Behandelter Abschnitt 1Kor 11,23b-33
Paulus’ Leiden
Paulus legt los. Er präsentiert eine beeindruckende Liste. Ohne jede Übertreibung zählt er auf, was er getan hat, was ihm alles begegnet ist und wie er sich gefühlt hat.
Es ist keine „Erfolgsgeschichte“, keine Großtuerei. Es sind nur einfache Tatsachen aus dem Leben eines Dieners, der sich mit Herz und Seele der Aufgabe widmete, die der Herr Jesus ihm aufgetragen hatte. Wenn du meinen solltest, dass man den Dienst für den Herrn so mit links erledigen kann, dann siehst du hier, dass er mit Angst und Widerstand verbunden ist. Dieser Abschnitt steht nicht in der Bibel, um dich zu entmutigen, sondern um dir zu zeigen, was ein Mensch, der seinen Herrn liebt, ertragen kann. Verschiedene Dinge, aber längst nicht alles, kannst du in der Apostelgeschichte wiederfinden. Der Herr ist immer noch derselbe und will auch dir in deinen Leiden für Ihn helfen. In den meisten Fällen wird es nicht so schwer sein wie das, was Paulus hier aufzählt. In manchen Fällen kannst du dich aber tatsächlich so für den Herrn einsetzen.
Nimm gleich das Erste, das er nennt: „In Mühen überreichlicher“. Ist das nicht etwas, das auch bei dir gesehen werden könnte? Paulus hatte einen ganz besonderen Dienst, und was er mitgemacht hat, hat kein anderer Mensch mitgemacht, aber trotzdem bleibt es wahr, dass auch du dich völlig für das einsetzen kannst, was der Herr dir zu tun gibt. Dann spricht er über seine Umstände. Er hat oft im „Knast“ gesessen. Das sind nicht die „Luxusappartements“, die man heutzutage Gefängnis nennt. Es waren oft dunkle Kerker, unterirdische Gewölbe, die von Ungeziefer wimmelten, wo es feucht war und muffig roch. Die Behandlung, die man dort erfuhr, war nicht gerade höflich. Nie war er dort gelandet, weil er ein Verbrechen begangen hatte. Es war immer wieder eine Folge des Hasses der Juden, weil er an dem betreffenden Ort den Herrn Jesus verkündigt hatte. Körperliches Leiden blieb ihm nicht erspart. Er hat eine Menge Schläge bekommen. Das muss man erlebt haben. Aber er war nicht kleinzukriegen. Sein Eifer für den Herrn blieb ungebrochen. Es ist bemerkenswert, dass er die besondere Kraft des Geistes, die in ihm war, nie gebraucht hat, um sich aus einer schlimmen Situation zu retten; darin war er ein Nachfolger des Herrn Jesus.
Todesgefahren waren nichts Besonderes für ihn. Das steht hier so einfach, aber denk dich einmal da hinein, was in diesen Augenblicken in ihm vorgegangen sein mag, als sein Leben auf dem Spiel stand. Da ging es nicht um eine gefährliche Krankheit, an der man sterben konnte, sondern um eine feindliche Haltung von Menschen, die nach seinem Blut dürsteten. Die Juden hatten ihm nicht weniger als fünfmal 39 Stockschläge gegeben. Das Gesetz erlaubte es, in bestimmten Fällen eine Strafe von 40 Stockschlägen zu geben (5Mo 25,3). Um sicher zu sein, dass man die erlaubte Menge nicht durch einen Fehler beim Zählen überschritt, hörte man bei 39 Schlägen auf. Stell dir einmal vor, was das gewesen sein muss. Schon beim ersten Mal wird es kein Vergnügen gewesen sein, aber bei jedem folgenden Mal wusste er, was ihn erwartete. Durch die Ruten, die Geißelungen, wurde sein Rücken dreimal aufgerissen. „Nur“ einmal wurde er gesteinigt. Normalerweise passiert einem das auch nur einmal. Deshalb ließen ihn seine Feinde als tot liegen (Apg 14,19). Dreimal war er als Passagier auf einem Schiff, das Schiffbruch erlitt. Dabei ist er einmal 24 Stunden im Wasser umhergetrieben, bevor er gerettet wurde. Er war ständig auf Reisen, um überall das Evangelium zu predigen. Das Reisen war in jener Zeit keine ungefährliche Sache. So gab es kein modernes Straßennetz mit Brücken und Tunneln, wie wir das hier im Westen kennen. Einen schnell strömenden Fluss zu überqueren war eine riskante Sache. Hinzu kamen die Gefahren von Seiten der Menschen: von Räubern, Juden und Heiden. Die Stadt bot keinen Schutz und die Wüste und das Meer erst recht nicht. Nirgends war er sicher, nirgends gab es ein Plätzchen, wo er Ruhe hatte. Und wenn er dachte, dass er in der Versammlung etwas Atem holen konnte, dann hatte er es dort mit falschen Brüdern zu tun, mit Menschen, die so taten, als gehörten sie zur Versammlung, aber in Wirklichkeit die Wahrheit Gottes verdrehten.
