Behandelter Abschnitt Mt 27,50-51
Der zerrissene Vorhang im Tempel.
Wir sahen bereits, daß der König in Seinem Tode von vielen Wundern umgeben war. Es ist mehr wie selbstverständlich, daß sich die Sonne verhüllte, die Erde erbebte, die Felsen zerrissen, wenn der, der allein Unsterblichkeit hat, den Geist aufgibt. Zu diesen großen Wundern gehört besonders das Zerreißen des Vorhangs. Wir lesen oft, wie bei Trauerkunden Menschen als Zeichen besonderer Betrübnis ihre Kleider zerrissen, und so möchte man bildlich sagen: als der Tempel sah, was mit dem Herrn des Tempels geschah, zerriß er wie ein tief Betrübter seinen Vorhang.
I. Der Vorhang selbst.
Nach Gottes Anordnung mußte der Vorhang die Scheidewand zwischen dem Heiligen und Allerheiligsten bilden. (Es gibt noch einen andern Vorhang als Scheidewand zwischen Menschen und Gott, nämlich die Sünde.)
1. Das Material des Vorhangs. Es bestand aus Purpur, Bysus und Karmesin (2. Mose 26,31) und stellt den Herrn in Seiner Gott‑ und Menschheit als Mittler dar.
2. Die Lage des Vorhangs. Er hing zwischen. dem Heiligen und dem Allerheiligste;,. Nur einmal im Jahr, am großen Versöhnungstage, durfte der Hohepriester hinter den Vorhang, ins Allerheiligste gehen. Dies konnte aber nur mittelst eines Opfers geschehen. Wollte der Hohepriester ins Allerheiligste gehen, so mußte der schwere Vorhang auf die Seite geschoben werden. Und das ist es, was auf Golgatha geschah. Durch das Opfer Christi wurde der Weg frei gemacht zum Eintritt in das Heiligtum (Heb 10,19). 3. Die Schönheit des Vorhangs. Der Vorhang war ein großartiges Kunstwerk mit eingesticktem Cherubim (2. Mose 26,31). Da der Vorhang ein Bild des Fleisches Christi ist, so sei daran erinnert, daß auch der Leib des Herrn mehr als ein Kunstwerk war; denn Er war vom H1. Geist gezeugt, von der Jungfrau geboren (Lk 1,35), und der, in dem die Herrlichkeit Gottes verborgen war (Joh 1,14). Nur bei der Verklärung brach einmal diese Herrlichkeit hervor (Mt 17) .
II. Das Zerreißen des Vorhangs.
Wann und wie geschah es? Der Vorhang zerriß im selben Moment, da der Herr am Kreuze ausrief: "Es ist vollbracht." Es war ja gerade das Passahfest, als das Blut des Lammes an die Türen gestrichen wurde. Und zu derselben Zeit starb das Lamm Gottes.
Dieses Zerreißen war höchst notwendig. Der Herr sagt: "Mußte nicht Christus solches leiden und zu Seiner Herrlichkeit eingehen" (Lk 24,26). Ja, der Herr ist als Vorläufer, als der Erstgeborene vieler Brüder hinter den Vorhang gegangen. Und wo ein Vorläufer ist, da sind solche, die nachfolgen, und das sind die, die durch Seinen Tod dazu befähigt worden sind (Heb 6,20).
2. Dieses Zerreißen war eine göttliche Tat. Es geschah gerade im Augenblick, als sich die Priester anschickten, zum täglichen Abendopfer ins Heiligtum zu gehen. Plötzlich entdeckten sie zu ihrem größten Schrecken, wie dieser unzerreißbare Vorhang von oben nach unten von selbst zerriß. Da war niemand zu sehen, der dies getan hätte. Sie wußten nicht, was geschah, und dachten nicht an die Verheißung in Jes 53. Halleluja! Der Weg zu Gott ist frei und der Vorhang überflüssig. Das hat Gott getan! Wie der Vorhang vor. oben zerriß, so wurde der Herr von oben, von Gott geschlagen. 0 Wunder der Liebe Gottes! Plötzlich konnten die Priester in das Allerheiligste hineinschauen, ja, sie hätten hineingehen können, ohne sterben zu müssen.
III. Die große Bedeutung dieses symbolischen Aktes.
Der beste Kommentar dafür ist Heb 9 und 10. 1. Wir haben nun freien Zugang zu Gott (Heb 10,19). Was zuvor unmöglich war, das tat Gott selbst, indem Er Seinen geliebten Sohn opferte, die Sünde beseitigte und uns zu Gott brachte (l. Petr. 3, 18). Eine offene Tür bedeutet Zutritt. Der Sünder darf also ohne irgend ein Dazutun Gott nahen, er braucht nur zu glauben was Christus für ihn am Kreuze tat, daß Er an seiner Stelle starb. So besteht also kein Hindernis mehr, zu Gott zu kommen. z. Keine Zeremonien sind mehr erforderlich. Der Hohepriester mußte erst für sich opfern, dann erst für das Volk und danach durfte er ohne Lebensgefahr ins Allerheiligste gehen. Jetzt ist nichts mehr zu tun, keine Werke mehr zu vollbringen, auch kein Opfer, um Gott günstig zu stimmen. Nur der Glaube an den, den Gott gesandt hat, ist nötig, um zu Gott zu kommen. 3. Wir kommen nun auf dem neuen und lebendigen Wege (Heb 10,20). Der Weg ist neu im Vergleich zum früheren, auf dem der Sünder allerlei tun mußte. Nun wissen wir, daß Christus selbst der Weg zu Gott ist. 4. Der Weg ist lebendig, weil jeder, der ihn geht, das Leben des Sohnes besitzt, und dadurch Teilhaber der göttlichen Natur geworden ist (2Pet 1,4). 5. Er ist auch ein geheiligter Weg; denn der Herr selbst hat ihn eingeweiht (Heb 10,20). Mit der Eröffnung von neuen Straßen ist in der Regel ein Fest verbunden, dann wird der Weg dem Publikum übergeben. Ähnlich ist es hier. Der neue Weg ist der sichere, der zu Gott führt. Wir sind somit nicht mehr ferne, sondern nahe gebracht. 6. Wir dürfen also hinzutreten und anbeten.
Hier lobpreisen wir den Herrn; denn nur durch Ihn wurde uns diese Gnade und dieses Vorrecht zuteil. Im Heiligtum empfangen wir reiche Segnungen, mit denen wir zurück unter das Volk gehen, wie das der Hohepriester in Israel tat.