Das Gebet der Alten Psalm 71,9
„Verwirf mich nicht zur Zeit des Alters, verlass mich nicht beim Schwinden meiner Kräfte.“ Der Lenz des Lebens, der reich mit Blumen geschmückt war, ist längst dahin, ebenso die Jahre der Manneskraft und des erfolgreichen Wirkens. Nun naht das vielfach gefürchtete Alter, das oft mit viel Elend und Gebrechen begleitet ist. David will sagen: gerade dann verlass mich nicht, sondern sei mit mir, wie Du es in Deinem Wort verheißen hast: „Ich will euch tragen bis ins Alter, und bis ihr grau werdet“ (Jes 46,4). Auch David merkte sein herannahendes Ende. Er lag auf seinem Bett. Die Körperwärme schwand, alle Versuche ihn zu erwärmen versagten (1Kön 1,1-4). Er bittet um Vorsorge: „Verlass mich nicht im Alter.“
Er bittet auch um Befreiung von allen Feinden (V. 10). Der alte Feind Satan greift noch gern das Alter an, er ruht nie. Oft sucht er die Gläubigen an der Schwelle des Todes unsicher zu machen, ihnen das Heil zu rauben. David aber setzt sein Vertrauen ganz in seinen Gott (V. 5). Er will nur das Eine, seinen Gott bis ans Ende loben (V. 8; 72, 18‑20).
David erwähnt das hohe Alter. Es ist die Zeit, die nur ein bescheidener Teil der Menschen erlebt. Einige sterben bereits am ersten Tage ihres Lebens. Wo sind die Alten nach der Flut? Abraham wurde 175 Jahre alt (1. Mose 25). Mose starb mit 120 Jahren, und die Lebensjahre sind immer mehr herabgesunken. Das Alter ist von Schwächen und Gebrechen begleitet (Ps 90,9.10), es zeigt sich an Leib und Geist, an allen Organen. Die Sehkraft schwindet manchmal bis zur Erblindung, wie bei Isaak (1. Mose 27,1). Ebenso schwindet das Gehör, und die Stimme verliert ihren Klang. Die Glieder, Hände und Füße beginnen zu zittern. Das Gedächtnis versagt. Mut und Energie sind dahin. Die leisesten Anstrengungen rauben den Atem bis zur Erschöpfung (2Kön 19,36). Nur wenige Menschen sind im Alter frisch und unbehindert an Leib und Geist. Viele plagen sich selbst mit allerlei unnötigen Sorgen. Das Alter ist oft von physischen Leiden begleitet. Menschen hohen Alters sind selten in geistiger und körperlicher Frische. In völliger Gesundheit sind überhaupt nur wenige. Die Wartezimmer der Ärzte sind von jung und alt überfüllt, so auch die Spitäler. David klagte auch über seine Gesundheit und bat um Genesung. Viele müssen, wie jene Frau in Lukas 7, all ihr Geld den Ärzten geben, aber es wird nur schlimmer. Das Alter ist von Einsamkeit und Verlassenheit beschwert. David bittet: „Verlass mich nicht im Alter.“ Er hatte schon in früher Jugend erfahren müssen, wie Freunde ihn verließen und sogar zu Feinden wurden (Ps 55,13.14). Oft vergessen Kinder im Alter ihre Eltern. Was machen wir, erfüllen wir Jakobus 1,27? Das ist ein gottwohlgefälliger Dienst.
Das Alter ist die Zeit besonderen Ernstes. Oft dachte ich bei Besuchen ungeretteter Alten an Jeremia 8,20: „Vorüber ist die Ernte, die Obstlese ist zu Ende, und wir sind nicht gerettet.“ Gott öffnet noch manchem das Herz in elfter Stunde. Hier ist noch eine schöne Missionsaufgabe: Alte sollten Alte besuchen, um sie zum Herrn zu führen. Bete mit ihnen und gib ihnen eine gute Schrift. Erinnere sie an all das Gute, das sie empfangen haben, und an die gute Botschaft, dass der Herr sie durch den Glauben an Ihn in das Paradies führen möchte, wie den Schächer (Joh 1,12; Apg 16,31).
Davids ernstes Flehen. „Verwirf mich nicht,“ erbat Er sich schon in Psalm 51 und er ist erhört worden. David vergaß die Sicherheit, die er in Psalm 23,4 ausgesprochen hat, wie auch die Worte an Jakob (1. Mose 28,15; Jes 46,4; 49,15; Heb 13,5.6).
Du hast mich Freund genannt, einen Bund mit mir gemacht, und Du warst treu. Bleibe es, bis ich bei Dir bin. Lass mich auch nicht allein in den Gebrechen meines Alters, bringe Du mir Erleichterung, sprich mir Mut und Trost zu. Denke nicht an die Sünden meiner Jugend und meiner vielen Unterlassungssünden. Mit letzterem versucht Satan noch viele Sterbende. Er möchte ihnen bis zuletzt das Heil streitig machen, wie einst dem Gottesmann Melanchton auf dem Sterbebett.
Was dürfen alternde Menschen erwarten und womit rechnen sie? Dass die Liebe Gottes nicht altert. Wie Er die Seinen geliebt hat, so liebt Er sie bis ans Ende. Er hat das gute Werk angefangen und vollendet es (Phil 1,6). Nichts und niemand kann sie aus Seiner Hand reißen (Joh 20,28.29). Ehe der Herr zurück zum Vater ging, versicherte Er den Seinen wiederzukommen und sie zu sich zu nehmen (Joh 13,1). Kann Er lügen (Tit 1,2; Heb 6,18)?
Schau das Alter und das Ende mancher an. Jakob rief in letzter Stunde: „Ich warte auf Dein Heil“ (1. Mose 49,18). Lies, was der greise Simeon in Lukas 2,29.30 triumphierend sagte. Denke an Paulus, der angesichts des Märtyrertodes ausrief: „Hinfort ist mir beigelegt die Krone der Gerechtigkeit.“ Gläubige Alte haben das Schönste vor sich: Sie werden bald die Schwelle der goldenen Stadt überschreiten und Den sehen, Den sie liebten und Dem sie nachfolgten (1Joh 3,2; 1Kor 2,9). Alte sollen sich nicht mit einer schweren Gegenwart beschäftigen, vielmehr mit Gebet und Fürbitte ihr Leben erquicken und anderen Mitmenschen dienen.
Unterlassen wir es nicht, die ungeretteten Alten ernstlich zu warnen, sie lieb, aber bestimmt auf Hebräer 9,27 hinweisen.