Behandelter Abschnitt Mt 6,9-15
Das Vater Unser. Mt 6,9-15.
Über das wunderbare Gebet, das der Herr auf die ausdrückliche Bitte der Jünger, sie beten zu lehren (Lk 11,2) in ihren Mund legte, bestehen verschiedene Anschauungen. Viele meinen, das Gebet habe nichts mit der Jetztzeit zu tun, sondern beziehe sich auf die Zeit vor der Aufrichtung des Königreiches Jesu Christi auf Erden, da Israel um die Aufrichtung des Reiches flehen werde. Andere glauben, das Gebet sei regelmäßig wörtlich, und wieder andere meinen, es sei dem Sinne nach zu beten. Man darf wohl sagen, daß alle Anschauungen Wahrheit enthalten. Wir wollen uns aber nicht mit diesen oder jenen Anschauungen beschäftigen, sondern mit seinem herrlichen, tiefen Inhalt, mit der Bedeutung der einzelnen Bitten. Mögen vor allem diese Betrachtungen dazu dienen, daß wir alle, wie die Jünger, uns nach ernsterem Beten ausstrecken. Wir wollen zunächst einen kurzen Überblick über dieses Gebet geben.
I. Ein vollkommenes Gebet.
Das Gebet umfaßt 7 Bitten, wodurch es seine Vollkommenheit ausdrückt. Die Zahl 7 kommt vom ersten bis zum letzten Blatt der Bibel vor. Man nehme nur mal eine Konkordanz zur Hand, und der Leser wird staunen über die so vielfach vorkommende Siebenzahl. Greifen wir nur einige heraus. Da sind gleich am Anfang die 7 Schöpfungstage. Noah nimmt 7 reine Tiere in die Arche und Gott verlängert um 7 Tage die Frist vor der Flut. Im Heiligtum finden wir den siebenarmigen Leuchter. Israel hatte 7 Feste. Der Herr sprach 7 Worte am Kreuz. Er wandelt inmitten der 7 goldenen Leuchter. Gerade das Buch der Offenbarung ist voll von der Siebenzahl. 7 Siegel, 7 Posaunen, 7 Zornschalen, 7 Gerichtsengel. In dem Vater Unser haben wir auch 7 Bitten.
II. Jede einzelne Bitte redet vom Herrn Jesus.
In jeder der 7 Bitten finden wir den Herrn selbst, sagt Saphir. Untersuchen wir, ob es so ist.
III. Unser Vater, der Du bist in den Himmeln.
"Unser Vater" können wir nur auf Grund der Erlösung sagen. Der Sohn hat uns den Vater geoffenbart. Nach der Auferstehung sagte Jesus zu Maria: "Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater" (Joh 20,17). Er schämt sich nicht, uns Brüder zu nennen.
IV. Geheiligt werde Dein Name.
Jesus hat uns diesen Namen geoffenbart, denn wer Ihn sieht, sieht den Vater. Keiner wie Er hat den Namen des Vaters auf Schritt und Tritt geheiligt.
V. Dein Reich komme.
Jesus selbst ist der König dieses Reiches, der einst starb, aber bald wiederkommen wird, um Sein Reich aufzurichten. Ihm wird alle Gewalt über dieses Reich gegeben werden, sowie über alle Völker, Zungen und Sprachen.
VI. Dein Wille geschehe wie im Himmel, also auch auf Erden.
Jesus tat restlos den Willen Gottes. Er konnte sagen: "Ich tue allezeit, was meinem Vater wohlgefällt" (Joh 8,29). Der Vater hat diese Tatsache bestätigt (Mt 17,5).
VII. Unser täglich Brot gib uns heute.
Der Herr selbst nennt sich das lebendige Brot vom Himmel gekommen. Er ist das Manna der Seele, unsere Nahrung durch diese Wüste.
VIII. Vergib uns unsere Schulden, wie wir vergeben unseren Schuldnern.
Diese Bitte zeigt uns den leidenden Herrn, der uns durch seinen Opfertod Sündenvergebung erwirkte. Ohne Blutvergießen gibt es keine Vergebung der Sünden (Heb 9,22). Indem Er die Sünde auf Sich nahm, erwirkte Er unsere Vergebung.
IX. Führe uns nicht in Versuchung.
Hier sehen wir Jesus als den großen Hohenpriester, der in allen Stücken versucht wurde wie wir, und nun Mitleid mit unseren Schwachheiten zu haben vermag. Er steht für uns ein, wenn Satan uns wie den Weizen sichten möchte, damit unser Glaube nicht aufhöre.
X. Erlöse uns von dem Bösen.
Hier steht der Herr als der große Sieger über den Bösen vor uns, der der Schlange den Kopf zertreten, und uns dadurch Sieg über alle Finsternismächte gegeben hat (1Joh 5,5; Joh 16,33).
XI. Dein ist das Reich.
Und der siebente Engel posaunte. "Das Reich der Welt unseres Herrn und Christus ist gekommen und Er wird herrschen" (Off 11,15).
XII. Amen.
Das ist der Name, den sich Jesus selbst gegeben hat (Off 3,14). "Das sagt der Amen, der treue und wahrhaftige Zeuge." Er ist das Ja und Amen aller Gottesverheißungen.
Den Nachsatz "Dein ist das Reich" bringen viele Übersetzungen nicht, weil er in den älteren Handschriften fehlt, und darum schreiben wir auch nichts darüber.
XIII. Das vorbildliche Gebet.
Um uns beten zu lehren, sind zwei Dinge nötig. Eine vollkommene Erkenntnis dessen, zu dem wir beten und eine gute Kenntnis unserer Bedürfnisse. Beides zeigt der Herr in einer vorbildlichen Weise. Das Gebet hat wie die Gesetzestafeln 2 Teile. Im ersten Teil, der die drei ersten Bitten umfaßt, hören wir Anreden, "Dein" Name, "Dein" Wort "unser". Die ersten 3 Bitten beziehen sich auf Gott, und die letzten 4 auf unsere Bedürfnisse. Das Gebet zieht uns weg von der Erde, hinauf zum Vater. Jesus lehrt uns beten, denn der große Zweck Seines Kommens, der alles andere in sich einschließt, war, uns zu Gott zu führen. Er ist der große Hohepriester und lehrt uns, Priester unserm Gott und Vater zu sein. "Siehe er betet" ist der Anfang neuen Lebens (Apg 9,11). "Abba Vater" ist das erste Wort des Wiedergeborenen. Möge dieses vorbildliche Gebet uns allen zur Belehrung dienen und uns zu treuerem Beten veranlassen.