Der Elende und seine Rettung Psalm 34,6
Der Elende rief, und Jahve hörte. Aus allen seinen Bedrängnissen rettete er Ihn. Da steigt die Frage auf: wer ist wohl der hier genannte Elende? Kein anderer als David; denn wer unter den Männern der Schrift ist durch so viel Elend und Not hindurchgegangen, wie er? Doch wer hat so viele Rettungen erlebt wie er? Gewiss dürfen wir noch an den Größeren denken als David. Es ist unser Herr! David sagt von Ihm: „Ich bin ein Wurm vor Dir und kein Mensch“ (Ps 22,6). Psalm 69,2: „Ich bin versunken im tiefen Schlamm.“ Ja, dieser Elende rief in Gethsemane, worauf ein Engel vom Himmel kam und Ihn stärkte. Oder der am Kreuz schrie: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ Dieser Elende, der ausharrte, ist nicht ersonnenen Fabeln gefolgt (2Pet 1,6), sondern der Wahrheit. Und die ist Jesus selbst (Joh 14,6). Darin ist David das beste Beispiel. Der Arme schrie.
Ein demütiger Charakter. Wir erwähnten David selbst als Elenden trotz seiner erhabenen Stellung als Gesalbten Gottes, Er war nicht leiblich arm, glich aber einem zerschlagenen Gefäß. Hier haben wir eine getreue Beschreibung des Mannes nach dem Herzen Gottes. Der Vers beschreibt einen Sünder, der zermürbt am Boden liegt. Er erkennt sich in seinem ganzen Elend und schreit wie der Zöllner: „Gott sei mir gnädig.“ Er bekennt: «In mir, in meinem Fleische, wohnt nichts Gutes.» Er sieht sich, wie Ihn der Herr in Offenbarung 3,17 beschreibt. Er ist ohne Christus und ohne Hoffnung. Das ist das Bild des natürlichen Menschen. Er ruft ein „Wehe mir!“ über sich aus und „Herr, rette mich!“ Er wird nicht enttäuscht (Jes 66,2).
Betrübte Gotteskinder dürfen Teilhaber der Reichtümer Christi und Seiner Herrlichkeit sein (2Pet 1,4). Sie gehen oft durch Nöte aller Art, sind vielen Gefahren ausgesetzt, wie das David war; aber sie schauen auf das schöne Ende (Heb 11,24-26). Wie Mose fühlen sie oft ihre Hilflosigkeit. Viel Schönes haben sie erlebt. Nun befinden sie sich wie der Christ in „Bunyans Pilgerreise“ im Tal der Schrecken, manchmal wie David tief in Sündenschuld. Sie sehen nichts als Sünde und rufen aus: „Ich elender Mensch.“ Sie sind auch arm im Geist: aber ihrer ist dennoch das Reich der Himmel. Der Herr gedenkt ihrer, Er richtet die Niedergebeugten auf (Ps 146,8). Jehova hört. Das ist die Erfahrung des Elenden, der in seiner Ohnmacht zu Gott schreit. David war der Mann, der sich stets zu Gott hielt. In allen seinen Bedrängnissen suchte er Ihn und erlebte eine Rettung um die andere. Er blickte auf Ihn und wurde nicht beschämt (Heb 12,3).
Das herrliche Vorrecht. Dieser Elende rief, und der Herr hörte ihn wie einst Israel in Ägypten (2. Mose 3,7.8). David rief seinen Gott an. Er kannte Ihn aus vielen Erlebnissen und Verheißungen. Sicher hat er auch die Führungen und Rettungen der Väter studiert. Dass er viel über das Wort sann, geht gerade aus den Psalmen hervor. Er musste nicht zu Götzen schreien, wie jene auf dem Berg Karmel und keine Erhörung fanden (1Kön 18; Ps 95,6.7). Seine Zuflucht in jeder Lage war sein Gott (Ps 62,1.2).
Die Art seines Betens war ein Schreien wie beim Herrn selbst (Heb 5,7) und bei Jakob, als er in tiefer Not war (1. Mose 32,24f). Das bedeutet Vertrauen. David führte ein Gebetsleben, flehte morgens, mittags und abends. Sein Beten bezeugt Ausharren im Gebet. Noch mehr: er übte das Danken. Das tat er siebenmal des Tages (Ps 119,164). Er erlebte beständig die Güte Gottes und konnte darum immer wieder danken.
