Behandelter Abschnitt 1Mo 16
1Mo 16 - Hagar
Wollte man über diesen Berit aus Abrams Leben ein Wort Gottes setzen, so darf man gewiß an das Wort in Jer 17,3 erinnern: „Es ist das Herz ein trotzig und verzagt Ding, wer kann es ergründen?“ Groß ist der Unterschied in der Haltung Abrams, wie sie in den Kapiteln 15 und 16 geschildert wird. Wäre Abram weiterhin im Geiste von Kap. 15 gewandelt, so wäre er gewiß von den groben Verfehlungen, die das 16. Kapitel berichtet, verschont geblieben. Doch wir denken dabei an das Wort des Herrn in Joh 8,7: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie (ihn).“ Im Hause Abrams war es wie schon beim ersten Menschenpaar die Frau, die auf die Einflüsterungen Satans hörte und so zur Versucherin ihres Mannes wurde. Für Abram bedeutet dies allerdings ebensowenig ein Entschuldigung oder gar Rechtfertigung wie seinerzeit für Adam. Was hier in der Familie geschah, war:
Ein falscher Schritt. Da die Verheißung eines Sohnes nun schon mehr als zehn Jahre auf sich warten ließ, wurden offenbar beide, Abram und Sarai, ungeduldig und meinten, Gott nachhelfen zu müssen. Da kommt Sarai auf den Gedanken, nach Landessitte zu handeln, und sie schlägt ihrem Manne vor, sich ihrer Magd als Nebenweib zu bedienen, damit er endlich den Sohn vor sich sehe, der ihm verheißen war. Wir dürfen nicht fragen, wer hier die meiste Schuld trug. Vor Gott waren alle drei Beteiligten schuldig. Sarai durch ihren Vorschlag, Abram durch dessen Annahme, womit sie die Glaubenslinie verließen, und schließlich Hagar, die nun schon so lange in Abrams Haus weilte und wissen mußte, daß hier andere Gesetze herrschen als unter den Kanaanitern. In jedem Fall war das, was hier geschah, ein Säen auf das Fleisch und mußte die entsprechenden Früchte tragen (Gal. 6,8). Ja, wenn wir die geschichtliche Entwicklung verfolgen, erkennen wir die Auswirkung dieses Schrittes bis in unsere Tage hinein. Das ganze ist ein Beispiel eigener Energie, wobei das Wort „Nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist, spricht der Herr“ außer acht gelassen wurde. Es genügt nicht, den Willen Gottes zu erkennen, sondern wir müssen auf den Zeitpunkt der göttlichen Erfüllung warten lernen.
Heiratsvermittlung. Das ist ein uraltes übel und wird hier zum ersten Male in der Gesichte berichtet. Sarai hat damit den Anfang gemacht, und sie hat viele Nachfolgerinnen gefunden. Die Jugend soll und will doch heiraten, und weil man nicht auf die Stunde des Herrn warten will, muß man eigene Wege gehen. Abram hätte wissen sollen, daß das nach 1. Mose 1,27, vgl. Mt 19,4, nicht so sein sollte.
Kinder Gottes handeln nicht nach der Welt Sitte, sondern nach dem Wort Gottes. Abram ging auf den Vorschlag Sarais widerspruchslos ein. Er handelte damit ganz nach kanaanäischer Sitte, aber es war wieder ein eigener Weg, der Ungeduld und Zweifel verriet, keineswegs der Glaubensweg. Dieses eigenmächtige Handeln führte zu:
Familienschwierigkeiten. Der eheliche Friede wurde gestört. Wo immer eine dritte Person zwischen zwei Ehegatten tritt, gibt es Herzeleid. Und wer immer zwischen zwei Ehegatten tritt, versündigt sich schwer. Hagar wurde zum Keil zwischen Abram und Sarai. Das erhoffte Kind aus der Nebenehe zwischen Abram und Hagar war bald zu erwarten, und schon vergaß Hagar ihre Stellung als Leibeigene der Sarai und behandelte ihre Herrin von oben herab. Sie meinte, ein volles Redet zu haben, da sie es doch sein durfte, die ihrem Herrn Abram den längst erwarteten Leibeserben schenken sollte. Beachten wir die Auswirkungen:
Auf Sarai. Sie litt als Anstifterin, als Vermittlerin des sündigen Verhältnisses am meisten. Hagar trat heraus aus ihrer Stellung als Magd und wollte sich offenbar über ihre Herrin erheben. Das duldete Sarai nicht. Nur wenige Menschen können wie Paulus beides, hoch und niedrig sein, ertragen (Phil 4,12). Sarai ist schwer gekränkt über das ihr vermeintlich angetane Unrecht. Anstatt in sich zu gehen (Lk 15,17), macht sie ihrem Manne schwere Vorwürfe, obwohl gerade sie die Urheberin der Not war.
