Behandelter Abschnitt Mt 13,31-32
Das Senfkorn. Mt 13,31-32.
Weil viele Ausleger der Gleichnisse die Gemeinde im Auge haben, sind naturgemäß die gerade gegenteiligen Lehren aus diesen Gleichnissen entstanden. Das Gleichnis vom Senfkorn ist nicht eine Weissagung über die Gemeinde und deren Ausdehnung, sondern redet von der bekennenden Christenheit, oder von der äußeren Entwicklung des Reiches der Himmel. Wäre das Gleichnis die Entwicklung der Gemeinde, so stünde es, wie wir bald sehen werden, im krassen Gegensatz zu anderen Schriftstellen. Nein, die Gemeinde ist und bleibt die kleine Herde, die verachtete und zu Tode verfolgte. Wenn das Gleichnis aber nicht die Gemeinde darstellt, was ist es dann?
I. Was ist das Gleichnis nicht?
Nie und nimmer die Gemeinde. Die Gemeinde ist nicht von der Welt (Vers 38). Die Gemeinde, die aus allen Gotteskindern besteht, ist wohl "in" aber nicht "von" der Welt (Joh 17,14). Die Gemeinde ist von Oben, aus Ihm geboren und von Ihm erkoren. Sie ist nicht nach dem gegenwärtigen Weltsystem (Joh 17,16; Phil 3,20). Die Welt kennt sie nicht (1Joh 3,1). Sie ist ein Fremdling (1. Petrus 2,11). Der allgemeinen Christenheit ist die Welt freundlich gesinnt und darum mit ihr eins. Ganz anders aber ist es mit der Gemeinde, ihr ist die Welt gekreuzigt, weil sie ihren Herrn kreuzigte (Gal 6,14).
II. Was nun bedeutet das Gleichnis?
Es stellt die äußere Entwicklung der Christenheit dar, aber niemals die Entwicklung der Gemeinde. Beachten wir dabei einige Einzelheiten.
1. Der anormale Baum. Das Senfkorn ist eine Gartenstaude, aber kein Baum, in dem die Vögel Zuflucht nehmen. Diese Pflanze ist also unnatürlich groß geworden. Das ist die untreue Kirche! Alles, was kam, nahm sie in ihren Schoß auf, um den Baum mächtig und imposant zu machen. Die Gemeinde aber ist die Unbekannte, die Verschmähte, die Verworfene, dereinst aber wird sie auf Seinen Thron erhoben werden.
2. Die Bedeutung des Baumes. In der Schrift ist der Baum ein Bild der Weltmacht. Man denke an Nebukadnezar (Dan 4,10-12; Hes 17,22-24), an Assyrien (Hes 31,3-9) und an Pharao. Die Christenheit versuchte die Stelle der Weltmacht einzunehmen. Der Herr aber hat nie auf Erden regiert. Der Tag wird kommen, da Er regieren wird, im Millennium, also im nächsten Zeitalter, niemals aber in dem gegenwärtigen. Die Kirche wurde aber nicht nur eine Weltmacht, sondern durch diese vollständig verweltlicht.
3. Die Vögel des Himmels. Nach der herkömmlichen Auslegung sollen sie die Sünder darstellen, die darin Zuflucht nehmen. Doch die Schrift lehrt anders. Das Gleichnis vom Säemann zeigt, daß die Vögel, die den Samen wegfraßen, das Bild des Bösen sind (Vers 19). Aber auch nach andern Stellen, wie z. B. 1. Mose 15,11, wo Abraham sein Opfer brachte, kamen die Vögel, um die Aase zu fressen. Wenn die Vögel in den genannten Stellen das Böse darstellen, so kann es hier unmöglich anders sein. In diesem Baum haben wir also den Bösen, die Vögel und den Teufel in den Zweigen. Schau nie auf den äußeren Schein, sondern schau, ob Vögel im Baume sind; denn sie kommen zu nisten, zu verunreinigen und die Frucht wegzufressen.
III. Die geschichtliche Bedeutung des Gleichnisses.
Dieses dritte Gleichnis hat auffallende Ähnlichkeit mit dem dritten Sendschreiben an Pergamos, d. h. Hochburg oder verheiratet. Die Gemeinde, die klein wie eine Gartenstaude im Garten ihres Gottes bleiben sollte, und von der Welt ungekannt, verbindet sich hier mit ihr. Jahrhunderte hindurch wurde sie verfolgt mit Feuer und Schwert und von wilden Tieren zerrissen, hier aber schließt sie einen Ehebund mit einem Heiden, und das ist Sünde, Ehebruch. Die Gemeinde tat dasselbe was einst Israel tat. Unter Konstantin ging die Gemeinde diese Ehe ein. Das Senfkorn wurde plötzlich ein anormaler Baum und gefiel sich in seinem Wuchse, anstatt über diese Sünde Buße zu tun. Irrtümer, gleich Vogelschwärmen, zogen nun in diesen Baum ein. Die Tür war für allerlei Verirrungen weit offen, wie gerade das Sendschreiben zeigt. Das ist auch sehr oft die Geschichte des einzelnen Gläubigen. Nachdem er die erste Liebe verlassen hat, sät Satan Unkraut ins Herz und bald folgt die Verweltlichung, damit aber auch die Unfruchtbarkeit. Den Gläubigen unfruchtbar zu machen, ist stets des Feindes Absicht.
IV. Der volle Wuchs des Baumes.
Das Senfkorn ist bis heute noch nicht völlig ausgewachsen. Es hat ungeheure Ausmaße angenommen, aber den vollen Wuchs sehen wir erst in Off 18,3. Dort finden wir den Baum in seiner Vollendung unter dem Bilde der großen Hure. Der Baum ist dort zur Vogelherberge geworden. Alle Nationen nehmen dahin Zuflucht. Er hat also die ganze Erde überwuchert. Im gleichen Kapitel aber sehen wir auch, daß diesem Baum, Babylon der großen Hure, die Axt an die Wurzel gelegt wird (Mt 3,10). Dort ist also das Ende der Christenheit, das wohlverdiente Gericht über sie, - die Untreue, die Unkeusche, die Hure.
V. Ein neuer Baum.
An Stelle dieses Baumes aber wird ein neuer Baum treten. Dieser Baum
ist Israel, der Olivenbaum genannt wird. Er ist trotz aller
Vernichtungsversuche unvernichtbar. Einige Zweige liegen ausgebrochen am
Boden (Röm 11), aber Gott wird sie wieder einzweigen. Das Christentum,
der wilde Olivenbaum, brüstet sich dagegen; aber nicht mehr lange, dann
wird er gerichtet, und die natürlichen Zweige werden ihre Früchte
tragen. Israel wird wiederum sprossen wie ein Ölbaum und die Welt durch
seine Frucht erquicken. Danach sehnt sich die ganze Schöpfung (