Dem großen Apostel war kein leichtes Leben beschieden. Es bedeutete, knochenhart zu arbeiten, gut aufzupassen, wenig zu essen und zu trinken zu haben, manchmal auch freiwillig darauf zu verzichten (das ist Fasten), Kälte zu erleiden und wenig Kleidung zu haben, um warm zu werden. Dass Paulus bei diesen Entbehrungen durchaus nicht stoisch blieb, kannst du z. B. aus 2. Timotheus 4,13 ersehen, wo er Timotheus bittet, ihm seinen Mantel mitzubringen. Mir scheint, dass er nicht darum gebeten hätte, wenn er sich behaglich von der Sonne hätte erwärmen lassen können. Was ihn wahrscheinlich am meisten schmerzte, war die tägliche Sorge um alle Versammlungen. Wir lesen, dass das auf ihn „andrang“. Überall, wo er das Evangelium gepredigt hatte, waren Versammlungen entstanden. Das war eine freudige Sache gewesen, aber dabei blieb es nicht. Es war wichtig, dass die Gläubigen in diesen entstandenen Versammlungen in der Gnade und Erkenntnis des Herrn Jesus wuchsen und im Kennenlernen der Gedanken Gottes über ihr Leben nicht nachließen. Der Feind, der Teufel, tat (und tut) alles, um Gläubige dazu zu bringen, wieder Dinge in ihrem Leben zuzulassen, durch die der Herr Jesus entehrt wird. Darüber war Paulus sehr besorgt.
Diese Aufzählung zeigt, dass wir es bei Paulus nicht mit einem „Kraftprotz“ zu tun haben, sondern mit jemand, der sehr schwach ist. Niemand kann diese Entbehrungen in eigener Kraft überstehen. Gibt es wohl jemand, der noch mehr mitgemacht hat und dadurch beweisen kann, dass er noch schwächer ist? Nur der Herr Jesus übertrifft in der Schwachheit Paulus bei weitem. Er wurde in Schwachheit gekreuzigt (Kap. 13,4). Alles, was Paulus erlebt hatte, wäre für andere vielleicht ein Anlass zum Fallen gewesen, d. h. die Nachfolge Christi aufzugeben, aber seine brennende Liebe zu Christus hatte ihn auf den Beinen gehalten. Machte das Paulus groß? Nein, er lehnt alle Ehrenerweisung für sich ab. Was es an Ruhm gibt, das ist ein Rühmen seiner Schwachheit. Diese Schwachheit hat er durch alle Erfahrungen hin immer tiefer empfunden.
Jede Beschuldigung der Ehrsucht, des Eigendünkels oder der Selbstsucht weist er zurück mit einer kraftvollen Berufung auf den „Gott und Vater des Herrn Jesus, der gepriesen ist in Ewigkeit“. Er weiß, dass Paulus nicht lügt, und Paulus preist Ihn trotz aller Leiden, die ihm begegnet sind.
O ja, es gibt noch etwas, das ihm in den Sinn kommt, etwas, das ihn noch schwächer und geringer macht, als er schon war. Er ist einmal auf eine sehr demütigende, fast lächerliche Weise einer misslichen Lage entkommen. Nicht durch irgendein Wunder, indem er z. B. seine Feinde mit Blindheit schlug oder sie lähmte oder sie auf eine kluge Weise täuschte. Nichts von alledem. Als er einmal in einer Stadt gefangen saß, wurde er in einem Korb an der Stadtmauer hinuntergelassen. Da siehst du ihn, den großen Apostel, in einem Körbchen hängen. Das war alles andere als eine spektakuläre Flucht, bestimmt nichts, womit man Eindruck machen konnte. Ja, so war dieser Apostel.