Behandelter Abschnitt Apg 23,16-22
Verse 16-22 Der Neffe des Paulus entdeckt die Verschwörung
16 Als aber der Sohn der Schwester des Paulus von dem Anschlag gehört hatte, kam er hin und ging in das Lager und meldete es Paulus. 17 Paulus aber rief einen von den Hauptleuten zu sich und sagte: Führe diesen Jüngling zu dem Obersten, denn er hat ihm etwas zu melden. 18 Der nun nahm ihn mit sich und führte ihn zu dem Obersten und sagt: Der Gefangene Paulus rief mich herzu und bat mich, diesen Jüngling zu dir zu führen, da er dir etwas zu sagen hat. 19 Der Oberste aber nahm ihn bei der Hand und zog sich mit ihm allein zurück und fragte: Was ist es, das du mir zu melden hast? 20 Er aber sprach: Die Juden sind übereingekommen, dich zu bitten, dass du morgen Paulus in das Synedrium hinabbringest, als wollte dieses etwas Genaueres über ihn erkunden. 21 Du nun, lass dich nicht von ihnen überreden, denn mehr als vierzig Männer von ihnen stellen ihm nach, die sich verflucht haben, weder zu essen noch zu trinken, bis sie ihn umgebracht hätten; und jetzt sind sie bereit und erwarten von dir die Zusage. 22 Der Oberste nun entließ den Jüngling und befahl ihm: Sage niemand, dass du mir dies angezeigt hast.
Der Mensch kann sich noch so viel ausdenken, Gott steht über allem. Der Mensch, der Pläne ohne Gott macht, wird immer beschämt werden. Um den bösartigen Plan der Juden zu vereiteln, setzt Gott dieses Mal ein Familienmitglied des Paulus ein. Wir hören hier zum ersten Mal von einer Schwester des Paulus und von ihrem Sohn, also dem Neffen des Paulus. Danach hören wir nichts mehr von ihnen. Sie erscheinen kurz auf der Bildfläche, weil Gott das so will.
Immer dann, wenn Gott wirkt, tut Er das auf seine eigene und oft überraschende Weise. Es gibt bei Ihm kein Standardvorgehen, das Er immer wieder anwendet. So kommt Er beispielsweise nicht wieder in einer Vision zu Paulus, um ihn zu warnen. Er gebraucht gewöhnliche Wege. Er lenkt die Umstände so, dass der Neffe des Paulus von der Verschwörung hört und es Paulus berichtet.
Als Paulus dies hört, macht er gerne von seinem Recht Gebrauch, diese böse Sache anzuzeigen und damit seine eigene Sicherheit zu gewährleisten. Die Zusage des Herrn in Vers 11 lässt ihn nicht untätig werden. Sicher kannte er seinen Neffen als einen vertrauenswürdigen jungen Mann, der nicht mit erdichteten Geschichten zu ihm kommt.
Paulus ruft einen der Hauptleute zu sich. Das zeigt, dass Paulus ein gewisses Maß an Freiheit hat und auch ein gewisses Maß an Respekt seitens seiner Bewacher. Er bittet den Hauptmann – ohne eine weitere Erklärung –, seinen Neffen zum Obersten zu führen, weil dieser ihm etwas zu berichten habe. Der Hauptmann tut, was Paulus ihm aufträgt, und bringt seinen Neffen zu dem Obersten. Korrekt erstattet er Bericht über die Bitte des „Gefangenen Paulus“, eine Bezeichnung, die Paulus auch mehrere Male für sich selbst gebraucht (Eph 3,1; 4,1; 2Tim 1,8; Phlm 1.9).
Der Oberste nimmt den jungen Mann ernst, weil dieser von Paulus geschickt ist und er den „Gefangenen Paulus“ inzwischen schon einigermaßen kennengelernt hat. Dieser besondere Gefangene muss den wohl abgehärteten Mann beeindruckt haben. Es mag ihm so ergehen wie dem Hauptmann, der beim Kreuz des Herrn Jesus ebenfalls zu der Überzeugung kam, dass er es mit einem Gerechten zu tun hatte (Lk 23,47).
Natürlich sehen wir in alledem die Hand des Herrn, für den Paulus in erster Linie ein Gefangener ist. Er lenkt auch die Gefühle eines abgehärteten Mannes, der – so wie Paulus – den jungen Mann ernstnimmt. Mit seinem guten Gespür für drohende Gefahren nimmt er den Neffen des Paulus beiseite. Was dieser junge Mann ihm zu melden hat, ist nicht für andere Ohren bestimmt.
Er lädt den jungen Mann ein, ihm zu sagen, was er zu berichten hat. Der Neffe des Paulus berichtet von seiner Entdeckung. Er erzählt von der Vereinbarung, die die Juden mit dem Synedrium getroffen haben, den Obersten zu bitten, Paulus dem Synedrium vorzuführen. Er fügt hinzu, welche Gründe sie dafür vorgeben. Der junge Mann berichtet ferner in Einzelheiten, was diese vierzig Männer dem Synedrium vorgestellt haben.
Lukas berichtet nicht, wie er das erfahren hat. Eine auf der Hand liegende Erklärung wäre, dass ein Geheimnis, das mindestens vierzig Männer für sich behalten sollten, schwierig geheim zu halten ist. In solch einer großen Gruppe gibt es schnell ein Leck. Dann ist es allerdings immer noch die Frage, ob so etwas aus erster Hand und so detailliert gehört wird oder über den Umweg von Gerüchten. Wie dem auch sei, der Herr hat dafür gesorgt, dass der Neffe des Paulus das Komplott mitbekommen hat und genau wusste, was geplant war.
Der Neffe war kein kleiner Junge mehr. Er konnte selbstständig denken und schlussfolgern. Um den Ernst der Sache zu unterstreichen, drängt er den Obersten, sich nicht vom Synedrium irreführen zu lassen. Möglicherweise lag dem Obersten die Bitte des Synedriums schon vor, als der Neffe ihm seine Entdeckung erzählte. Der junge Mann spricht nämlich davon, dass das Synedrium bereit sei und auf seine Zusage warte. Das macht die Geschichte für den Obersten auch glaubwürdig. Sonst hätte er wohl die Anfrage des Synedriums abwarten und so kontrollieren können, ob die Geschichte des jungen Mannes wirklich stimmte.
Der Oberste erkennt die Gefahr, denn er weiß inzwischen bestens Bescheid über den Hass der Juden gegen Paulus. Er gebietet dem jungen Mann, niemandem etwas über den Inhalt des Gespräches zu sagen und entlässt ihn. Damit verschwindet dieses Familienmitglied von der Bildfläche. Der Herr hat ihn für eine kurze Zeit benutzt, um sein Ziel zu erreichen. Nun nimmt der Herr den Obersten wieder an die Hand, ohne dass dieser sich dessen bewusst ist, um seinen Gefangenen Paulus dorthin zu bekommen, wo Er ihn haben will: nach Rom.