Behandelter Abschnitt 4Mo 22,21-35
Verse 21–35 | Bileam begegnet Gott als Widersacher
Und Bileam machte sich am Morgen auf und sattelte seine Eselin und zog mit den Fürsten von Moab. 22 Da entbrannte der Zorn Gottes, dass er hinzog; und der Engel des HERRN stellte sich in den Weg, um ihm zu widerstehen. Er aber ritt auf seiner Eselin, und seine beiden Diener waren bei ihm. 23 Und die Eselin sah den Engel des HERRN mit seinem gezückten Schwert in seiner Hand auf dem Weg stehen, und die Eselin bog vom Weg ab und ging ins Feld; und Bileam schlug die Eselin, um sie wieder auf den Weg zu lenken. 24 Da trat der Engel des HERRN in einen Hohlweg zwischen den Weinbergen: Eine Mauer war auf dieser und eine Mauer auf jener Seite. 25 Und die Eselin sah den Engel des HERRN und drängte sich an die Wand und drückte den Fuß Bileams an die Wand; und er schlug sie noch einmal. 26 Da ging der Engel des HERRN noch einmal weiter und trat an eine enge Stelle, wo kein Weg war auszuweichen, weder nach rechts noch nach links. 27 Und als die Eselin den Engel des HERRN sah, legte sie sich nieder unter Bileam; und es entbrannte der Zorn Bileams, und er schlug die Eselin mit dem Stab. 28 Da öffnete der HERR den Mund der Eselin, und sie sprach zu Bileam: Was habe ich dir getan, dass du mich nun dreimal geschlagen hast? 29 Und Bileam sprach zu der Eselin: Weil du Spott mit mir getrieben hast; wäre doch ein Schwert in meiner Hand, so hätte ich dich jetzt erschlagen! 30 Und die Eselin sprach zu Bileam: Bin ich nicht deine Eselin, auf der du geritten bist von jeher bis auf diesen Tag? War ich je gewohnt, dir so zu tun? Und er sprach: Nein. 31 Da enthüllte der HERR die Augen Bileams, und er sah den Engel des HERRN mit seinem gezückten Schwert in seiner Hand auf dem Weg stehen; und er verneigte sich und warf sich nieder auf sein Angesicht. 32 Und der Engel des HERRN sprach zu ihm: Warum hast du deine Eselin nun dreimal geschlagen? Siehe, ich bin ausgegangen, um [dir] zu widerstehen, denn der Weg stürzt ins Verderben vor mir. 33 Und die Eselin sah mich und wich nun dreimal vor mir aus; wenn sie nicht vor mir ausgewichen wäre, so hätte ich dich jetzt erschlagen, sie aber am Leben gelassen. 34 Und Bileam sprach zum Engel des HERRN: Ich habe gesündigt, denn ich wusste nicht, dass du mir auf dem Weg entgegenstandest; und nun, wenn es böse ist in deinen Augen, so will ich umkehren. 35 Und der
Engel des HERRN sprach zu Bileam: Geh mit den Männern; aber nur das, was ich dir sagen werde, sollst du reden. Und Bileam zog mit den Fürsten Balaks.
Bileam erfährt Gott als seinen Widersacher. Bileam geht, weil Gott es ihm gesagt hatte, und weil er geht, entbrennt der Zorn Gottes. Das klingt wie ein Widerspruch. Bileam war sich bewusst, dass es gegen den Willen Gottes war, aber er ging, getrieben von seiner Geldliebe.
In dem Geschehen mit der Eselin zeigte Gott Bileam, dass er noch dümmer war als seine Eselin. Er wusste, verblendet durch seine Geldsucht, nicht, in welcher Gefahr er sich befand. Die Eselin hatte das wohl vor Augen. Tiere haben oft einen besseren Blick für ihren Schöpfer als Menschen (Jes 1,3). Ein Tier sieht hier mehr als jemand, der im Bild Gottes erschaffen worden ist. Welche Torheit, auf einem bösen Weg weiterzugehen, auf dem das Schwert des HERRN gegen den Bösen gezückt ist. Die Eselin spricht zu ihm von dieser Torheit (2Pet 2,16).
Bileam scheint das Ungewohnte, das Sprechen seiner Eselin, nicht zu bemerken. Er führt mit ihr ein Gespräch. Es ist wohl zu vermuten, dass er vielleicht durch seine Kontakte mit Dämonen an sprechende Tiere gewöhnt war. Vielleicht war er aber auch durch seine Wut so außer sich, dass ihm das Ungewohnte daran nicht auffiel.
Dass der HERR die Eselin sprechen lässt, zeigt, wie außergewöhnlich diese Begebenheit mit Bileam ist. Der Einsatz war ja auch sehr hoch. Es ging um Segen oder Fluch für das Volk Gottes und die damit zusammenhängenden Verheißungen. Gott kann alles benutzen und ihr eine Stimme geben, um seine Allmacht zu bezeugen und dadurch zu warnen (Lk 19,40; Hab 2,11). Er kann auch, wenn es in die Ausführung seines Planes passt, in die durch Ihn selbst festgelegten Gesetzmäßigkeiten eingreifen (2Kön 6,6; Jos 10,13; 2Kön 20,11).
