstes. Hier aber sollte nun die göttliche Schule beginnen; in der Wüste ‑ in der Stille ‑allein mit Gott! Und hier erzieht Sich Gott noch heute Seine Werkzeuge.