Der Tod der Frommen Psalm 116,15
Dass es zweierlei Tod gibt lehrt uns die Schrift an vielen Stellen. Ich will aber nur an eine in Lukas 16 hinweisen, die uns der Herr vor Augen führt: die des reichen Mannes und des armen Lazarus allein sollte alle zum Nachdenken bringen. In unserem Wort aber handelt es sich ausschließlich um den Tod der Frommen. Wir treffen beim Tode große Gegensätze an. Der Mensch sagt: Furchtbar ist der Tod. Aber was schrecklich und unerträglich bei uns ist, das ist nach unserem Wort kostbar bei Gott. Wir sehen den Tod vom Diesseits an; und was sehen wir? Zerfall, Staub und Asche, Herzeleid, Schmerz und oft Unersetzliches und kaum Erträgliches. Gott aber sieht den Tod von jenseits des Vorhanges an, sieht nur Herrliches und Köstliches. Wir stehen im Dunkel, hoffen und glauben. Gott aber steht im Licht und kennt die herrliche Seite, die unser harrt (1Kor 2,9; 2Kor 12,4). Der Tod ist nur ein Durchgangstal in ein besseres Land (Ps 23,4) wie das der Jordan für Israel war, der bekanntlich das Bild des Gestorbenseins mit Christo versinnbildlicht ‑ aber in das gelobte Land führt (Ps 23,4). Für Gott gleicht der Tod einem Schiff, das aus fernen Landen kommt, durch große Stürme und Seenöte ging, nun aber endlich den Anker im heimatlichen Hafen auswerfen durfte. Oder er gleicht Kindern, die lange Zeit in einem fremden Lande weilten, nun aber herzlich willkommen im Vaterhaus sind. Da der Psalmist den Tod Seiner Frommen kostbar nennt, so müssen wir uns fragen: Was bedeutet unserem Gott der Tod Seiner Frommen?
Für Gott bedeutet er ein besonderes Gedenken. Schon hier, während ihres Pilgerlaufes, gedachte Gott ihrer täglich, reichte ihnen ohne Unterbruch das Manna dar wie Israel in der Wüste. Er, der Hohepriester, trug sie täglich auf seiner Brust und auf seiner starken Schulter und hielt sie fest in seinen Händen (Joh 10,28.29). Der Tod naht, und der Mensch ist völlig hilflos. Was aber der Arzt soeben aufgegeben hat, nimmt der große Arzt in die himmlische Herberge. Er sendet ihm Seine Engel entgegen, die ihn heimtragen (Lk 16,22).
Er bedeutet Eingang zu intimster Gemeinschaft. Endlich darf Er die, welche Er so teuer erkauft hat, Seine Juwelen nennt, bei sich haben (Joh 17,24). Er geht mit ihnen durch das Tal der Todesschatten und sie sind nun wieder in des Vaters Schoß und genießen wie der verlorene Sohn Seine Küsse.
Er bedeutet Ruhe für den müden Pilger. Hienieden führte Er uns aus den Lasten der Sünden und Sorgen zur Ruhe vom bösen Gewissen (Heb 10,22). Nun aber sind sie zur ewigen Sabbathruhe eingegangen (Heb 4,9). Sie ruhen von ihren. Werken (Off 14,17), und Gott selbst wischt jede Träne von ihren Augen (Off 7,17b). Der Tod bedeutet für den Frommen Ruhe für Geist, Seele und Leib. Er selbst hat wie bei Paulus den guten Kampf beendet und führt seinen müden Streiter zur Schar der Glaubenshelden, wo sie mit Abraham, Isaak und Jakob im Reiche der Himmel sitzen werden.
Er bedeutet die Belohnung Seiner Frommen (Heb 6,10). Schon hier gedachte Er ihrer Speisopfer (Ps 20,3) und segnete sie für ihre guten Werke. Nun aber darf er den vollen Lohn empfangen (2Joh 8; 1Kor 3,8). Wie freute Er sich mit den Engeln, wenn Er sah, wie der eine und die andere ein Schäflein zur Herde führte, oder der Armen, Kranken und der Missionen gedachte. Nun kommt die verheißene Belohnung (Mk 10,30) und dazu die Krone als die höchste Auszeichnung (2Tim 4,8).
Er bedeutet den Eingang ins eigentliche Leben. Jesus kam, um Sein Leben zu geben, um uns das ewige Leben zu geben, Leben im Überfluss. Und wenn Er erscheinen wird, werden wir in den vollen Genuss eingehen (1Joh 3,2). Es ist jenes bei Christo zusein, wonach wir uns alle sehnen (Phil 123; 2Kor 5,2; Pred 12,7). Wir verlassen das Land des Todes und gehen dahin, wo unser Herr von Ewigkeit her war (Spr 8,22-31) und jetzt ist.
Er bedeutet den Eingang ins eigentliche Leben. Jesus kam, um zu dienen. Dann aber dienen wir Ihm in Seinem heiligen Tempel (Off 7,15; 22,3). Hienieden war ihr Dienst oft von Satan gehindert, dort aber geschieht er ungestört und mit Freuden.
Der Tod ist ein Diener an den Hinterbliebenen. Das durfte ich oft bei Beerdigungen erleben, dass sich einige bekehrten. Gott redet auf mancherlei Weise (Heb 1,1). Was oft eine Gattin oder Mutter im Leben nicht vermochte, schenkte ihr der Herr bei ihrem Heimgang. Durch den Tod kam Jesus in das Haus des Jairus und brachte neues Leben. Jesus tritt an das Grab des Lazarus und gibt neues Leben (Joh 11). Vielen Menschen durfte ich auf dem Sterbebett zur Gewissheit des Heils verhelfen, so dass sie sich sehnten heimzugehen. Für die traurigen Hinterbliebenen ist der Herr der Gott alles Trostes und tröstet in jeder Traurigkeit (2Kor 1,3f).
Da der Tod der Frommen vor Gott kostbar ist, sollte er es nicht auch uns sein? Ist nicht Heimgehen um bei Christo zu sein weit besser als hier zu bleiben? In jedem Fall sehnte sich Paulus stark danach, um bei Christo zu sein. Mit dem Geist und der Braut rufen wir laut: Komme bald, Herr Jesus, und wen da dürstet, der komme (Off 22,17). Mit dem Dichter singen wir: Fort, fort, mein Herz, zum Himmel, fort, fort zum Himmel zu. In diesem Weltgetümmel ist für dich keine Ruh.