Nach Dir, Herr, verlanget mich Psalm 63,8
Einst durfte ich an einer Glaubenskonferenz teilnehmen, auf der ich sehr erquickt wurde. Einen tiefen Eindruck machte das Eingangslied des Chors auf mich, und ich glaube auch auf andere. Immer wieder tönte es: „Nach Dir, Herr, verlangt mich.“ Das ist gerade das, wonach sich David in unserem Text sehnte: „Meine Seele hängt Dir nach.“ Flügge übersetzt: „Meine Seele fand Genüge“, wie von kräftiger Nahrung gestärkt. Der irdisch gesinnte Mensch kann das nicht begreifen, denn Gott ist nicht in seinem Denken eingeschaltet, vielmehr beherrscht ihn das Materielle, das Sinnliche. Sein Verlangen ist einzig diese Welt, auf der er am liebsten immerdar wohnen möchte, um sie in vollen Zügen zu genießen. Reichtum, Ehre, Macht, Vergnügen, gute Gesundheit ist sein Begehr. Sehnsucht nach tiefer Gemeinschaft mit dem Herrn kennt nur das hingegebene Kind Gottes. Es singt von Herzen: „Näher mein Gott zu Dir, näher zu Dir.“ Vielen, die sich Christen nennen, fehlt diese Sehnsucht, sie begnügen sich am bloßen Mitmachen, aber das Bewusstsein der Gegenwart Gottes ist ihnen fremd.
Was schließt dieses Sehnen ein? „Meine Seele hängt Dir an.“ Ein Entsagen der Welt und ihrer Lust. Ein Erkennen des, was Salomo sagt: „Alles ist eitel, alles ist Eitelkeit und ein Haschen nach Wind“ (Pred 1,2; 6,9). Niemand kann zwei Herren dienen (Mt 6,24; Lk 16,19; 1Joh 2,5). Menschen werden diese Welt nie auf-geben so lange sie nicht ihre Leere, ihre Vergänglichkeit und ihren Betrug erkannt haben. Die Hoffnungen und Versprechungen der Welt sind eine Fata Morgana, Täuschungen, ja weit mehr als das, Betrug, ewiger Ruin. Ich glaube, es war der bewunderte Goethe, der sagte, wenn ich alle wirklich glücklichen Stunden meines Leben) aneinander reihen wollte, so wären es keine 24. Es gilt also als Erstes die Welt aufzugeben, ihr gekreuzigt sein, wie Paulus in Galater 6,14 schreibt. Dann gilt es aus ihr auszuziehen wie Abraham, dann erst können wir das Land, da Milch und Honig fließt, genießen. Oft bedeutet das sogar ein Ausgehen aus der religiösen Welt, wie beispielsweise Abraham sich von Lot trennen musste. Abraham war himmlisch gesinnt, Lot aber irdisch. Das gibt weder Wachstum im Glauben noch ein Zeugnis vor der Welt. Abraham war ein lebendiger Zeuge (1. Mose 18,19), Lot aber war das Gegenteil, und er hinterließ viel Schande (1. Mose 19,30-38; 2Kor 6,17). Paulus sonderte die Gläubigen in Ephesus ab (Apg 19,1).
Was ist die Voraussetzung um Gott anzuhangen? Die neue Geburt. Das alte Leben aufgeben. Ein schönes Vorbild haben wir in Mose. Er gab die Welt auf, verzichtete sogar auf den höchsten Ehrenplatz, auf Ägyptens Thron, und er gesellte sich zu dem Sklavenvolk. Er wollte lieber mit ihm Schmach tragen als die zeitliche Ergötzung der Sünde genießen (Heb 11,27).
Der Gläubige kennt Gott nicht nur als Schöpfer und Erhalter (Heb 1,2), weit mehr als den Geber der besten Gabe, Seinen geliebten Sohn, der am Kreuz für ihn gestorben ist (Joh 3,16). Er wünscht Ihm zu dienen wie die Thessalonicher (1Thes 1,8).
Er erkennt, dass er berufen ist, dem Herrn zu dienen (Eph 2,10). Er sehnt sich mit Ihm zusammengejocht zu sein (Mt 11,29).
Ein Zunehmen in der Erkenntnis Christi. Sein Sehnen ist Ihn zu erkennen (Phil 3,10), Ihn inniger zu lieben wie Maria Magdalena. In Psalm 42 vergleicht David sein tiefes Sehnen nach Gott mit einem nach Wasser lechzenden Hirsch, ein Verlangen nach ununterbrochener Gemeinschaft mit dem Herrn, ein Bleiben in Ihm (Joh 15).
Ein tiefes Sehnen nach völliger Umgestaltung in Jesu Bild. Er begehrt ständig sein Angesicht zu sehen, dem alten Wesen gekreuzigt zu sein (Gal 2,20). Er ist gesinnet, wie Jesus Christus auch war (Phil 2,6-9), und umgestaltet in Sein Bild (2Kor 3,18).
Der Beweis solchen Hangens an Gott. Der Gläubige hat es wie David. Gott und Sein Wort sind Gegenstand seines Sinnes; er denkt beständig über das Wort nach (Ps 119,72.92.127). Dem Psalmisten war es das Licht auf seinem Wege (Ps 119,105).
In der Anbetung am Tisch des Herrn, da wir Seines Todes gedenken dürfen, ist ein weiteres Sehnen nach Ihm gestillt. Wir dürfen ein Freund Christi sein. Wie wird das möglich? Der Herr sagt es in Johannes 15,16: Ihm alles übergeben, wie das Jonathan David gegenüber tat (1Sam 18,1-5).
Was sind die Genüsse solchen Verlangens? Wir machen reiche innere Erlebnisse und singen mit Tersteegen: Hier ist die Ruh, hier ist Vergnügen, drum folg ich Seinen selgen Zügen.
Unser Leben wird andern zum Segen. Wir verbreiten wie Maria, die Jesus salbte, einen Wohlgeruch (2Kor 2,15). Ströme lebendigen Wassers fließen auf unsere Umgebung (Joh 7,38).
Wir schmücken uns für Sein Kommen, um Ihm mit Jubel entgegenzugehen, wie eine geschmückte Braut ihrem Bräutigam. Ein jeglicher, der diese Hoffnung zu Ihm hat, reinigt sich, gleich wie Er selbst rein ist (1Joh 3,3). Wir ziehen nach dem oberen Bethel, dem Haus Gottes, wie einst Jakob, und legen alles ab, wie er und seine Familie tat (1. Mose 35,4). Bis dahin sagen wir mit Paulus: „Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn; darum wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn“ (Röm 14,7.8; Gal 2,20) und rufen mit dem Geist und der Braut: „Komme bald, Herr Jesus.“