Der Erfolg im Gebet. Er schrie, und der Herr hörte, was wie von Freundschaft klingt (Lk 11,5). Gottes Augen sind offen für die Gerechten (Jes 59,1). Die Erhörung aufrichtigen Bittens ist gewiss! Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, die Ihn fürchten (Ps 103; 91,15.16; 1Joh 5,14.15).
Glückliche Befreiung. Aus all seinen Bedrängnissen errettete Er ihn. Ob David hier an eine besondere Rettung dachte, wissen wir nicht, aber sein Zeugnis ist höchst ermutigend. Es schließt mancherlei ein. David redet in der Mehrzahl: aus allen Bedrängnissen. Kinder Gottes sind vielem unterworfen, mehr als andere Menschen, der Gläubige dazu oft um Jesu Willen (Heb 12,6-11; Apg 5,40.41).
Gläubige sind getragen in ihren Trübsalen. Sie nehmen Gott im Vertrauen an, befehlen sich in Seine Hände und sind geborgen (Jes 43,2; 63,9). Ihnen ist es geschenkt zu leiden (Phil 1,29). Sie werden befreit. Das hat nicht nur David, sondern das dürfen alle Beter erfahren (Ps 103,1-4). Solange wir hienieden wallen sind wir vielen Trübsalen unterworfen. Bald aber wird unser Leib der Niedrigkeit befreit, dass er ähnlich werde Seinem Leib der Herrlichkeit (Phil 3,21). Für Gottes Volk ist noch eine Ruhe vorhanden, wo kein Leid und kein Geschrei mehr sein wird. Gott wird jede Träne abwischen (Jes 35,10; Off 7,17).
Was sagt uns das ganze? Dass Menschen, die überhaupt nicht beten können, sehr arm sind, da sie keinen Gott haben, um Ihn in Nöten anzurufen. Wir dürfen zum Herrn kommen als Elende und Demütige und dürfen ohne Unterlass beten, weil wir das Bewusstsein der Erhörung kennen.
Ermunterung zum Gebet Psalm 34,6
Dieser Elende rief, und Jahve hörte, und aus allen seinen Bedrängnissen rettet er ihn (Elberfelder - Übersetzung). Die Nachfolge Christi ist oft schwer, aber voll köstlicher Wirklichkeiten. Wir sind nicht ersonnenen Fabeln gefolgt, sondern dem sicheren Wort (2Pet 1,16), gegründet auf den Eckstein (Eph 2,20; 1Joh 1,1). Wir wurden durch das Wort erweckt, erhielten Vergebung und den Heiligen Geist (Eph 1,7.13) und stehen nun als Gotteskinder im Genuss größter Vorrechte, indem wir allzeit dem Gnadenthron nahen dürfen (Heb 4,16). Aus Dankbarkeit und von Liebe getrieben verzehren wir uns, wie das David in Vers 1 und 2 sagt, in Jesu Dienst. Von dreierlei redet der Text: 1. der Elende, 2. sein Gebet und 3. die Erhörung.
Der Elende. Wer ist es wohl? Gewiss zunächst David. Elend, arm, warum? War er nicht König mit großem Reichtum? Äußerlicher Wohlstand ist keine Garantie innerer Befriedigung. David war auch nicht arm in geistlichen Gütern, denn er hat reiche geistliche Schätze hinterlassen. Er war auch nicht arm in Glaubenserfahrungen, denn er hat große Glaubenssiege erkämpft (1Sam 17,34.35). Was war denn seine Not? Offenbar fühlte er sich unter anderem innerlich elend. „Aus tiefer Not schrei ich zu Dir, Herr, Gott erhör mein Flehen.“ So war es bei David. Elende, Arme dieser Art preist Jesus selig (Mt 5,3), für sie ist Er gekommen (Lk 4,18) und in ihnen wohnt Er (Jes 57,15). Unser Text erlaubt vielseitige Anwendungen, er ist:
Ein Bild des Sünders. Er ist von der Größe seiner Schuld überführt. Er fleht nur um eins: „Gott sei mir Sünder gnädig“ (Lk 18,13). Er hat sein Urteil über sich gefällt (Lk 23,41.42) und fleht wie Manasse um Gnade (2Chr 33,12,13). Ein solcher kennt nichts von jenem Geiste in Offenbarung 3,17, sondern fühlt sich wie David: elend und jämmerlich.
