Behandelter Abschnitt Mt 12,46-50
Wer sind meine Brüder? Mt 12,46-50.
Der Herr hatte soeben verschiedene harte Auseinandersetzungen: a) mit den Sabbatkritikern (Vers 1-12) b) über die furchtbare Beschuldigung, daß er die Teufel durch Beelzebub austreibe (Vers 24), und c) über ihre heuchlerische Forderung nach einem Zeichen (Vers 38). Anschließend kam eine neue Schwierigkeit, und zwar aus der eigenen Familie, welche ohne Zweifel die schwerste von allen war.
Während der Herr noch zur Volksmenge redete, kam einer zu Ihm und sagte, daß Seine Mutter und Brüder draußen stünden und Ihn sprechen wollten. Des Herrn Antwort ist voll kostbarer Belehrung, und wir wollen von ihr lernen.
I. Der Grund dieses Verwandtschaftsbesuches.
Es war ohne Zweifel Mutter- und Familienliebe, die diese Familienangehörigen veranlaßte, zum Herrn zu gehen. Die Nachrichten, die sie über Ihn hörten, waren alarmierend; denn der Haß der Führer war abgrundtief. In Mk 3,21 lesen wir, daß sie meinten, Er sei von Sinnen. Sie werden gedacht haben, daß die ununterbrochene Arbeit Seine Nerven ruiniert habe, und so wollten sie Ihn heimholen und retten. Sorge um des Herrn Sicherheit war wohl der Grund ihres Besuches.
II. Kritische Stunden.
Den Sabbatkritikern hatte der Herr bald gezeigt, daß Er der Herr des Sabbats sei; und den Pharisäern, daß Er die Teufel durch den Geist Gottes austreibe. Auch auf die Frage nach einem Zeichen antwortete der Herr treffend. Hier aber trat eine sehr listige Versuchung an Ihn. Den Gegnern zu widersprechen war leichter, als der eigenen, Ihm wohlwollenden Familie. Denen in der Familie zu widerstehen, ist am schwersten.
III. Klare Durchsicht.
Der Herr hätte hier gut Seine Worte in Lk 2,49 wiederholen können: "Wisset ihr nicht, daß ich sein muß in dem, was meines Vaters ist." In Vers 50 spricht der Herr vom Tun des Willen des Vaters. Nur das klare Erkennen des Willens Gottes zeigt in allen Fällen den rechten Weg. Der Herr liebte Seine Familie sehr, denken wir nur, wie Er noch am Kreuze für die Mutter sorgte (Joh 19,26). In der Ausübung des Willens des Vaters ließ Er sich jedoch von niemanden hindern, da kannte Er nur eine deutlich abweisende Antwort, wie Er sie Petrus gab: "Hebe dich weg von mir, Satan" (Mt 16,23).
Wir haben heute noch ähnliche Nöte in den Familien. Draußen in der Welt vermochte man allem Haß zu begegnen, aber wie ist es daheim? Man kommt ermüdet von der Arbeit, möchte noch zur Versammlung gehen, und sofort heißt es "schone dich" usw.. Was gibt uns den Sieg in solchen Lagen? Nichts anderes als der Wille des Vaters (Heb 10,25). Andere wollen dem Herrn mit ihren Mitteln dienen, aber sofort erhebt die Familie Anspruch darauf. Was rettet sie aus dieser Schwierigkeit? Wiederum der Wille des Vaters (Mt 22,21).
IV. Die höchste Verwandtschaft.
Das ist nicht die irdische Familie, diese ist nur von kurzer Dauer und zerfällt mit dem Tode. Der Herr zeigt, daß Einheit mit Christo die wahre, bleibende Verwandtschaft bildet. Nicht gemeinsame irdische Interessen im Beruf, noch die Ehe, sondern die Herzensbeziehung zum Herrn, die die Jünger durch den Ruf zum Evangelium erfahren hatten, ist die einzig wahre Gemeinschaft. Diese hält in den schärfsten Krisen stand. Man denke nur an die Zeit nach Pfingsten, da waren sie alle ein Herz und eine Seele, ja, Verfolgungen schmiedeten sie zu einer bewundernswerten Einheit zusammen (Apg 2,44-46; 4,32).
V. Die Grundlage dieser Verwandtschaft.
Was ist diese? Der Herr sagt. "Wer den Willen meines Vaters tut." Das also sind die Verwandten des Herrn. Was aber ist dieser Wille? Dem zu glauben und den aufzunehmen, den der Vater gesandt hat (Joh 6,40). Das hatten die Jünger getan. Sie glaubten an Ihn, hatten Seinetwegen alles verlassen und waren dadurch Seine Brüder geworden. Also nicht bloße Formen, wie etwa Taufe oder Gemeindezugehörigkeit, nein, lebendiger Glaube an Ihn gibt das unaussprechliche Vorrecht, des Herrn Verwandter zu sein.
VI. Die großen Vorrechte dieser Verwandtschaft.
Hier ist die höchste Familie, die Familie Gottes, gemeint. Großen Wert legt die Welt auf Abstammung und Ahnentafeln. Jünger Jesu aber sind aus Gott geboren (Joh 1,13). Bewundere diese Gnade, diese Herablassung Gottes und Christi (Heb 2,11).
Solche haben einen Vater, also Zugang zu Gott, stehen unter Seiner Obhut und treuen Fürsorge.
Sie haben auch ein Vaterhaus, Wohnungen im Himmel. Bald werden sie dort mit allen Brüdern und Schwestern, mit Paulus, Petrus, Johannes, Maria, Hanna und vielen andern zusammen sein. Das wird eine glückliche Familie sein! Diese Verwandtschaft ist viel verbundener, inniger, herzlicher, geehrter wie jede andere. Sie ist unzerstörbar, unauflösbar.
Sie haben auch große Ähnlichkeit. Sie werden in Sein Bild umgestaltet, Ihm gleich sein (2Kor 3,18; 1Joh 3,4). Familienglieder gleichen einander in der Regel.
VII. Verwandtschaftspflichten.
Brüder lieben, tragen, helfen, dienen einander. Wahre Brüder kennen keine Standes- oder gar Gemeindeunterschiede. Sie lieben einander, weil der Herr das wünscht (Joh 13,34; Phil 2,1-4; Kol 3,13; 1Thes 4,9; 1Pet 1,22; 1Joh 3,11,23; 4,20). Wie es der Wille des Vaters ist, dem zu glauben, den Er gesandt hat, so ist es auch Sein Wille, daß Brüder einander lieben.
Leser, kennst du diese Verwandtschaft und stehst du in ihr?