Auf Abram. Gewiß traf Abram viel Schuld, weil er auf menschliche Einflüsse hörte anstatt auf das klare Wort, auf die wiederholte Verheißung Gottes. Das übel gegenseitigen Anklagens ist uralt; man verklagt wohl andere, aber selten sich selbst. Doch Abrams gelinde Antwort dürfte uns zeigen, daß er seine Verfehlung vor Gott erkannt und seinen eigenen Weg bereut hat. Eine gelinde Antwort wendet den Zorn ab (Spr 15,1). Abram versäumte es aber, den Streit zwischen Sarai und der Hagar zu schlichten, und stellte es Sarai anheim, mit ihrer Magd nach Gutdünken zu verfahren. So handelten weder Herr noch Frau an Hagar, wie wir es von beiden als Vorgesetzten und als Glaubenden hätten erwarten dürfen.
Auf Hagar. Sarai behandelte fortan Hagar hart bis zur Unerträglichkeit, so daß diese floh. Sie hatte als Sklavin nie das Wort gelernt: „Seid untertan aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen.“ Alle Klassen haben das zu lernen (1Pet 2,13-20). Hätte Hagar das von Sarai angetane Unrecht freiwillig und demütig erduldet, so hätte Gott sie dafür belohnt. ottes Eingreifen. Die Lage ist so verworren, daß noch viel größerer Schaden zu befürchten ist. Um diesen zu verhüten, greift der Herr selbst ein. Während sich Hagar auf ihrer Flucht an einer Wasserquelle erquickte, sollte ihr ein weit köstlicheres Labsal zuteil werden, indem ihr der Engel des Herrn begegnete, sie auf ihrer Flucht aufhielt und ihr zurechthalf. Aus Schwierigkeiten fortlaufen ist leicht, viel leichter als das Umkehren. Ich bin oft so verworrenen Lagen in christlichen Häusern begegnet, daß alles Zureden fruchtlos war; da konnte wie im Falle Hagars nur der Herr selbst helfen. Da Abram einer Schlichtung nicht gewachsen war, besorgte sie der Herr selbst. Das führte, wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden, zu einem gnädigen Ergebnis. Wieder erkennen wir, daß in allen Fällen wie hier meistens alle Beteiligten fehlen. Hätte Sarai ihrer Magd gegenüber Liebe erwiesen anstatt Haß, dann wäre beiden Teilen viel Leid erspart geblieben. Wie mancher Riß wäre auf diese Weise verhindert worden. Hagar wird überwältigt von der Liebe des Engels und sieht ihr Unrecht ein. Nun ist ihr Stolz gebrochen, sie bekennt: Du Gott siehst mich. Und wenn ein Mensch einmal das erkennt, dann ist er auf dem richtigen Weg. Wie schwinden dann alle Ängste und Sorgen. Das hat ein Onesimus erfahren, für den sich Paulus bei Philemon, seinem Herrn, verwendete, und das erfährt bis heute jedes reumütig heimkehrende verlorene Kind.
Der Ausgang brachte Früchte des Fleisches. Hagar darf ihrem Herrn einen Sohn schenken, der Ismael genannt wird. Dreizehn ,Jahre später erst wird der eigentliche Sohn der Verheißung, Isaak, geboren. Zwischen den beiden Stiefbrüdern entwickelte sich eine Feindschaft, die bis in unsere Tage sich noch auswirkt in dem Kampf zwischen ,Juden und Arabern. Hart ist der Kampf im Lande Israel. Lernen wir alle, wie unsagbar schwer Verirrungen von Gläubigen sich auf lange Zeit hinaus auswirken können. Doch wir wollen auch nicht verzagen im Rückblick auf Verfehlungen. Das zeigt uns ebenfalls die Geschichte Israels. Das, was in der gegenwärtigen Heimkehr der Juden aus jahrtausendealter Heimatlosigkeit sich vor unseren Augen abspielt, beweist, daß Gott zu Seinen Verheißungen steht und Seinem auserwählten Volke den Weg in das dem Abraham verheißene Land ebnet, selbst angesichts weit überlegener Feinde.