Ein Bild des Gotteskindes. Obwohl das Gotteskind im Genuss der unausforschlichen Reichtümer Christi steht (Eph 3,8), befindet es sich doch noch im Tränental (Ps 84,7). David erlebte es reichlich durch den glühenden Hass und Neid Sauls, die Verfolgungen Absaloms und durch die schweren Beschimpfungen Simeis (2Sam 16,7). Am meisten von allen hat unser Herr, der Sohn Davids genannt wird, das Tränental durchwandert (Heb 4,15; 5,7). Das Gotteskind fühlt oft tiefstes Elend in sich selbst, klagt über geringe Fortschritte in der Heiligung (Röm 7,19) und im Dienst für den Herrn. Es liegt gedemütigt vor seinem Gott. David bereiteten auch die Folgen seiner Sünde viel Not (2Sam 12,15ff). Rückblickend aber kann er nur loben (Vs. 2). Solches Elend führt ins Gebet.
Sein Gebet. Das Gebet ist das große Vorrecht des Gotteskindes (Ps 50,15; Heb 10,19-22). Am meisten hat unser Herr davon Gebrauch gemacht. Unser Text sagt: Dieser Elende rief und schrie. Ein Schrei ist der erste Ton, den ein Mensch ausstößt. Die Mutter muss es das Kind nicht lehren. Voller Bedürfnisse, nackt und bloß kommt es in diese Welt und schreit um Erbarmen: helft mir, sonst gehe ich zugrunde. Zarteste Liebe umgibt es und so jeden, der wie ein Kind zu Gott schreit.
Zu wem schrie David? Zu Gott, den er so vielseitig erfahren hat und kannte ( Ps . 18, 1‑4). Sein Gebet war „ernst“, denn er schrie. Es war „ausharrend“, denn er schrie bis die Erhörung kam (Ps 116,8). Es war „vielseitig“, denn er spricht von allen Nöten. Nur in Not schreit der Mensch. Am ernstesten tat das der Herr in Gethsemane (Lk 22,41.42; Heb 5,7). Man denke auch an Saulus in seiner Bußkammer (Apg 9,11) oder an Jakob in Pniel, wie er weinte und flehte (Hosea 12,5). Solches Schreien beweist zugleich ganzes Vertrauen (Ps 123).
Die Erhörung. „Aus allen seinen Bedrängnissen rettete er ihn.“ Gott hört auf unser Schreien (Jes 59,1). Er hört das Schreien in Sündennot (Ps 40,1-3), in Leibesnöten, Krankheiten wie Hiskia (Jes 38,1), in Seelennot wie David (Ps 22), in Nöten um Jesu willen (Apg 12,5-7.11). Er hört uns wie ein Vater seine Kinder (Ps 103,13; 91,15.16; Mt 7,11; 1Joh 5,14,15). David sagt: „aus allen Bedrängnissen“, damit besagt er, dass wir durch viel Trübsal in das Reich Gottes eingehen. Er sagt das zu unserer Ermunterung. Die ganze Schrift bezeugt, dass Gotteskinder vielen Nöten und Prüfungen ausgesetzt sind. Öfters sind es göttliche Züchtigungen (Heb 12,6-11), doch diese dienen zu unserem Besten (Röm 8,28). Er unterstützt uns in unsern Nöten (Jes 43,2.9). Seine Gnade genügt (2Kor 12,9).
Mannigfaltig sind die Fälle reichster Erhörungen. Man denke an Hagar in der Wüste (l. Mose 21, 17). Gott schaute nicht auf ihr Zukurzkommen, sondern hörte auf ihr Schreien. Abraham fleht um die Seelen seiner Angehörigen, Gott erhörte ihn und schenkte ihm einige (1. Mose 18,22ff; 19,15ff). Hanna weinte und flehte um einen Sohn und Gott gab ihr Samuel (1Sam 1). Samuel flehte um einen Sieg über mächtige Feinde, und Gott antwortete gewaltig (1Sam 7). Und wenn wir erst Hebräer 11 durchgingen, die einzelnen in ihrer Not betrachteten und ihre Erhörungen, dann würden wir staunen und uns schämen wegen unserer Gebetslosigkeit. Vergessen wir nicht, dass uns Jesus selbst zum Gebet auffordert (Mt 6,6; Joh 16,23). Lernen wir auch, dass das Gebet eine Schule ist. David stand in ihr (Ps 55,18) und Daniel ahmt ihn nach (Dan 6,11).
aus „Ährenlese“