Der Unglaube spricht spottend über die drei „seligmachenden Tiere“: die sprechende Schlange (1Mo 3,1), die sprechende Eselin (4Mo 22,28.30) und den Fisch, in dem Jona war (Jona 2,1). Doch in Wirklichkeit ist es so, dass, wenn jemand nicht glaubt, dass dieses wirklich geschehen ist, er nicht errettet werden kann, denn er macht Gott zum Lügner. Es geht um den Sündenfall (die Schlange), die Verbindung zwischen Gott und seinem Volk mit den damit in Verbindung stehenden Verheißungen (die Eselin) und den Herrn Jesus in seinem Tod (der Fisch). Und alle drei werden im Neuen Testament zitiert (2Kor 11,3; 2Pet 2,16; Mt 12,40).
Anstatt sich zu fragen, warum die Eselin, die ihn noch nie im Stich gelassen hatte, so reagierte, schlug er sie und wollte sie sogar töten. Weil Bileam kein Schwert bei sich hatte, wurde er gehindert, diese Torheit, seine Eselin zu töten, zu begehen. Was hätte er dadurch gewonnen? Er würde dabei nur Verlust gehabt haben. So tun viele Menschen in ihrer Torheit Dinge, die ihnen statt Gewinn nur Verlust bringen. Auch durch die ungerechte Behandlung seines treuen Reittiers beweist Bileam, dass er ein Ungerechter ist. Der Gerechte weiß ja, was sein Vieh braucht (Spr 12,10a). Übrigens gab es doch ein Schwert in der Nähe, nämlich das, was der Engel des HERRN hatte. Aber dafür war Bileam blind. Hinzu kommt, dass dieses nicht gegen die Eselin gerichtet war, sondern gegen Bileam selbst.
Die Reaktion der Eselin ist nicht nur wunderlich, indem sie sprach, sondern auch durch das, was sie sagt. Sie spricht mit mehr Verstand als Bileam. Aus ihren Worten, in Frageform, sind weise Belehrungen für Bileam und jeden Menschen in seinem Verhältnis zu Gott enthalten. Zunächst erkennt sie das Eigentumsrecht, das Bileam an ihr hatte, an: „Bin ich nicht deine Eselin?“. Als Zweites kann sie sagen, dass sie ihm immer treu im Dienst gewesen ist: „Auf der du geritten hast von je her bis auf diesen Tag“. Als Drittes kommt, dass ein derartiges Handeln nicht aus ihrer Unwilligkeit entspringt: „War ich je gewohnt, dir so zu tun?“, womit sie indirekt sagt, dass die Unwilligkeit in ihm war.
Die Fragen der Eselin haben keinen prophetischen Inhalt. Es sind keine Fragen, die von Gott kommen und eine besondere Bedeutung haben. Sie sagt auch nichts über den Engel des HERRN. Es sind einfach Fragen, die jedes Tier, das misshandelt wird, stellen würde, wenn es die Gelegenheit dazu hätte. Sie gehen nicht über den Bereich der Gefühle eines Tieres hinaus, sondern bleiben im Bereich des tierischen Seelenlebens. Die einzige Antwort, die er wohl auf die gestellten Fragen geben musste, war „Nein“. Aber von irgendeiner Reaktion seines Gewissens ist keine Rede.
Es kann eine ganz praktische Anwendung gemacht werden. Wenn wir unterwegs sind und es gibt ein Hindernis, sodass wir nicht weiterfahren können – wie reagieren wir dann? Der Herr möchte, dass ein solches Hindernis uns dazu bringen soll, nachzudenken, welche Beweggründe unsere Fahrt hat, die wir unternehmen, ob sie lang oder kurz ist. Es muss nichts Verkehrtes sein, aber Er möchte, dass wir in seine Gedanken eindringen und uns bewusst werden, dass alles nur zu seiner Ehre sein kann, wenn Er mit uns geht. Das Vorerwähnte gilt in noch stärkerem Maß für den Lebensweg, dem wir auf der Reise unseres Lebens folgen, die Wahlen, die wir treffen: Welche Ausbildung, welcher Beruf, welcher Mann oder welche Frau passt zu mir. Aus welcher Motivation wählen wir den Weg, den wir gehen?
So wie der HERR den Mund der Eselin öffnet (Vers 28), öffnet Er auch die Augen Bileams (Vers 31). Das bringt ihn auf die Knie. Der HERR spricht ihn fragend an hinsichtlich seines Verhaltens gegenüber der Eselin. Weiterhin macht Er Bileam klar, dass Er und Bileam sich gerade gegenüberstanden. Bileam ist nicht auf dem Weg des HERRN, sondern „der Weg stürzt ins Verderben vor mir“. Der Engel weist Bileam darauf hin, dass er nun dreimal seine Eselin misshandelt hatte, um sie zu zwingen, den Weg zu gehen, aber dass die Eselin ihn dreimal vor seinem Untergang bewahrt hat, indem sie dem Engel auswich.
Nachdem der HERR Bileam die Lektion mit der Eselin erklärt hat,
spricht es Bileam aus: „Ich habe gesündigt!“ Aber es geschieht in der
gleichen Weise wie bei dem Pharao, bei Saul und bei Judas (